Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1868
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[241]

No. 16.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Im Hause der Bonaparte.

Historische Erzählung von Max Ring.
(Fortsetzung.)
2.

Wenige Tage nach diesen Ereignissen erhielt der Maler Robert von dem Cardinal und Staatssecretär Consalvi die erbetene Erlaubniß, seine Wohnung in den Bädern des Diocletian unter Räubern und Mördern aufzuschlagen. Sein Atelier war ein alter wüster Saal, der noch immer die Spuren früherer Pracht und Größe zeigte. Hier und da erblickte man einen zerbrochenen Säulenstumpf, eine Erinnerung an die Tage des alten Glanzes, wo dieser herrliche Bau, noch nicht von barbarischen Händen zerstört und seines Schmuckes beraubt, zu den schönsten Denkmälern des kaiserlichen Roms gerechnet wurde. Selbst seine Trümmer reichten noch hin, im sechzehnten Jahrhundert eine große Anzahl von neueren Gebäuden, ganze Kirchen zu errichten und mit mehr als zweihundert Säulen zu schmücken.

Der Fußboden war zum Theil aufgerissen und durch schwarze Steinfliesen ersetzt, aber zwischen dieser Zerstörung erblickte man die kostbarsten Mosaiken gleich Purpurflicken auf einem schmutzigen Bettlermantel. Durch die zerbrochenen Fensterscheiben schien die goldene Sonne Italiens und verklärte mit ihrem Licht die traurigen Ruinen. Wilder Epheu und ein breitblättriger Feigenbaum bekleideten mit frischem Grün gleich einer lebendigen Tapete die verfallenen Mauern.

Der gefällige Sbirre hatte für Geld und gute Worte für die allernothdürftigste Ausstattung gesorgt. Einige rohe Stühle, ein wurmstichiger Tisch, ein baufälliges Bett und die unentbehrliche Staffelei bildeten den ganzen Hausrath des bescheidenen Künstlers.

Meist jedoch verweilte er in dem geräumigen Hofe, wo die Gefangenen unter dem blauen Himmelsdache mit ihren Arbeiten beschäftigt waren. Dort zeichnete er mit unermüdlichem Fleiße, machte er die interessantesten Studien, indem er die wahrhaft malerischen Stellungen seiner Originale und ihre charakteristischen Physiognomieen wiederzugeben suchte.

Auf einem umgestürzten Marmorblock saß der Räuber Francesco mit seinem Weibe, das den schönen Namen Maria-Grazia trug, wogegen ihre jüngere Schwester Teresina hieß. Robert hatte der Frau die Erlaubniß erwirkt, in Rom bei ihrem Mann bleiben zu dürfen, und dadurch ihre Erkenntlichkeit auf das Höchste gesteigert. Beide verehrten ihren Wohlthäter wie einen Gott und jedes seiner Worte dünkte ihnen heilig wie das Evangelium.

Auch die reizende Teresina hatte ihre Scheu überwunden und kauerte jetzt zu seinen Füßen auf dem Boden mit niedergeschlagenem Auge, da er sie zu zeichnen wünschte. Von Zeit zu Zeit warf sie einen ängstlichen, verstohlenen Blick nach dem weißen Blatte, worauf er mit sicherer Hand das kindlich schöne Gesicht des Mädchens entwarf.

„Francesco,“ sagte der Maler, während er den Bleistift spitzte, „Du wolltest mir ja erzählen, wie Du unter die Briganten gerathen bist.“

„Das ist eine traurige Geschichte,“ murmelte der Räuber. „An meinem ganzen Unglück ist einzig und allein die Vendetta schuld.“

„Diese Blutrache, von der ich schon so oft gehört habe, ist eine verwerfliche Sitte, die jeder gute Christ verdammen muß.“

„Das hat auch der fromme Padre gesagt, als ich ihm beichtete. Aber was soll Unsereins thun, wenn er tief beleidigt, wenn ihm ein naher Verwandter getödtet wird? Das vergossene Blut schreit zum Himmel, und wenn wir uns nicht rächen, so werden wir verachtet und wie die räudigen Hunde angesehen.“

„Es giebt dafür Gerichte, die den Schuldigen bestrafen.“

„Gerichte!“ erwiderte der Räuber mit naiver Verwunderung. „Wer wird seine Ehre diesen Richtern anvertrauen, die mit den Gesetzen nur einen Handel treiben? Der Mörder, der meinen Bruder mit einem Messerstich tödtete, war ein reicher Mann. Ich lauerte ihm auf und meine Kugel traf ihn mitten in das Herz,“ berichtete Francesco mit funkelnden Augen und wildem Lächeln, noch in der Erinnerung schwelgend.

„Und so wurdest Du zum Mörder!“ versetzte Robert streng. „Das nennt man bei uns nicht einen Mord,“ entschuldigte Maria-Grazia, „sondern nur ein Unglück. Ich hätte meinem Francesco nie wieder eine Hand gereicht und einen Kuß gegeben, wenn er anders gehandelt hätte.“

„Und was sagst Du, Teresina?“ fragte der Maler das junge Mädchen.

„O!“ erwiderte sie erröthend und leise zusammenschauernd. „Ich bin noch ein Kind und weiß nur, daß die Vendetta etwas Schreckliches ist, weil sie die Menschen elend und unglücklich macht.“

„Das ist wahr,“ bekräftigte der Räuber. „Seitdem fand ich keine Ruhe mehr. Ich mußte in die Berge fliehen, wo ich wie ein wildes Thier von den Sbirren verfolgt und gehetzt wurde. Tagelang irrte ich in den Felsen umher, ohne einen Bissen Brod zu finden, bis mich das Elend, die Noth und vor Allem der Hunger zu den Briganten trieben. Ich ließ mich vom Teufel verführen und von dem verrufenen Gasparone anwerben, mit dem ich zugleich gefangen wurde.“

[242] „Und was bist Du früher gewesen, bevor Du Brigant wurdest?“

„Ich war als Jäger in der Campagna angestellt, und Ihr könnt alle Nachbarn fragen, ob es einen besseren Schützen in der ganzen Runde gab. Daß meine Kugel nie ihr Ziel verfehlte, habe ich bewiesen,“ fügte Francesco stolz hinzu.

„Du bist in der That zu bedauern,“ entgegnete Robert, „und wenn ich die Macht hätte, würde ich Dir die Freiheit wieder geben.“

„Das würde mir doch nichts nützen,“ meinte der Räuber traurig. „Die Vendetta erlischt nicht; ich müßte doch bald wieder in die Berge flüchten. Für mich giebt es keine Hülfe, keine Rettung mehr.“

„Ja, wenn nur Teresina wollte, so könnte eine Aussöhnung stattfinden,“ warf Maria-Grazia dazwischen.

„Teresina?“ fragte der Maler verwundert. „Was kann Teresina dazu thun?“

„Sie braucht nur dem Bruder des Ermordeten, der sie zur Frau verlangt, die Hand zu reichen, und die Vendetta ist für immer begraben.“

„Nimmermehr!“ rief jetzt das junge Mädchen mit einer Heftigkeit, die stark mit ihrer sonstigen Sanftmuth contrastirte.

„Und warum willst Du nicht Deinem Bewerber, der noch dazu ein wohlhabender und angesehener Mann zu sein scheint, zum Altar folgen, den gestörten Frieden zwischen den feindlichen Familien herstellen und der Blutrache ein erwünschtes Ende machen?“

Nur ein heißer Thränenstrom und ein leises Schluchzen war die Antwort des jungen Mädchens, so daß Robert es für gerathen hielt, nicht weiter in sie zu dringen und die Sitzung abzubrechen. Am andern Morgen erschien Teresina in dem Atelier des Malers bleich, doch ruhig und gefaßt, indem sie ihn ersuchte, das angefangene Bild zu vollenden, da sie zu dem Vater zurückkehren müsse, der in der Nähe von Sonnino ein kleines Landgut von geringem Ertrage befaß.

„Verzeiht mir,“ sagte sie entschuldigend, „meine gestrige Heftigkeit, aber die Rede meiner Schwester hat mich tief geschmerzt. Ich will von keiner Heirath wissen; jetzt noch weniger als sonst.“

„So mißfällt Dir Dein Bewerber?“ meinte der Maler, während er seine Farben ordnete und dem Mädchen die geeignete Stellung anwies.

„Mattia Caputi,“ erwiderte sie, „ist ein viel begehrter Mann; aber selbst wenn er tausend Mal schöner und reicher wäre, so will ich doch nicht seine Frau werden. Lieber todt!“

„Was hat Dir der arme Mattia denn gethan, daß Du ihn nicht leiden magst?“

„Seht her!“ sagte das Mädchen, indem sie mit ihrer Hand die schweren Flechten ihres dunklen Seidenhaares mit einer heftigen Bewegung zur Seite streifte und auf ihre Schläfe zeigte, wo eine feine rothe Narbe von Zolllänge jetzt sichtbar wurde, gleich einem schmalen Purpurstreif.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte Robert.

„Diese Narbe kommt von seiner Hand. Ich war acht, Mattia zwölf Jahr alt, als die Vendetta zwischen unseren Familien ausbrach, von der ich keine Ahnung hatte. Eines Tages saß ich auf dem Berge und hütete unsere Ziegen, während ich ein Liedchen sang, da schlich sich der tückische Bube in meine Nähe und schleuderte, in einem Myrthengebüsch verborgen, einen schweren Stein gegen meine Schläfen, daß ich taumelnd, blutend niedersank. Ich hörte noch sein wildes Hohngelächter, seine Verwünschungen gegen mich und all' die Meinigen, dann entfloh er und mein Bewußtsein schwand. Als eine Sterbende wurde ich aufgefunden und in die Hütte meines Vaters getragen. Meine arme Mutter pflegte mich und gelobte für meine Genesung ein silbernes Herz der heiligen Madonna, die mich vom sicheren Tod durch ein Wunder errettet hat. Der Schreck aber ist meiner Mutter in das Herz gefahren, seitdem kränkelte die Gute, und wenige Monate nach diesem Vorfall weinte ich auf ihrem Grabe.“

„Mattia war damals, wie Du selbst sagst, nur ein Kind, das nicht wußte, was es that. Jetzt bereut er sein Vergehen und bietet Dir zur Sühne seine Hand. Du mußt seine kindische That zu vergessen suchen,“

„Nie!“ rief Teresina mit glühender Röthe der bräunlichen Wangen. „So wenig wie diese Narbe jemals verschwinden wird, werde ich jemals diesem Mattia Caputi angehören.“

„Und doch scheinen die Deinigen diese Verbindung dringend zu wünschen.“

„Sie quälen und peinigen mich, daß ich verzweifeln muß; besonders der Vater, den dieser Mattia ganz in seiner Gewalt hat, da wir leider arm und verschuldet sind. Er hat durch zweite Hand dem Vater Geld geliehen und droht uns nun von unserem Gütchen zu vertreiben, wenn ich nicht einwillige. Ach! wir armen Leute sind sehr unglücklich!“

„Wie gern möchte ich Dir helfen, wenn dies in meiner Macht stünde!“ versetzte Robert, von ihrem tiefen Schmerz ergriffen.

„Ah! Sie sind gut, wie die Heiligen im Himmel. Haben Sie Barmherzigkeit! Wenn Sie mich nicht retten, so bleibt mir nichts übrig, als mich in die Tiber zu stürzen!“

Ehe sie der überraschte Maler hindern konnte, war Teresina aufgesprungen und umklammerte seine Kniee mit südlicher Heftigkeit, seine Hände mit ihren Thränen benetzend und mit heißen Küssen bedeckend, während er sie sanft zu entfernen suchte.

„Stoßt mich nicht fort,“ bat sie mit wunderbar ergreifender Stimme. „Laßt mich hier zu Euren Füßen liegen, wie vor dem Bilde des gnadenreichen Erlösers, der das Gebet der Unglücklichen und Elenden erhört. Treibt mich nicht von Euch, weist mich nicht zurück! Ich will ja nur bei Euch bleiben und verlange nichts weiter, als Euch zu dienen wie eine Magd.“

„Du weißt, daß dies nicht möglich ist. Bedenke Deinen Ruf!“ versetzte Robert, fast bestürzt über dies seltsame Anerbieten.

„Was kümmert mich mein Ruf? Ich kenne Euch. Ihr seid ein guter Mann, dem ich vertrauen darf, wie ich ein schuldloses Mädchen bin.“

„Und was wird Dein Vater, was werden Deine Schwester und Francesco sagen?“

„Sie werden sich nicht weigern, wenn Ihr mit ihnen redet. Ein Wort von Euch gilt so viel wie der Ausspruch des heiligen Vaters, der zu binden und zu lösen vermag.“

Obgleich Robert noch immer schwankte und ihr sein vielfaches Bedenken nicht verschwieg, so ließ sie doch nicht ab, ihn mit ihren Bitten und Thränen so lange zu bestürmen, bis er ihr wenigstens die Zusicherung gab, mit ihren Verwandten die nöthige Rücksprache zu nehmen.

„Ich selbst,“ sagte er freundlich, „werde Dich nach Sonnino begleiten und mit Deinem Vater reden, da ich ohnehin die Absicht hatte, jene Gegenden kennen zu lernen und daselbst für meine Bilder landschaftliche Studien zu machen.“

Die bloße Aussicht auf Robert’s Beistand genügte, die Traurigkeit des jungen Mädchens in die ausgelassenste Freude zu verwandeln. Mit jenem schnellen Wechsel, der die Natur und die Menschen des Südens charakterisirt, überließ sich jetzt Teresina der kindlichsten Heiterkeit, indem sie anmuthig von ihrer Heimath, von den schönen Bergen und Villen in der Nähe plauderte, während der Maler ihre günstige Stimmung benutzte, um das Bild zu beenden.

Als er ihr jetzt das wohlgelungene Portrait zeigte, stieß sie einen leisen Schrei aus, indem sie das lieblich erröthende Gesicht mit den Händen bedeckte, als wäre sie von ihrer eigenen Schönheit beschämt.

„Wie, das sollte ich, ich selber sein?“ fragte sie zweifelnd.

„Wer denn sonst?“

„Und das meine Augen, meine Haare? O! Ihr habt mich viel zu schön gemacht. Das muß Maria-Grazia und Francesco sehen! Darf ich sie rufen?“

Vergessen war alles Leid, und wie ein Kind, das eben noch geweint, durch, eine Kleinigkeit erfreut, laut auflacht, so schwebte sie graciös durch die offene Thür in den Hof, wo sie erregt der Schwester ihr unerwartetes Glück verkündigte. Mit Wohlgefallen sah ihr Robert nach, bis sie verschwunden war. Es schien ihm, als ob das düstere Atelier sich noch mehr verdunkelt hätte, als ob das heitere Sonnenlicht mit ihr gegangen wäre.

Trotz der Kürze ihrer Bekanntschaft fühlte er sich von dem seltsamen Mädchen, von dieser wunderbaren Mischung kindlicher Heiterkeit, Anmuth und zarter Weiblichkeit so sehr angezogen, daß auch er nur mit Widerwillen an die drohende Trennung dachte, obgleich er sich nicht die Schwierigkeit verhehlte, die sich ihren und auch seinen Wünschen entgegenstellte. Jedenfalls war er entschlossen, Alles aufzubieten, um sie von der verhaßten Verbindung [243] zu befreien, wozu es vor Allem der Rücksprache mit dem Vater Teresina’s bedurfte.

Am nächsten Morgen bestieg Robert das zu diesem Zweck gemiethete Pferd, während Teresina auf einem bescheidenen Maulesel Platz nahm, begleitet von den Segenswünschen der älteren Schwester und Francesco’s.

„Reitet mit Gott!“ sagte der Räuber, „und wenn Euch in den Gebirgen ein Brigante begegnen sollte, so nennt ihm nur meinen Namen und zeigt ihm diese Münze, die Euch mehr nützen wird, als ein Paß des Gouverneurs.“

Mit diesen Worten überreichte er dem Maler eine alte, vielfach in Form eines Kreuzes durchlöcherte Kupfermünze, die dieser sorglos in die Tasche steckte, da er eine solche Gefahr nicht fürchtete, obgleich das Unwesen noch immer nicht verschwunden war und die verwegenen Gesellen bis an die Thore der Stadt schweiften.

Schweigend ritten die Reisenden durch die noch menschenleeren Straßen über die öde Campagna, die, in dichten Herbstnebel gehüllt, einem wogenden Meere glich. Nach und nach schwanden die wallenden Schleier und die aufgehende Sonne beleuchtete mit ihrem rosigen Schimmer das weite Gefilde mit seinen uralten Trümmern prachtvoller Villen, zerfallener Grabdenkmäler und riesiger Wasserleitungen, diesen erhabenen Zeugen einer untergegangenen großen Welt. Rings umher herrschte das Schweigen des Todes, nur ein Falke, der sich hoch in den blauen Lüften wiegte, ließ seinen grellen Schrei in der Oede hören, gleich dem Geiste eines jener beutelustigen Barbaren, die sich einst gierig auf das vor ihnen zitternde Rom niederstürzten.

War es sittliche Befangenheit oder das Gefühl jener Melancholie, welches unwillkürlich die Seele beim Anblick dieser erhabenen Trümmerstätte beschleicht, daß Keines von Beiden das fast beängstigende Stillschweigen unterbrach, so lange sie durch die traurige Campagna ritten, welche nur von Heerden breitstirniger, gluthäugiger Stiere und ihren bewaffneten Hirten bewohnt erschien?

Erst als sie den Fuß des Gebirges erreichten und die Straße immer höher stieg, athmete in der reinen Luft die gepreßte Brust wieder auf, löste sich der auf ihnen lastende Bann bei dem wunderbaren Schauspiel, das sich bei jedem weiteren Schritt vor ihnen aufthat. Zu ihrer Linken erhoben sich die Höhenzüge der Albanerberge in ihren classischen Linien, mit ihren zahllosen Städten, Dörfern und weißen Villen terrassenförmig emporsteigend, während zur Rechten das blaue Meer ihnen entgegenblitzte.

„Herrlich!“ rief Robert entzückt, indem seine Blicke wie blüthentrunkene Bienen von einer Schönheit zur anderen schweiften.

„Dort liegt Frascati,“ zeigte Teresina mit der Hand, „jene hellen Mauern, über denen der silberne Wasserfall schwebt, ist Grotta Fernata, dahinter Rocca di Papa und die Thürme von Castel Gandolfo. Ist das nicht schön?“ fragte sie mit jenem Stolze, den auch der geringste Italiener auf sein herrliches Heimathland besitzt.

„Wunderbar!“ versetzte der Maler. „Wir wollen hier ein wenig ruhen, da ich gern diese herrliche Aussicht zeichnen möchte.“

„Nicht hier,“ sagte das mit der Gegend wohlbekannte Mädchen, „wo Euch die Sonne blendet und Euren Augen schaden kann. Wenn wir hier noch zehn Minuten weiter reiten, so kommen wir in den kühlen Wald, wo Ihr ungestört im Schatten weilen könnt, so lange Ihr wollt. Wir kommen immer noch zeitig genug nach Sonnino.“

Unter ihrer Führung erreichte der Maler einen wie zum Ausruhen von der Natur geschaffenen Halteplatz, rings von dichten Ulmen und prächtigen Kastanienbäumen umgeben, durch deren Zweige das Azurblau des wolkenlosen Himmels schimmerte. Ein sanfter Windhauch wehte in den Blättern, wie wenn die Hand des Geliebten mit den Locken seines Mädchens spielt. Durch die grünen Zweige stahlen sich die goldenen Sonnenstrahlen und malten zitternde Schattenbilder, helle Kreise und Ringe auf dem weichen, thaugetränkten Moose des Waldes.

In der Nähe einer alten verfallenen Capelle, auf deren Altar ein bekränztes Bild der Madonna stand, fand Robert einen geeigneten Punkt für seine Arbeit. Vor ihm lag das Gebirge, gleichsam eingerahmt von zwei mächtigen, uralten Ulmen. Zu seinen Füßen gähnte eine düstere Schlucht, an ihren steilen, mit wilder Myrthe und Lorbeerbüschen bekleideten Wänden rieselten die silbernen Quellen mit melodischem Fall.

Nachdem die Thiere festgebunden waren, breitete der Maler seine Zeichenmappe aus und begann die Skizze der romantischen Gegend flüchtig aufzunehmen, während Teresina lieblich plaudernd an seiner Seite in dem Gefühle ihrer sicheren Unschuld saß.

„Diese Schlucht,“ sagte sie, „war noch vor einem Jahre der Schlupfwinkel des grausamen Gasparone und seiner Briganten.

Ich selbst bin schon einmal mit Maria-Grazia hier gewesen, als der arme Francesco noch ein Ausgestoßener war. Aber ich habe mich nicht hingewagt unter die verwegenen Männer. Nur die Schwester ist hinabgestiegen, während ich an der Capelle niederkniete und zu der gebenedeiten Madonna für die Unglücklichen betete.“

„Aber jetzt ist doch die Gegend sicher?“ meinte der Maler, in die unheimliche Tiefe blickend.

„Seit Gasparone gefangen, hat man von keinem Anfall mehr gehört? Die Briganti sitzen jetzt im Gefängniß und die Wenigen, die entkommen, haben sich über die Grenze geflüchtet, wo sie nur noch die Reisenden auf dem Wege nach Neapel beunruhigen.“

„Wir haben also nichts zu fürchten!“ scherzte Robert, ruhig weiter malend. „Im Nothfall besitzen wir ja den kupfernen Empfehlungsbrief von Freund Francesco an seine früheren Spießgesellen.“

„Ihr dürft nicht über solche Dinge spotten,“ sagte das junge Mädchen ernst. „Oft ist die Gefahr näher, als man glaubt, und ein Wort zur Unzeit kann uns Unglück bringen.“

„Du mußt nicht so abergläubisch fein. Was kann uns hier geschehen?“

„Horch!“ rief plötzlich Teresina, von ihrem Sitze aufspringend. „Was war das?“

Aus der Tiefe der dunklen Schlucht tönte ein verworrenes Geräusch, wie von Menschenstimmen. Ueber den Rand der jähen Felswand gebeugt, lauschte das junge Mädchen mit angehaltenem Athem, während der Maler gespannt an ihrer Seite stand.

Jetzt klang deutlich ein lauter Ruf nach Hülfe, woraus die frühere Todtenstille wieder eintrat.

„Ich habe mich nicht getäuscht,“ flüsterte Teresina leise. „O, ich kenne sie nur zu gut. Es sind die Briganten, die einen armen Reisenden überfallen haben.“

„Wir müssen ihm zu Hülfe eilen!“ rief der Maler muthig.

„Wo denkt Ihr hin? Es sind ihrer wenigstens drei oder vier, und Ihr habt keine Waffen. Sie werden Euch tödten oder in’s Gebirge schleppen.“

Ohne sich jedoch an ihre Warnung zu kehren, eilte Robert, von Menschenliebe beseelt, den steilen Fußpfad hinab, der, durch das dichte Gebüsch sich schlängelnd, in den Abgrund führte, gefolgt von Teresina, welche die Gefahr mit ihm theilen wollte. Der enge Weg mündete in eine gewölbte Grotte, in die ein schöner junger Mann in Jägertracht, mit gebundenen Händen, von drei Räubern gewaltsam hineingezerrt wurde.

Als die Briganten die nahenden Schritte der Herbeieilenden hörten, ließen sie ihre Beute los, indem sie ihre gespannten Flinten gegen die Brust des Malers richteten.

„Steht,“ rief der Anführer, „oder Ihr seid ein Kind des Todes!“

Ehe aber der Brigant seine Drohung zur Wahrheit machen konnte, war ihm Teresina in den aufgehobenen Arm gefallen, den sie mit dem Muthe der Verzweiflung festhielt. Verwundert über die unerwartete Erscheinung des ihm wohlbekannten Mädchens stieß der Anführer der Briganten einen wilden Fluch aus.

„Was willst Du, Teresina?“ rief er finster blickend, gleich einem Wolfe, der bei seiner Mahlzeit gestört wird.

„Hüte Dich, Cesari,“ versetzte sie trotzig, „diesem Manne nur ein Haar auf seinem Haupte zu krümmen! Er ist ein Freund Francesco’s und steht unter dem Schutze Eures Kreuz-Bundes. Du weißt, was die durchlöcherte Münze zu bedeuten hat?“

„Wenn er Francesco’s Freund ist und das Schutzgeld bei sich trägt, so mag er ruhig seine Straße ziehn. Wir wollen nichts von ihm und verlangen weder sein Gut noch Leben. Geht mit Gott, Signor, und mischt Euch künftig nicht in fremde Händel!“

„Das ist nicht genug,“ erwiderte Robert.

„Was könnt Ihr noch mehr von uns verlangen?“

„Ihr sollt auch den Gefangenen freigeben, der sich in Euren Händen befindet.“

„Nimmermehr,“ erwiderte der Räuber, „das ist ein vornehmer [244] und reicher Herr, von dem wir ein gutes Lösegeld zu erwarten haben.“

„Und ich“ sagte Robert in entschiedenem Tone, „will lieber sein Schicksal theilen, als den Herrn in Euren Händen lassen. Ich weiche nicht von der Stelle, bis ich auch ihn in Sicherheit weiß.“

„Ich danke, Ihnen,“ sagte der Gefangene, sich in das Gespräch mischend, „für Ihre Theilnahme, aber ich wünsche nicht, daß Sie meinetwegen sich einer Unannehmlichkeit aussetzen. Vielleicht kann ich mich mit diesen Leuten einigen, wenn sie sich billig finden lassen. Auf einige Goldstücke soll es mir nicht ankommen.“

„Eccellenza wissen, was Sie werth sind,“ sagte der Räuber. „Unter tausend Ducati können wir Sie nicht freigeben.“

„Ihr sollt hundert haben und die fünfzig, die in meiner Börse sind, dagegen verlange ich meine Uhr, meinen Siegelring und mein Taschenbuch zurück, für die ich Euch auch noch fünfzig Ducaten vergüten will. Wenn Ihr damit zufrieden seid, so soll Euch der Haushofmeister meines Oheims das Geld zahlen.“

„Wer aber bürgt uns dafür, wenn wir Euch ziehen lassen?“

„Das Wort eines Edelmannes,“ versetzte der junge Mann mit persönlicher Würde.

Während die Räuber den Vorschlag in Erwägung zogen und sich heimlich beriethen, näherte sich Robert dem Gefangenen, dessen ganze Haltung eine gewisse aristokratische Vornehmheit verrieth. Er mochte ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren sein, mit lichtbraunem Haar und blauen Augen, aus denen ebenso sehr Geist wie Herzensgüte sprach, so daß der Maler sich unwillkürlich zu ihm hingezogen fühlte.

„Wie sind Sie,“ fragte er ihn leise, „in die Hände dieser Schurken gefallen?“

„Daran trägt lediglich meine Liebe zur Kunst Schuld,“ versetzte der Unbekannte im reinsten Französisch. „Ich war auf der Jagd in der Nähe von Frascati, wo ich zum Besuch bei meinem Oheim verweilte, der in der Nähe eine Villa besitzt. Ich verirrte mich im Walde und gelangte in diese Schlucht, die mir so romantisch erschien, daß ich sie zu zeichnen beschloß. In meine Arbeit vertieft, bemerkte ich nicht die Räuber, welche mich plötzlich überfielen, ehe ich mich zur Wehre setzen konnte.“

„Sie sind demnach Maler, und ich freue mich, einem Collegen dienen zu können.“

„O, ich bin nur ein schwacher Dilettant,“ erwiderte der Jüngling lächelnd, „aber destomehr liebe ich die Kunst.“

Unterdeß sprach Teresina in dem unverständlichen Dialekt der Gebirgsbewohner eifrig mit den Briganten, welche noch immer unschlüssig schienen. Mit feurigen Worten bat, warnte und drohte sie, indem sie sich bald auf den Schutz Francesco’s, bald auf die Verdienste Robert’s um die gefangenen Räuber und auf dessen Bekanntschaft mit dem gefürchteten Cardinal Consalvi nicht ohne südliche Uebertreibung berief, bis die schwankenden Briganten, welche mit Teresina’s Familie genau bekannt und verbunden waren, ihren Vorstellungen Gehör schenkten.

„Besser ein Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache,“ sagte der Anführer, welcher de Cesari hieß. „Wir wollen Euren Vorschlag annehmen und erwarten das Geld an der Capelle, wohin es Euer Haushofmeister zum Ave Maria bringen kann. Wenn Ihr nicht Wort haltet, so werdet Ihr unserer Rache nicht entgehen. Ihr wißt, daß wir nicht scherzen und daß wir Euch überall finden werden.“

Zugleich überreichte er dem unterdeß von seinen Fesseln befreiten Gefangenen dessen Uhr, Siegelring und ein ansehnliches Taschenbuch, worauf die Räuber sich durch die Grotte entfernten, während die Reisenden den entgegengesetzten Weg in Begleitung ihres neuen Gefährten nach dein Gebirge einschlugen.

„Ich bin Ihnen zu großem Danke verpflichtet,“ sagte der junge Mann zu dem Maler, „da ich ohne Ihren Beistand nicht so billigen Kaufes fortgekommen wäre. Wahrscheinlich hätte ich eine unfreiwillige Reise in das Gebirge machen und so lange warten müssen, bis mein Lösegeld eingetroffen sein würde. Die Schurken haben es auf meine Familie abgesehen und im vorigen Jahr meinem Oheim einen Besuch auf seiner Villa abgestattet, zum Glück aber statt seiner einen armen französischen Maler, der sich zufällig in seiner Wohnung befand, ergriffen und mit sich fortgeschleppt. Doch auch er kam mit dem bloßen Schreck davon, da sie ihn wieder frei gaben, als sie ihren Irrthum gewahrten. Seitdem lauern diese Briganten auf eine bessere Gelegenheit, vor der Sie mich freundlichst bewahrt haben.“

„Danken Sie dem Zufall und nicht mir,“ entgegnete Robert, indem er seinem Begleiter über seine seltsamen Beziehungen zu den gefangenen Briganten Aufschluß gab.

„Das Alles,“ sagte der junge Mann, „klingt wie ein Märchen; „es ist das seltsamste Abenteuer, das ich bis jetzt erlebt habe.“

„Doch buchstäblich wahr, wie Ihnen das junge Mädchen bestätigen kann.“

„Ich zweifle nicht daran. Doch wohin gedenken Sie jetzt zu gehen?“

„Nach Sonnino, wo ich mich noch einige Tage aufhalten will, um daselbst Studien zu machen.“

„Ich glaube, daß sich dazu die dortige Gegend weniger eignet, als die herrliche Umgebung von Frascati. Meine Verwandten würden sich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Aber darf ich, ohne unbescheiden zu sein, nach dem Namen meines Retters fragen?“

„Ich heiße Leopold Robert, Maler Robert.“

„Den Namen werde ich nicht so leicht vergessen,“ erwiderte der Fremde mit verbindlichem Lächeln. „Vielleicht gestatten Sie mir, Sie in Rom in Ihrem Atelier zu besuchen und unsere flüchtige Bekanntschaft zu erneuern. Ich bin,“ setzte er fast zögernd hinzu, „der Sohn des Grafen von Saint-Leu.“

Der Neffe des Kaisers!“ rief Robert überrascht von dieser seltsamen Begegnung.

„Ein armer, verbannter Napoleonide!“ seufzte der wirklich schöne junge Mann, indem ein Schatten seine klare Stirn verdüsterte.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Haupt der ultramontanen Partei in Deutschland.

Es ist ein Bild von keineswegs zu unterschätzendem culturhistorischen und zeitgeschichtlichen Interesse, das Bild der Wirksamkeit eines Mannes, der bereits seit fast zwei Decennien den ultramontanen Bestrebungen in unserem Vaterlande nicht nur als eine ihrer mächtigsten Stützen gedient, sondern vielmehr mit weithinschallendem Kriegsruf ihnen die Ziele und Wege gewiesen und alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um, soweit es an ihm lag, seinen Lebenszweck, die Wiederherstellung der Macht der Kirche, wie sie im Mittelalter war, zu erreichen. Nicht allein, daß wir, wenn wir dieses Bild auch nur in seinen äußeren Umrissen geben, um die Bekanntschaft einer jedenfalls hervorragenden Erscheinung unserer Zeit reicher werden; wir gewinnen damit auch zugleich einen lehrreichen Einblick in den Charakter und das Wesen einer Gegnerschaft, die den glück- und erfolgverheißenden Bestrebungen unserer Gegenwart in einem Kampfe „auf Leben und Tod“, wie ihn Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, Bischof von Mainz – denn er ist es, von dem wir hier sprechen – selbst bezeichnet, einen zähen, hartnäckigen, schwer zu ’ermüdenden Widerstand leistet. Wenn dieses Bild aber recht klar und deutlich werden soll, ist es nothwendig, einen kurzen Blick auf das Verhältniß zu werfen, in welchem die beiden christlichen Confessionen des Großherzogthums Hessen, – dies ist bekanntlich der engere Schauplatz der Thätigkeit des Bischofs, – vor Inthronisirung des letzteren auf dem Stuhle des heiligen Bonifacius zu einander gestanden haben.

Wie der Verfasser dieses Aufsatzes aus völlig zuverlässigen und unverfänglichen Quellen, über die er jederzeit Rechenschaft zu geben bereit ist, in Erfahrung gebracht hat, waren die interconfessionellen Beziehungen in Hessen vor den Zeiten des Herrn von Ketteler durch gegenseitiges Entgegenkommen im wahren Geiste christlicher Liebe in so wünschenswerther Weise geordnet, daß tüchtige Männer beider Religionsbekenntnisse, Priester und Laien, die alt genug sind, um die Differenz zwischen Sonst und Jetzt ziehen zu können, auf jene Zeiten wie auf einen glücklichen Traum zurückblicken. Die Geistlichen standen untereinander in einem geselligen Verkehr, der in vielen Fällen zu enger Freundschaft führte, unter allen Umständen es aber niemals an der gegenseitigen

[245]

Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, Bischof von Mainz.

Achtung gebrechen ließ. Oftmals, wo es die Gelegenheit mit sich brachte, verwalteten sie ihr priesterliches Amt gemeinschaftlich an einem und demselben Altare, gleichgültig, ob in einer protestantischen oder katholischen Kirche. Die Gemeinden wohnten in Frieden beieinander. In den Schulen saßen, wenn es die Ortsverhältnisse so bedingten, die Kinder der verschiedenen Konfessionen untereinander, ohne daß der eine oder der andere Theil befürchten durfte, inner- oder außerhalb des Unterrichts in seinem Glauben gekränkt zu werden. Starb ein Protestant in einem vorwiegend katholischen Orte, so wurde er in derselben Reihe begraben, in welcher seine katholischen Mitchristen lagen, und die Glocken der katholischen Kirche läuteten ihn zu seiner letzten Ruhe, wie wenn er ihrer Gemeinschaft angehört hätte.

Das ist nun freilich seit dem Regierungsantritte des jetzigen Bischofs ganz anders geworden. Wider den Willen des Domcapitels zu Mainz, das erst einen Mann von milder und versöhnlicher Gesinnung, den früheren Domcapitular Schmidt, jetzt Professor der Philosophie zu Gießen, gewählt hatte, dem Sprengel vom Papst gewissermaßen aufgezwungen, ließ er sogleich in dem ganzen Lager, das seinem Befehle anvertraut war, nach allen Seiten hin Reveille schlagen, um jenen unduldsamen, exclusiven Geist in seinen Diöcesanen wach zu rufen, welchen wir unter dem Namen des ultramontanen kennen und – nicht lieben gelernt haben. Das früherhin so collegiale Verhältniß der Geistlichen unter einander hatte damit nicht nur bald sein Ende erreicht, es trat vielmehr zwischen ihnen jene Spannung ein, die überall dort zu Tage kommen muß, wo die unerträglichste aller Aristokratien, die des Glaubens, ihre Ansprüche geltend macht, Ansprüche, auf denen der geistliche Hochmuth des Menschen um so eigensinniger zu bestehen pflegt, je unsicherer das Fundament ist, auf welches sie sich gründen. Es versteht sich von selbst, daß die Gemeinden zum großen Theil ihren Seelsorgern nachfolgten und daß damit eine Absonderung nicht nur auf dem Gebiete der Kirche und Schule, sondern nicht minder der gesellschaftlichen Beziehungen eintrat. Auch die Kirchenglocken haben wieder ihre specifisch katholische und protestantische Klangfarbe angenommen. O sancta simplicitas!

Einige concrete Fälle werden am besten geeignet sein, den gegenwärtig in der Mainzer Diöcese waltenden Geist in das richtige Licht zu stellen. Welcher Same des Hochmuths, der Zwietracht, des Hasses und Wahnes zum Beispiel schon in die Seelen der Jugend gelegt wird, davon mag folgendes sehr bezeichnende Erlebniß des Verfassers dieses Aufsatzes Zeugniß ablegen. Die Kinder einer in einem rheinhessischen, nur zwei Stunden von Mainz entfernten Dorfe angesessenen protestantischen Familie kamen einst vom Spielen nach Hause, ganz aufgeregt darüber, daß ihnen ihre katholischen Cameraden den Umgang aufgesagt hatten, und zwar auf Befehl des Caplans, welcher in der Schule seine Stimme dahin abgegeben hatte, daß es sich für Kinder der katholischen Confession nicht schicke, mit Andersgläubigen umzugehen, da diese Letzteren doch nie in den Himmel kommen könnten. Als ich nun über diesen bornirten Fanatismus mein höchstes Erstaunen aussprach, beruhigte man mich damit, daß dergleichen Erscheinungen in der ganzen Mainzer Diöcese zu den alltäglichen gehörten. Ueberhaupt auf der Schule, als derjenigen Anstalt, die ihm die Herrschaft seines Geistes auch für die Zukunft zu verbürgen am meisten geeignet scheint, hält der Bischof seine Hand mit furchtbarer Strenge, [246] mit eiserner Gewalt, und wie für diesen Zweck von seiner Seite auch schon die hessischen Behörden gewonnen sind, darüber möge Nachstehendes sprechen.

In demselben Dorfe, von welchem ich oben erzählte, lebt gegenwärtig als Inhaber einer Privatschule ein würdiger Mann, ein Lehrer, so recht nach dem Herzen von Eltern, denen ernstlich daran gelegen ist, daß ihre Kinder etwas Tüchtiges lernen. Er war früher Hauptlehrer in der katholischen – der einzigen öffentlichen – Schule des Ortes gewesen, hatte aber durch die Unabhängigkeit seiner Gesinnung, welcher besonders der geistlose Formelkram des vorgeschriebenen Religionsunterrichts und die kirchlich asketischen Uebungen keineswegs zusagten, zu denen bei Gelegenheit der bekannten Jesuitenmissionen auch die Lehrer des Sprengels von Mainz befohlen wurden, den Zorn des Bischofs auf sein Haupt geladen. Man faßte sich kurz. Der sittlich vorwurfslose, in jeder Beziehung ausgezeichnete, für das Wohl der ihm anvertrauten Jugend fast dreißig lange Jahre rastlos thätige Mann wurde wegen Faulheit pensionirt, ein Familienvater mit sechs unerzogenen Kindern! Das wäre nun im Grunde genommen noch nichts so sehr Auffallendes, denn dergleichen kommt auch anderswo vor. Das Unerhörte aber in dieser Angelegenheit ist, daß die hessische Regierungsbehörde über den Geschädigten auch noch Verbannung verhängte, indem sie den Genuß der Pension an die Bedingung knüpfte, daß der Empfänger den Ort seiner bisherigen, fast dreißigjährigen Wirksamkeit verlassen und dazu noch die Wahl seines zukünftigen Aufenthaltsorts dem großherzoglichen Kreisrath zur Bestätigung vorlegen sollte! So gefährlich erschien die Faulheit dieses Mannes! Erst als die Sache vor die hessischen Stände zu kommen drohte, zog man andere Saiten auf und gab ihm schließlich die Concession zu jener oben erwähnten Privatschule, die ihn in Bezug auf den Unterricht nicht nur freier, sondern Dank seiner Tüchtigkeit auch materiell viel besser gestellt hat, als früher. Das betreffende Regierungsrescript habe ich mit meinen eigenen staunenden und ungläubigen Augen gelesen.

Aber nicht blos diesen engeren Kreisen, sondern dem ganzen öffentlichen Leben des Großherzogthums Hessen wußte der Bischof von Ketteler die Spuren seines Wesens und Wirkens einzuprägen. In jenen unglückseligen fünfziger Jahren unseres Säculums, in welchen die rothe Reaction überall in unserem Vaterlande siegreich die Fahne schwang, in welchen mit dem Abschluß des Concordats die österreichische Regierung sich und ihr Volk förmlich in die Knechtschaft des Papstthums stürzte, gelang es dem Bischof von Mainz, der österreichischen und bundestäglichen Hülfe versichert, durch die schon früher erwähnte Androhung eines Krieges auf Leben und Tod die hessische Regierung zum Abschluß jenes Staatsvertrags zu bewegen, der unter dem Namen der mainz-darmstädtischen Convention in ganz Deutschland bekannt geworden ist. Vergebens war der Protest von achthundert der angesehensten katholischen Bürger von Mainz, vergebens der Protest der Presse, vergebens der Protest der hessischen Landstände. Die Regierung beharrte dabei, dem Bischof eine Macht zu lassen, die ihm bei Besetzung der Pfarr und Lehrstellen eine, wenn überhaupt, dann nur dem Namen nach beschränkte Allgewalt einräumte. Erst die Ereignisse des Jahres 1866, wie sie in Oesterreich den Bann des Concordats brachen und die Vollgewalt der ultramontanen Herrschaft über das Staatsleben als den unheil- und verhängnißvollsten Anachronismus selbst dem blödesten Verstande und widerstrebendsten Willen klar und deutlich machten, vermochten auch die hessische Regierung jenen Vertrag wieder aufzulösen.

Ein förmlicher Gewaltact seitens des Bischofs, dem die Regierung ebenfalls willen- und widerspruchlos zusah, war ferner die Ablösung der katholisch-theologischen Facultät von dem Verbande der hessischen Landesuniversität Gießen. Durch die Drohung, keinem auf dieser Akademie Studirenden die geistlichen Weihen ertheilen zu wollen, zwang er Alle, die in der Mainzer Diöcese dereinst ein priesterliches Amt zu bekleiden beabsichtigten, von dem für diesen Zweck errichteten Seminar in Mainz Gebrauch zu machen, das selbstverständlich unter des Bischofs eignen Augen auch des Bischofs eigne Wege wandelt. Wohl ging ein Schrei des Schreckens und des Unwillens durch das ganze Land, aber der Bischof wollte seinen Willen, und Herr von Dalwigk sagte nicht Nein. Freilich die deutschen Universitäten zeitigen nicht blos die Fähigkeiten des Geistes, sondern sie reifen auch den Charakter; allein schon seit den Zeiten des gewaltigen Hildebrand, ist es dem Ultramontanismus eigen, daß er gern und willig zu Gunsten der Schablone auf den Charakter verzichtet.

Alle diese Erscheinungen indessen reichen in Bezug auf Seltsamkeit nicht an die letzte, welche hier angeführt sei, nämlich die, daß der Bischof von Ketteler im Widerspruch mit allen in dem hessischen Lande geltenden Rechten und Pflichten bis heute noch nicht sich herbeigelassen hat, den Eid auf die hessische Verfassung zu leisten. Er nimmt zwar seit achtzehn Jahren schon in der ersten Kammer der Stände des Großherzogthums den seiner Stellung zukommenden Platz ein; er beansprucht zwar für sich das Recht, bei der Gesetzgebung seinen Rath und seine Stimme geltend zu machen – aber durch einen Eid sich an die Gesetze zu binden, die er selber giebt, das hat er bis jetzt für durchaus überflüssig gehalten. Somit hat er thatsächlich sich nicht nur über das Gesetz, sondern auch über seinen eigenen Landesherrn gestellt. Es ist nicht unsere Sache, hier zu fragen, in welcher Weise die hessische Regierung diese Handlungsweise eines Unterthans gegenüber der Würde und Wohlfahrt des Landes und der Krone verantworten will und kann. Nur darauf mochten wir hingewiesen haben, daß seit der langen Reihe von Jahren, die der Bischof an der Gesetzgebung Theil genommen hat, unter den erlassenen Gesetzen sich bei den obwaltenden Umständen sicherlich verschiedene vorfinden dürften, die staatsrechtlich vollkommen ungültig und unverbindlich sind.

Ob der Bischof, wenn Mainz preußisch geworden wäre, wohl dem Könige von Preußen und der preußischen Verfassung auch den Eid der Treue und des Gehorsams verweigert hätte? – Und wenn er es gethan hätte, – ob er dann wohl noch Bischof von Mainz geblieben wäre? – –

Das hier Mitgetheilte dürfte genügen, um die Art und Weise, wie der Bischof das Interesse seiner Partei geltend macht, hinlänglich zu charakterisiren, und wir können füglich die Mittel, die er zur Wiederbelebung des ultramontanen Geistes anwendet, wie die Stiftung immer neuer religiöser Genossenschaften unter Geistlichen und Laien, die Wiedereinführung der Jesuiten gegen alles Gesetz und Recht, die Vermehrung der Klöster und der Feiertage, den kaum noch kanonisch zu nennenden Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Eigenthum etc. mit Stillschweigen übergehen. Wie rüstig und allzeit bereit der fehdelustige Führer des deutschen Ultramontanismus die Feder führt, ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Diese seine literarische Befähigung, seine Schlagfertigkeit, seine – wir dürfen es nicht in Abrede stellen – geistige Ueberlegenheit, erklären den Einfluß, welchen er nicht nur auf die Geistlichen einer Diöcese, sondern selbst auf andere Prälaten und Kirchenfürsten ausübt, sodaß er mit Recht als eine der Hauptstützen des Ultramontanismus in ganz Deutschland gilt. Bei jeder Gelegenheit schlägt er Lärm und schreit über eine Beschimpfung oder Schädigung der katholischen Kirche. So, als er das bekannte Lustspiel Arthur Müller’s „Gute Nacht Hänschen“ als eine „öffentliche Beschimpfung der katholischen Kirche“ befehdete und das Verbot des Stückes auf der Mainzer Bühne durchsetzte; so noch ganz vor Kurzem bei dem Jubiläum des Erzbischofs Vicari von Freiburg im Breisgau, wo er in einer anderthalb Stunden langen Rede gegen die Bestrebungen der neueren Zeit, die Religion, Christenthum und Kirche aus Staat, Schule und Haus verdrängen wollten, zelotisch zu Felde zog. Dabei vergißt er trotzdem nie, seine Friedfertigkeit, seine christliche Liebe, seinen Patriotismus, seine Verehrung für das Gesetz, seinen Verzicht auf alle Vorrechte recht augenscheinlich in den Vordergrund zu stellen. Secundirt wird er hierbei von einer Tagespresse, deren Verhältniß zu den Bestrebungen der deutschen Gegenwart damit hinlänglich festgestellt ist, wenn wir anführen, daß sie dem Tage der Kaiserconferenz zu Salzburg, von welcher wir Alle einen blutigen Krieg befürchteten, mit den Worten entgegenjubelte: „Noch nie hat die Sonne so schön und glückverheißend über Salzburg geschienen, als an dem heutigen Tage!“

Lassen wir nun zum Abschluß unserer Charakteristik den Bischof noch mit seinen eigenen Worten den Standpunkt darlegen, den er der Entwickelung des deutschen Volkes gegenüber einnimmt, wie sie sich seit der Reformation herausgestellt hat. Bei Gelegenheit des zu Ehren des heiligen Bonifacius in Mainz 1855 gefeierten Jubiläums äußerte er sich in einem Hirtenbriefe darüber folgendermaßen: „Als die geistige Grundlage wieder gestört und [247] das geistige Band zerrissen wurde, durch welches der heilige Bonifacius die deutschen Völker verbunden hatte, da war es auch aus mit der deutschen Einheit und der Größe des deutschen Volks. Wie das Judenvolk seinen Beruf auf Erden verloren hat, als es den Messias kreuzigte, so hat das deutsche Volk seinen hohen Beruf für das Reich Gottes verloren, als es die Einheit im Glauben zerriß, welche der heilige Bonifacius gegründet hatte. Seitdem hat Deutschland fast nur mehr dazu beigetragen, das Reich Christi auf Erden zu zerstören und eine heidnische Weltanschauung hervorzurufen. Seitdem ist mit dem alten Glauben auch die alte Treue mehr und mehr geschwunden, und alle Schlösser und Riegel, alle Zuchthäuser und Zwangsanstalten, alle Controlen und Polizeien vermögen uns nicht das Gewissen zu ersetzen.“

Das ist, bei Gott! ein grauenhafter Fanatismus, der dem deutschen Volke im Allgemeinen und den deutschen Protestanten insbesondere so furchtbare Anklagen, so schwere Schmähungen in’s Gesicht zu schleudern wagt! Das ist entweder eine Beschränktheit des Geistes, oder aber eine absichtliche Entstellung historischer Thatsachen, sowohl in Bezug auf ihren Grund, wie auf ihre Folgen, für die der gewöhnliche Maßstab menschlicher Beurtheilung nicht ausreicht. – Aber wir können uns darüber trösten, wenn wir klaren und unbefangenen Blickes um uns schauen. Die Thatsachen selber haben die Rechtfertigung des deutschen Volles übernommen. Ein Schloß und ein Riegel nach dem andern springen auf, eine Control- und Polizeimaßregel nach der andern verschwindet, die Statistik der Verbrechen, zumal im Norden Deutschlands, mindert sich von Jahr zu Jahr und steht jedenfalls in keinem Verhältniß zu der Zahl derer, die zu den glaubenseinigen Zeiten Tetzel’s begangen wurden. Der deutsche Geist hält seinen stillen Triumphzug durch die ganze Welt; kein gedrucktes Blatt Papier, das nicht an ihn erinnerte. Wir selbst, das deutsche Volk, wir haben uns gesammelt und gefaßt, und aus alten deutschen Herzen strömen die Quellen der neuerstandenen Liebe zum Vaterlande und rauschen zu einem Meer zusammen, welches die Scheidewände des Confessionalismus bald auseinander gebrandet haben wird. Darum können wir auch diesem Manne verzeihen und getrosten Muthes über ihn als einen lebendigen Anachronismus hinweg zur Tagesordnung des deutschen Volkes übergehen, wie man jetzt in Oesterreich unter dem unsäglichen Jubel des Volkes über den Anachronismus des Concordats zur Tagesordnung übergeht, können übergehen zur Arbeit im gemeinsamen Dienste unseres heiligen, deutschen Vaterlandes!





Erinnerungen an König Ludwig den Ersten von Baiern

Von Ernst Förster.
II.

Schon im Jahr 1846 hatte mir der König schriftlich sein großes Interesse ausgesprochen, was er an der Errichtung der Herder-Statue in Weimar (für welche ich besonders thätig gewesen war) genommen, und mich ermächtigt, dies bei der Grundsteinlegung kundzugeben. Das hatte mich später ermuthigt, seine Theilnahme für Ausführung der Denkmäler Goethe’s, Schiller’s und Wieland’s in Weimar anzusprechen. Auf meinen desfälligen Brief vom 11. Januar 1852 erhielt ich in frühester Morgenstunde des andern Tags folgende Antwort:

„Herr Dr. Förster, erwidere auf Ihr gestern erhaltenes Schreiben, daß ich[1] mit dem Gedanken mich beschäftigt, wie geeignet es seyn würde, wenn die vier Sterne Weimars und deren Beschützer, der verewigte Großherzog Karl August, ein gemeinschaftliches Denkmahl daselbst bekämen. Seit aber Herder’s Standbild daselbst errichtet ist, geht dieses nicht wohl mehr an. Wenn jedoch in Weimar Goethe, Schiller und Wieland jeder eine Bildsäule in der Größe, welche die Herder’sche hat, bekämen, oder was vielleicht noch besser lassen würde, was beyde ersteren betrifft, die von Rauch modulierte Gruppe derselben, aber mit der eine Bedingung abgebenden Veränderung, daß auch Schiller einen Lorbeerkranz statt der Rolle in die Hand bekäme, die Kosten dafür, auch die für Wieland’s Standbild bis Ende dieses Jahres 1852, einschließlich der Fußgestelle und alle Ausgaben gedeckt, spätestens in der Hälfte 1853 mit der Ausführung begonnen und bis Schluß 1856 diese drey Bildsäulen (gleichviel ob Jeder eine einzelne bekäme oder Goethe und Schiller zu einer Gruppe verbunden würden) alle drey hier in München gegossen würden, so mache ich mich anheischig, das Metall zu diesen drey Bildsäulen zu schenken. Bliebe jedoch auch nur eine dieser Bedingungen unerfüllt, so würde es mich jeder Verbindlichkeit entheben. Wie schön! wenn in der Stadt, wo diese vier Männer lebten, sie nach Jahrhunderten noch zu sehen wären. Daß das großherzogliche Haus dem Großherzog ein Denkmahl setze, scheint passend. Es ist lobenswerth von Ihnen, sich dieses Gegenstandes anzunehmen, solches zu würdigen wissend

Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 12. Jänner 1852.             Ludwig.“

Die warme Theilnahme, die der König dem hier bezeichneten Unternehmen gewidmet, erhält noch ein besonders helles Licht, wenn ich hinzufüge, daß ich obige Antwort auf meinen Brief, den er erst am Abend des 11. erhalten haben konnte, am folgenden Morgen schon vor Tagesanbruch empfing, so daß sie seine erste Morgenarbeit – er stand im Winter wie im Sommer immer um fünf Uhr auf – gewesen sein mußte. Aber sein Brief macht uns noch auf einen andern sehr bemerkenswerthen Zug in seinem Charakter aufmerksam; ich meine die Stelle mit den auf die Kostendeckung gestellten Bedingungen. Wer weiß es nicht, daß Kunst- (und andere Unternehmungen) Jahre, Jahrzehnte oder auch für immer in’s Stocken gekommen, weil man sie ohne genaue Berechnung der Mittel für die Durchführung begonnen hatte. König Ludwig ist nie an die Ausführung eines seiner Werke gegangen, ohne vorher über Tag und Stunde der Vollendung und über den letzten dazu nöthigen Groschen vollkommene Sicherheit zu haben. Kaulbach’s „Zerstörung von Jerusalem“ hatte er erworben, ohne demselben über die Bestimmung des Bildes, so oft er auch befragt wurde, eine Auskunft zu geben. Ueber ein Jahr war so vergangen, da trat der König zu Kaulbach in die Werkstatt (ich war zufällig zugegen) mit den Worten: „Kaulbach! Jetzt hab’ ich’s fertig! Für Ihr Bild lasse ich ein eigenes Haus bauen; es wird eine Pinakothek für alle neue Gemälde, die ich habe!“ und nun bezeichnete er den Beginn des Baues wie die Vollendung desselben, und erzählte, wie er sorgfältig habe rechnen müssen, das Ziel zu erreichen. Doch kehren wir wieder zu den Denkmalen für Weimar zurück!

Auf einem Ball im Odeon am 4. Februar (nach obigem Brief) frug mich der König nach der nähern Beschaffenheit der Rauch’schen Gruppe von Schiller und Goethe, die er aus eigener Anschauung noch nicht kannte, und war nicht sehr angenehm überrascht, als er hörte, sie seien in der idealen Tracht altgriechischer oder altrömischer Philosophen oder Dichter dargestellt. Wiederum vor Tagesanbruch am andern Morgen erhielt ich folgendes Billet:

„Herr Dr. Ernst Förster, da in griechischen Gewändern Goethe und Schiller als Denkmähler am wenigsten geeignet in Weimar sein würden, wo sie gelebt, wie vorzüglich schön gleich Rauch’s sie so darstellende Kunsterzeugung ist, aber eine Gruppe in unserer Kleidung nicht gut läßt, so halte ich für’s Beste, daß auch sie einzelne Standbilder bekämen, wie Wieland und Herder bereits bekommen hat. Dieses nachträglich zum Schreiben Ihres Ihnen wohlgewogenen

München, 5. Februar 1852.             Ludwig.“

Inzwischen hatte ich den Erbgroßherzog von Weimar von des Königs Brief vom 12. Januar in Kenntniß gesetzt, der dann alsbald eine Antwort voll Freude und Dank, sowie mit bereitwilliger Annahme der gestellten Bedingungen, an den König schrieb, die dieser mir zuschickte mit einem Billet, dessen Schluß lautet: „Es liegt mir viel daran, daß derselbe (der Erbgroßherzog) sobald als nur möglich wörtlich erfahre, was ich Ihnen nachträglich geschrieben habe.“

Es traten nun bedenkliche Zwischenfälle ein. Rauch war nicht [248] geneigt, auf eine Aenderung seiner Composition einzugehen, was mir der Erbgroßherzog mittheilte und ich dem König, der nur darauf schrieb:

„Herr Dr. Ernst Förster! Mit Dank schicke ich Ihnen den mitgetheilten Brief zurück. Wie sehr ich auch für’s Antike bin und Rauch’s großes Talent schätze, muß ich dabei bleiben, daß Goethe und Schiller in Weimar, wo sie gelebt und gewirkt, nicht in antiker Tracht dargestellt werden. Bin der Ansicht, daß jedem derselben da ein Standbild werde in Erz. Schon an sich finde ich geeigneter, daß jeder dieser vier großen Männer sein besonderes Standbild bekomme in gedachter Stadt. Vernahm frei Schiller Goethe’s Ansicht, was viel weniger von dessen Seite geschah, so ging doch jeder seinen eigenthümlichen Weg, und auch darum spreche ich mich aus, daß in Weimar Goethe und Schiller eigene Standbilder, als das angemessenste erscheint. Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 3. März 1852.             Ludwig.“

Auf diesen Brief, den ich dem Erbgroßherzog mittheilte, sandte derselbe den Freiherrn Zigesar mit Specialvollmacht an den König, ihn umzustimmen. Allein hier machte das „Beharrlich!“ in des Königs Wahlspruch sich geltend. Er schrieb mir:

„Herr Dr. Ernst Förster, ich wünsche, daß Sie dem Kammerherrn von Zigesar ausdrücken möchten, daß ich meine bekannte Ansicht, die Standbilder Goethe’s und Schiller’s betreffend, nicht ändern könnte, daß für Weimar ungeeignet die Ausführung der Gruppe Rauch’s (wodurch aber keineswegs widersprochen werden soll, daß sie sehr schön sey) ich halte, und für’s beste, daß Schiller und Goethe jeder sein eigenes Standbild bekomme. Den hier beygefügten Brief des Erbgroßherzogs wünsche bald zurück. Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 16. März 1852.             Ludwig.

In großer Eile geschrieben. Der Inhalt ist Ihnen bereits bekannt, diese Wiederholung des Ausdrucks meiner Ueberzeugung.“

Die Unternehmung war somit zwischen zwei Klippen gerathen und drohte zu scheitern. In der Hoffnung, daß Rauch doch noch umzustimmen sein würde, bat mich der Erbgroßherzog, nach Berlin zu reisen und mein und sein Glück zu versuchen. Der Bericht über die Erfolglosigkeit dieses letzten Versuchs gehört nicht hierher. Rauch’s und des Königs Auffassung der Aufgaben waren so grundverschieden, daß an eine Nachgiebigkeit von der einen oder der anderen Seite nicht zu denken war, wozu überdies Rauch’s entschiedene Weigerung kam, sein Werk in München gießen zu lassen; ein Umstand, der bei dem König sehr heftige Aeußerungen hervorrief.

Rauch war zurückgetreten. Ich sollte für einen Ersatzmann sorgen und schlug Rietschel vor; der Erbgroßherzog ging bereitwillig darauf ein und übertrug mir, deshalb an den Künstler zu schreiben. Rietschel kam als Reconvalescent aus Italien zurück, mein Brief hatte ihn an der Grenze Deutschlands getroffen. Seine Antwort, in der er mit Freuden Ja sagte, enthielt nur mit Bezugnahme auf seine noch nicht ganz feste Gesundheit die Bedingung einer Terminverlängerung. Auf meine desfällige Mittheilung an den König erhielt ich die Antwort:

„Herr Dr. Ernst Förster, auf Ihr gestriges Schreiben erwiedere ich, daß mir anzugeben, wie viele Monate Verlängerung Rietschel wünsche, denn ins Blaue ist meine Sache nicht, ich bin bestimmt. Entschließung, ob in diese Veränderung ich eingehe, behalte ich mir vor. Es scheint mir eine recht gute Wahl zu seyn, dieser Künstler. Löblich ist Ihre Theilnahme an diesem Werke, welches wiederholt Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 2. Juli 1852.             Ludwig.“

Der König ließ jetzt der Sache ihren Lauf, die er in guten Händen wußte. Ich hatte inzwischen Nachricht erhalten von Rietschel’s Auffassung und mein Bedenken öffentlich geäußert über die Verbindung eines idealen oder poetischen Gedankens mit streng costumirten Figuren. Wie Rauch’s Auffassung sich nicht mit der Wirklichkeit, so vertrug sich – nach meiner Ansicht bei Rietschel die Darstellung nicht mit der Auffassung. Der König schrieb mir darüber:

„Herr Dr. Ernst Förster, so eben erhielt ich und las Ihr Schreiben vom 4. dieses und den beygefügten Aufsatz, mit großem Interesse. Erfreulich, wie Sie richtig bemerken, war mir zu vernehmen, daß doch vielleicht statt in einer Gruppe Goethe und Schiller jeder einzeln dargestellt werde, was ich immer noch als das geeignetste betrachte. Ihre ununterbrochene thätige Theilnahme an diesen zu errichtenden Denkmahlen ist sehr angenehm Ihrem Ihnen wohlgewogenen

Ludwigshöhe, 8. August 1852.             Ludwig.“

Inzwischen hatte Rietschel seine Gruppe entworfen und dem König zur Ansicht eingeschickt. Der König ließ mir seine Billigung derselben im Ganzen, nebst einigen Bemerkungen gegen die verschiedene Wahl der Bekleidung für beide Dichter, durch seinen Flügeladjutanten mittheilen. Er hatte sich in die Aufstellung einer Gruppe, obschon mit Widerstreben, gefügt; er ließ mir auch später (17. Januar 1857), als das Gypsmodell in hiesiger Erzgießerei angekommen war, durch seinen Cabinetsrath schreiben, daß er „die Dichtergruppe recht schön gefunden“ habe, fügte aber eigenhändig unter den Brief die Worte hinzu: „Mit dem Lorbeerkranze konnte sich König Ludwig nicht befreunden, und kann sich nicht damit befreunden. Nicht Goethe nur, auch Schiller verdient ihn.“ Es braucht nicht gesagt zu werden, daß der König auf Rietschel’s der Darstellung zu Grunde liegenden Gedanken nicht eingegangen ist.

Die Schillerstiftung in München hatte mich zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Als ich in deren Namen bei der hundertjährigen Geburtstagsfeier Schiller’s im Jahre 1859 einen Aufruf zu Beiträgen für die Stiftung erließ, war König Ludwig der erste Wohlthäter mit einer Gabe von eintausend Gulden. Und als ich zum Behuf der öffentlichen Feier (da uns die Vorhalle des Theaters abgeschlagen worden war) ihn um die Erlaubniß anging, die Feldherrnhalle zu diesem Zweck benutzen zu dürfen, schrieb er mir sogleich:

„Erwiedere den Vorständen des Schillerfest Comités auf deren Schreiben vom Gestrigen, daß Ich mit Freude ihren Wunsch der Benutzung der Feldherrnhalle zum Feste unsers Schillers erfülle. Er ist der teutsche Dichter, er spricht zum teutschen Gemüthe, schwingt zum Ideal empor. Den Vorständen sowie dem ganzen Comité des Schillerfestes wohlgewogener

München, den 2. November 1859.             Ludwig.“

Mir aber sagte er in besonderer Audienz, wie es in seiner Jugend sein heißester Wunsch gewesen, Schillern eine Reise nach Italien zu ermöglichen, und wie ihm dafür in seinen beschränkten kronprinzlichen Verhältnissen die Mittel gefehlt. Noch mit diesen Gedanken beschäftigt, habe er im Frühjahr 1805 in dem Lorbeerhain der Ruinen der Kaiserpaläste in Rom gesessen, als (ich glaube) Martin Wagner zu ihm gekommen mit der Nachricht, Schiller sei gestorben. Da habe er sich gelobt, seiner Liebe und Verehrung desselben immer treu zu bleiben, und einst – wenn es ihm vergönnt sein würde – Gleichstrebende nicht ohne Beistand zu lassen. Und der König hat treulich gehalten, was der Kronprinz gelobt, und mit gleicher Wärme und bis selbst in die letzten Tage seines Lebens die Theilnahme an der Stiftung, die Schiller’s Namen trägt, bewahrt, wie er denn auch im Gefühl dessen, was er dem von ihm vor Allen geliebten und hochgehaltenen Dichter zu danken bekannte, die Statue Schiller’s auf einem der schönsten Plätze Münchens im Jahr 1862 hat errichten lassen.

Inzwischen war ihm auch Goethe’s Andenken gleich heilig, und als ich einmal gegen ihn äußerte, es wäre wünschenswerth, daß das Plätzchen in Rom, wo Goethe den Stoff gesammelt zu den „römischen Elegien“, die sogenannte Goethekneipe in den Ruinen vom Theater des Marcellus, eine bleibende Erinnerung erhielte, äußerte er sich sehr einverstanden. Im Winter 1865, da ich zugleich mit ihm in Rom war, sagte er mir: „Ihr Gedanke hat mich hierher begleitet, in der Goethekneipe ein Andenken an Goethe zu stiften. Ich habe mich nur vorher vergewissern wollen, ob die Nachricht begründet ist, und lese ebendeshalb wieder die italienische Reise von Goethe. Sie müssen mich hinführen an die Stelle, damit ich an keine falsche komme.“ Und nun steht die Gedächtnißtafel von Marmor an der einst in der helldunkeln Spelunke des alten Gemäuers höchst gemüthlichen, nun leider durch moderne Civilisation sehr veränderten Stelle, wo Goethe einst seine süßen Feierstunden verlebte.

Die historische Gewissenhaftigkeit bildete einen hervortretenden Zug in des Königs Charakter. In der ebenerwähnten Zeit ging ich einmal mit des Königs Leibarzt und einigen andern Landsleuten von Quattro Fontane hinab und hinaus nach S. Croce. Unweit der vier Brunnen an der Straßenmauer ist ein verschlossener Kasten, dessen mir aus früher Zeit und Ueberlieferung [249] bekannte Geschichte ich den Freunden mittheilte: daß in einer schönen hellen Mondnacht Cornelius mit seinen Freunden aus der Weinkneipe etwas schwankenden Schrittes nach Hause gegangen, aber gesagt habe, auf die Beine komme es beim Maler nicht an, sondern auf die Hand, und sogleich sei von der seinigen ein Christusbild mit Kohle auf die Mauer gezeichnet worden, das am andern Tag von der Nachbarschaft angestaunt, ohne Verzug mit einem Glaskasten und ewigem Licht versehen und ein bleibendes Andachtsbild geworden. Wir verschafften uns den Schlüssel, dem das verrostete Schloß kaum folgen wollte, und fanden noch die Spuren der (freilich ungeschickt retouchirten) Zeichnung, die Cornelius’ Hand dennoch erkennen ließ. Ich betheuerte überdies, daß Cornelius selbst die Thatsache mir bestätigt habe, und der Leibarzt fand die Geschichte interessant genug, sie dem König zu erzählen und in einem Briefe der Allgemeinen Zeitung mitzutheilen. Als dies der König erfuhr, ließ er sogleich Nachforschungen anstellen, ob die Geschichte auch „wirklich wahr“ sei. In Rom lebte nur noch ein Zeitgenosse von Cornelius, der Landschaftsmaler von Rhoden aus Cassel. Da dieser aber auf Befragen erklärte, er wisse nichts von der Geschichte, sie komme ihm nicht glaublich vor, ließ der König sogleich – weil der historische Beweis der Wahrheit zweifelhaft geworden nach Augsburg telegraphiren, die Erzählung von dem Andachtsbild von Quattro Fontane in Rom solle nicht in die Allgemeine Zeitung aufgenommen werden.

Nicht leicht fiel ein an ihn gerichtetes Wort an den Boden, und oft erhielt man eine Antwort, wenn man die Anrede selbst fast vergessen hatte. Der König befand sich in Rom, als die Gräflich-Schönborn’sche Bildergalerie aus Pommersfelden nach Paris geschickt wurde, um dort unter den Hammer zu kommen. Ich schrieb dem König, wie beklagenswerth dieser Verlust für Baiern sei, wie man aber an das Land nicht wohl das Ansinnen stellen könne, sie käuflich zu erwerben. Nur ein Gemälde, nach meiner Ansicht das größte Juwel der Sammlung, sollte doch Baiern erhalten bleiben, „die trauernde Mutter mit dem Kind,“ ein Bild, in welchem ich mit Gewißheit die Hand Leonardo’s zu erkennen glaubte. – Im Monat Juni wurde ich im Bade Ems durch folgendes Briefchen überrascht:

„Herr Dr. Ernst Förster, wollte gestern Ihnen mündlich danken mich nach Rom schreibend aufmerksam gemacht zu haben auf den Juwel der Pommersfeld’schen Galerie. Dieses herrliche Gemälde gab mir die Ueberzeugung, daß es ein Leonardo da Vinci, kein Luini. Wiederholt dankend Ihr wohlgewogene

München, 5. Juni 1867.             Ludwig I.

Seitdem ist das Bild eine Zierde der Pinakothek in München.

Des Königs Theilnahme an der Schillerstiftung hatte es mir zur Pflicht gemacht, ihm von Zeit zu Zeit über deren Wirken Bericht zu erstatten. Ich that es zuletzt Anfang Februar dieses Jahres, bei welcher Gelegenheit ich meine Theilnahme an seiner gestörten Gesundheit aussprach, und erhielt nach wenigen Tagen aus dem Cabinet den Dank des Königs für Bericht und Brief mit dem Zusatz: „daß ich täglich spazieren gehe, spazieren fahre, fleißig Gesellschaften besuche, dieses als Erwiderung auf das, was meine Gesundheit betrifft.“ Und zwei Tage nachher mußte er sich der Operation unterwerfen, der rasch eine zweite und ohne langes Zögern der Tod folgte.

Er war ein seltener Mensch, eines unvergänglichen Gedächtnisses sicher, und aus voller Seele wiederhole ich über seinem Sarkophag den Schlußgesang der Walhallagenossen aus meinem vor achtunddreißig Jahren zur feierlichen Grundsteinlegung der Walhalla gedichteten Liede:

Laßt die Schilde laut erdröhnen,
Nehmet den Pocal zur Hand!
Singet, daß es wiederhalle
In dem deutschen Vaterland:
Heil dem Fürsten, den des Ruhmes[2]
Ew’ge Sternenkrone lohnt,
Wenn er einst in späten Jahren
Selber in Walhalla thront!



  1. Nur in den vom König nicht ganz eigenhändigen Briefen ist „Ich, Mein“ etc. mit großen Initialen geschrieben.
  2. Und Eisenmann? Und Behr?
    D. Red.


Das erste Meißner Theeservice.

„Ce que femme veut.“

Die Bewohner des alten Elbflorenz befanden sich um die Weihnachtszeit Anno 1707 in einiger Aufregung. Wunderliche Gerüchte waren es, die damals die Residenz August’s des Zweiten durchschwirrten wie scheue Vögel, welche sich von Niemandem festhalten lassen wollten. Vor länger als einem Vierteljahr nämlich hatte man bei Nacht und Nebel auf Befehl des höchsten Herrn einen Fremden vom Königstein herübergebracht, wo man ihn lange gefangen gehalten, um ihm nun auf der Jungfernbastei, der jetzigen Brühl’schen Terrasse, ein neues Haus einzuräumen. Es war dies freilich auch nicht mehr als ein Gefängniß, denn der Zutritt zur Bastei war nur Wenigen gestattet und den Fremden selbst sah man nie anders als im verschlossenen Wagen auf den regelmäßigen Spazierfahrten, die er unternahm. Alt und Jung erzählte sich, daß der Geheimnißvolle ein berühmter Goldmacher sei, den der König dem Preußenherrscher abwendig gemacht und der nun nicht eher frei gelassen werden solle, als bis er die Ziegel auf den Dächern und die Steine auf den Straßen Dresdens in pures Gold verwandelt. Brauchte doch der Landesherr Geld, viel Geld – zu neuen Bauten und manch’ andern Dingen, und seine Unterthanen brauchten es nicht minder. Man fand es deshalb sehr begreiflich, daß der Wundermann gehütet und bewahrt wurde, wie man einen Augapfel hütet, und daß der König ihn im Anfange seines Aufenthalts in Dresden mit allem Comfort umgab, den ein armes Erdenkind sich nur zu wünschen vermag. Wunderdinge flüsterte man sich in’s Ohr von der Einrichtung jener Gemächer, die der Fremde bewohne. Ein königlicher Wagen kam täglich, um ihn abzuholen, damit er frische Luft schöpfe und auf irgend einem abgelegenen Gebiete, wo ihn Niemand sah, sich eine Weile ergehe, um seine kostbare Gesundheit zu erhalten. Ein Koch aus dem Schlosse besorgte seine einsame Tafel, und so mangelte dem königlichen Gaste eben nichts, als eine Kleinigkeit – die Freiheit.

Gearbeitet wurde Tag und Nacht in geheimnißvoller Weise, die Schmelzöfen glühten und schwarze Gestalten liefen emsig hin und her. Die Arbeiter standen zunächst unter der Aufsicht des Hoftöpfers Fischer und seines geschickten Gehülfen Peter Engelbrecht, der in den Fayencefabriken Hollands und Belgiens viel gearbeitet, und Allen war der Schwur abgenommen, nichts von den Geheimnissen zu verrathen, in die sie durch den Fremden eingeweiht wurden. Jeder hatte auch den besten Willen, solchen Schwur zu halten, und wenn der Herr Hoftöpfer ihn brach, so war nicht er daran schuld, sondern seine hübsche Frau. Sie wandte die bekannten verführerischen Künste jeder Evatochter ihrem Eheherrn gegenüber so lange an, kos’te, schmeichelte, lächelte und schmollte, bis er ihr zunächst unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit die Mittheilung machte, daß der Schützling des Landesherrn Niemand anders sei, als der ehemalige Apothekerlehrling Friedrich Böttcher aus Schleiz, der aus der Albrechtsburg bei Meißen mit Walter von Tschirnhaus lange Zeit ein geheimes Wesen getrieben und eine Art Hexenküche daselbst eingerichtet haben sollte. Nachher war er nach Berlin gegangen und von dort plötzlich aufgehoben und unter starker Escorte nach dem Königstein gebracht worden.

Was der Herr Hoftöpfer sonst noch verrieth, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben, gewiß ist nur, daß ganz Dresden wenige Stunden nach dieser Unterredung wußte, daß es sich leider nicht mehr um Goldstaub handele, wenn man auf der Jungfernbastei kochte und braute, Erde durch feinen Kattun beutelte, auf Marmorplatten zerrieb und zum Schluß noch mahlte. Es handelte sich vielmehr nur um eine Art neuen Töpfergeschirrs, ein Gedanke, den der Herr Hoftöpfer mitleidig belächelte. Jetzt begriff man, warum der hohe Landesherr plötzlich seine Besuche auf der Jungfernbastei eingestellt hatte. Was lag an dergleichen Dingen? Zerbrechliche Waare konnte man im Ueberfluß erlangen, seit der Erfinder des Brennspiegels, Tschirnhaus, das Milchglas erfunden und bereits drei Glashütten in Sachsen errichtet hatte. Man erfuhr auch, daß derselbe oft von Kieslingswalde herüber kam und ein paar Tage in dem einsamen Hause auf der Jungfernbastei verblieb und mit arbeiten half. Zwar hielt noch eine Anzahl [250] gläubiger Seelen an der Ueberzeugung fest, daß Friedrich Böttcher ein Pulver besitze, von welchem ein geringer Theil einhundertundachtzig Theile Silber in feinstes Gold zu verwandeln vermöge, aber der hohe Landesherr selber schien leider nicht zu jenen Gläubigen zu gehören.

Allmählich trat in Folge dieses erlöschenden Interesses nun eine weniger strenge Bewachung der Person, aber eine desto peinlichere Ueberwachung der Ausgaben ein, welche diese erneuten Versuche erforderten. Der Hofwagen erschien nicht mehr so pünktlich wie sonst am Fuße der Bastei, und Niemand hätte wohl den Fremden verhindert, auch einmal auf eigenen Füßen frische Luft zu schöpfen. Der Koch wurde nachlässig, und nur die Arbeiter verloren ihren Glauben nicht an den Wundermann und ermüdeten keinen Augenblick. Sie sahen zu ihm empor wie zu einem höhern Wesen, und doch fühlten sie ihn wiederum so ganz als einen ihres Gleichen, wenn er Nächte lang mitten unter ihnen stand, Hand anlegte und durch seine heitern Scherze jede Ermattung verscheuchte.

Friedrich Böttcher war damals ein Mann von kaum vierundzwanzig Jahren und den gewinnendsten Manieren. Wenn sein hübsches Gesicht mit den großen ernsten Augen und dem schalkhaft lächelnden Munde zuweilen hinter den Wagenvorhängen auftauchte, sobald zufällig eine besonders anmuthige Frauengestalt daher trippelte, so geschah es sicher, daß solch zierliches Köpfchen sich nach ihm umwendete. Die Frauen redeten überhaupt viel mehr von jenem Hause auf der Jungfernbastei und seinem Insassen als die Männer, und wenn Friedrich Böttcher statt der Arbeiter hätte Arbeiterinnen gebrauchen können, er würde sich nicht zu retten gewußt haben vor all’ den kleinen Händen, die sich nach ihm ausgestreckt. Ob Friedrich Böttcher etwas von diesem geheimen Interesse der Frauenwelt ahnte – wer konnte es sagen? – in keinem Falle beunruhigte oder zerstreute es ihn. Sein Herz war frei wie der Vogel in der Luft, und er äußerte oft scherzend, daß ihm ein fester Schmelztiegel anbetungswürdiger erscheine als die schönste Frau. Ohne alle Liebesträume saß er in seiner einsamen Zelle, und wenn seine Stirn umwölkt erschien seit einiger Zeit und seine schönen Augen noch ernster blickten als sonst, sein Gesicht bleich und bleicher wurde, so war es nichts weniger als Liebeskummer, was ihn bedrückte, sondern einzig und allein der Gram über die Wandelbarkeit der königlichen Gunst und die Sorge um seine Zukunft, oder vielmehr um die Zukunft seiner Erfindung. Was lag an seinem Leben – das heißersehnte Ziel seines Strebens wurde in graue Ferne gerückt, und das war tausend Mal bitterer als der Tod! Man hatte ihm bereits zu verstehen gegeben, daß der hohe Herr ferner nicht mehr gesonnen sei, solch’ bedeutende Summen zu verausgaben zu ungewissen und nutzlosen Versuchen, und daß man sich zum Besten des Landes gezwungen sähe, der großen Kosten halber wenigstens vor der Hand einige Schmelzöfen eingehen zu lassen. –

In einem mit verschwenderischer Pracht ausgestatteten Gemach wanderte an einem Decemberabend die schönste Frau Dresdens, ja vielleicht die schönste Frau ihrer Zeit in unruhiger Erwartung auf und nieder. Es war die Tochter des dänischen Obersten von Brockdorf, die Gemahlin des sächsischen Cabinetministers v. Hoymb, nachherige Reichsgräfin Cosel, – dieser neue Stern am Himmel des Hofes und des königlichen Herzens, die strahlendste unter allen Nachfolgerinnen der reizenden Königsmark. Augenblicklich war sie kaum einige Wochen in Dresden, soeben von den Gütern ihres Gemahls, wo sie bis jetzt, gehütet von seiner eifersüchtigen Liebe, gelebt, in der Residenz erschienen. Die fromme, sanfte Kurfürstin-Königin hatte die Fremde freundlich empfangen, ahnungslos, welch’ Leid sie über ihr Herz bringen sollte, und die hohe Aristokratie, staunte die junge siegende Schönheit mit einer Mischung von Neid und Bewunderung an. Das war kein schüchternes Veilchen, das im Verborgenen sich glücklich fühlte, das war eine üppige Rose, bestimmt, im hellen Sonnenlicht zu prangen. Und die Augen des Königs konnten sich nicht satt sehen an dem Glanz dieser bezaubernden Blumenkönigin.

Die Berichte der Zeitgenossen der berühmten und berüchtigten Gräfin Cosel stimmen überein in dem Lobe ihrer Schönheit, ihrer Unterhaltungsgabe, ihres Geistes. Es dürfte interessant sein, die beiden einflußreichsten Frauen des sächsischen Hofes unter August von Polen zu vergleichen: Aurora von Königsmark und Anna von Hoymb. Die reizende Schwedin bezauberte mehr durch die Grazie holdester Weiblichkeit, durch den Ausdruck der reinsten Güte, Sanftmuth und Bescheidenheit, durch ihre vollendete Anmuth und eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Bildung. Dagegen war die Schönheit der Cosel mehr von feurigem und frappirendem Charakter und von größerem sinnlichen Reiz der Erscheinung; sie hatte einen ausgesprochenen Hang zur Ueppigkeit, funkelnden, brillanten Geist, pikante Unterhaltungsgabe und kostspielige Capricen.

Die schöne Frau von Hoymb war heute den ganzen Tag sehr übler Laune gewesen. Zum ersten Male hatte sie einen leidenschaftlichen Wunsch geäußert, zum ersten Male war er ihr abgeschlagen worden. Gestern, bei dem kleinen Feste, das die Königin gegeben, hatte man von einem herrlichen Majolica-Service gespeist und einige Teller mit verzuckerten Früchten waren herumgereicht worden, deren reiche Gold- und Farben Verzierung, sowie die reizenden Amorettenköpfchen aus Wolken hervorschauend, sofort die Aufmerksamkeit der jungen Frau erregt hatten. Man sagte ihr auf ihre Frage, daß diese kostbaren Teller von Raffael’s eigener Hand gemalt und in der Königin Besitz gelangt seien als ein Geschenk des Papstes. Ein ähnliches kostbares Service ihr Eigenthum zu nennen, erschien plötzlich der schönen Staatsminister’n als der Inbegriff aller irdischen Glückseligkeit. Etwas zu besitzen, um das man sie beneiden mußte – welch’ ein entzückender Gedanke! Nicht nur Raffael, nein, alle berühmten Maler der Erde hätte sie von den Todten auferstehen lassen mögen, um ein Service für sich allein mit Farben und Gold schmücken zu lassen. Unerträglich lautete es, aus dem Munde der Königin selbst die Worte zu hören, daß eben diese Geräthe das kostbarste Besitzthum, dessen eine Frau sich zu rühmen vermöchte.

Anna von Hoymb mußte also so schnell wie möglich ein Majolica-Service von allen erdenklichen Formen und Arten haben, und sie gab das mit dem ganzen Ungestüm ihres Wesens ihrem Gemahl zu verstehen.

„Mein liebes Kind,“ lautete seine ruhige Antwort, denn diese bekannte Form der Anrede gebrauchten die Ehemänner aller Zeiten, wenn sie ihren Frauen etwas abschlagen wollten, „das ist eine Unmöglichkeit! Du müßtest zuerst die Todten lebendig und mich zum Crösus machen, der solche kostbare Dinge bezahlen könnte. Das Eine gelänge Dir so wenig wie das Andere. Wäre der Goldmacher auf der Jungfernbastei geschickter, so könnte der Dir helfen. Aber den möchte der König gern los sein, er kostet uns zu viel und hält keine einzige seiner Versprechungen. Der König mag nicht an ihn erinnert werden. Noch heute ist ein Schreiben eingelaufen von dem angeblichen Zauberer, voll neuer Bitten und Verheißungen; ich habe nicht den Muth es dem hohen Herrn einzuhändigen.“

Wie sie da aufhorchte und weiter fragte, die zauberische Frau, und wie sie schmeichelnd so lange forschte, bis der mächtige Minister, vor dessen Stirnrunzeln so Mancher zitterte, so schwach war wie ein Kind und so nachgiebig wie ein Blumenblatt, mit dem der Zephyr spielt! Wie die weißen Hände so sanft über die eheherrlichen Wangen glitten, wie die siegenden Augen so unwiderstehlich dicht vor ihm aufleuchteten, wie der zauberische Mund so verführerisch lächelte und bat! Und da plauderte er denn aus, was er nicht ausplaudern durfte, genau wie der Herr Hoftöpfer, und gab auch den Brief Friedrich Böttcher’s an den König her. Wie sie aufmerksam las, und wie die üble Laune dahinschmolz, gleich Märzschnee vor dem Sonnenlicht, und wie sie ihm versprach. stumm zu sein wie das Grab, und doch, sobald sie sich allein sah, einen Boten an die Frau Hoftöpferin Fischer sandte mit dem Auftrag, daß dieselbe sich unverzüglich zu ihr begebe! Auf diesen Besuch nun wartete Anna von Hoymb, als sie so ruhelos einherschritt in ihrem Gemach, daß die Schleppe des grünen Seidenkleides mit den bunten Blumen, welches sie trug, hinter ihr drein rauschte wie empörte Wellen.

Die Gedanken jagten sich in dem gepuderten Köpfchen, allerlei Tassen und Vasen, Schalen und Teller, dick mit Goldstaub bestreut, wirbelten und tanzten durcheinander und zerbrachen doch nicht! – Auf welche Weise der Wundermann in der Jungfernbastei ihr helfen sollte, war ihr zur Stelle zwar noch nicht recht klar, aber sprechen mußte sie ihn um jeden Preis, und da er selber das Haus nicht verlassen durfte, so wollte sie zu ihm gehen, und die hübsche kleine Fischerin hatte sie zu ihrer Begleiterin ausersehen.

[251] Es währte auch nicht lange, so erschien der Bote mit der Meldung, daß er die Gewünschte mitgebracht. Ein triumphierendes Lächeln glitt wie ein Sonnenstrahl über das schönste Gesicht Dresdens, die weiße Hand winkte, und eine allerliebste Person in der zierlichen Tracht der wohlhabenden Bürgerfrauen mit klugen, braunen Augen und einem Schelmengesichtchen erschien auf der Schwelle. Wenige Minuten später saßen die beiden Frauen einander allein gegenüber. Die Thüren waren verschlossen und die schweren Umhänge fest zugezogen. Ohne weitere Einleitung, denn eine Diplomatin war Anna von Hoymb nie, fragte die Frau Staatsministerin die Frau Hoftöpferin in herablassendster Weise nach dem geheimnißvollen Treiben des Fremden auf der Jungfernbastei, indem sie zugleich eine feine Goldkette um den vollen Hals der hübschen Vertrauten befestigte und ihr das Häubchen mit einer goldenen Nadel etwas fester zu stecken versuchte. Wer hätte da widerstehen können, besonders wenn man vor einem großen Spiegel saß und im Schmuck der Goldkette und Nadel denken mußte: „Man schaut doch gleich ganz anders drein.“ Freilich tauschte man zunächst gegenseitig die feierlichsten Gelübde aus, das gefährliche Geheimniß im tiefsten Herzensschrein zu bewahren, aber man redete doch schließlich und erzählte so viel man wußte, ja sogar im Grunde mehr' als man wußte. Ein Wörtchen gab das andere, und als die hübsche Töpfersfrau, nachdem sie sich nochmals überzeugt, daß die Thüren wirklich fest verschlossen und kein Lauscher in der “Nähe, endlich gestand, daß sie wohl zuweilen ihren Mann dort aufgesucht und bei der Gelegenheit den Friedrich Böttcher ganz in der Nähe gesehen, der, mit Ausnahme des Hoftöpfers natürlich, der hübscheste Mann unter der Sonne, – da erhob sich Frau von Hoymb endlich mit den Worten: „Wir wollen zur Stelle hin zu ihm! Ihr verschafft mir einen Alltagsanzug von Euch, und so kann man uns den Eintritt nicht verwehren, wenn wir – unsere Männer sprechen wollen! Besinnt Euch nicht lange – ich nehme Alles auf mich – ich gehe mit in Eure Wohnung!“

Wann hätte je eine Frau sich von der Gefahr eines romantischen Abenteuers zurückschrecken lassen?– Die kleine Hoftöpferin beschwor zwar ihre neue Gönnerin hoch und theuer, ihren gefährlichen Plan aufzugeben, aber als die weißen Händchen der Staatsministerin noch ein Herz, aus Rubin geschnitten, an die Goldkette reihten und ihre zierlichen Finger eine zweite Goldnadel in die Haube schoben, da gab sie doch nach und versprach Alles, denn:

„Am Golde hängt, nach Golde drängt
Doch Alles – – ach wir Armen!“ –

Das Arbeitszimmer Friedrich Böttcher’s in dem vielbesprochenen Hause auf der Jungfernbastei war gar nicht so zaubervoll eingerichtet, wie man sich’s erzählte. Es sah bei ihm fast aus, wie bei dem weiland Doctor Faust, schwarzkünstlerischen Angedenkens; allerlei seltsame Geräthe und Formen standen umher, auch Büchsen, Tiegel und Flaschen verschiedener Größe, und an den Wänden gewaltige Schränke voll dicker Bücher, und auf dem Tische lagen bestaubte Scripturen, Pergamentrollen, Zeichnungen und Meßinstrumente aller Art. Wie er so vertieft da saß in seinem Sessel, dessen geschnitzte Lehne hoch über seinem Haupte hinausragte, da erschien sein sonst so jugendliches Gesicht um viele Jahre gealtert und ein Zug tiefster Schwermuth lagerte sich um den Mund, der sonst so anmuthig zu scherzen verstand. War ihm doch das Herz so schwer in dem Gedanken an die nächste Zukunft! Sein Brief war ohne Antwort geblieben – er konnte nicht länger zweifeln: der König hatte sein Interesse an seiner Erfindung und – sein Vertrauen zu ihm verloren. Daß der hohe Herr selber nicht mehr erschien, hätte Böttcher nun schon überwunden, aber daß er nicht einmal mehr einen Abgesandten schickte, der nach den Resultaten seiner Forschung fragte, kränkte ihn gar zu sehr, noch mehr aber, daß man plötzlich anfing, Rechnungsberichte über alle Ausgaben von ihm zu verlangen, und diese Ausgaben in der kleinlichsten Weise zu beschränken suchte. Man gab ihm deutlich zu verstehen, daß man das Geld, das man ihm bis zur Stunde bewilligt, als ein verlorenes Capital betrachte, und hoffte, daß er seine theuren Gehülfen Fischer und Engelbrecht, die man Beide mit einem Ducaten täglich besoldete für das Drehen der Gefäße, demnächst zu einlassen habe. – Wenn man seiner Uebersiedlung nach Berlin jetzt noch etwas in den Weg legte, so geschah es nur, weil man noch einigen Ersatz für alle Ausgaben in der von ihm mit Glück unternommenen Verbesserung des Milchglases zu finden hoffte.

Und trotz der heimlichen glänzenden Versprechungen des preußischen Hofes, welche man Friedrich Böttcher in die Hände zu spielen gewußt hatte, dachte der junge Mann doch keinen Augenblick daran, seine sächsische Gefangenschaft gegen eine Freiheit in einem andern Lande zu vertauschen. Hing er doch mit allen Fasern seines Herzens im wahren Sinne des Wortes an jener Erde, die ihn trug und die ihn: allein das Material zu liefern vermochte, welches er brauchte, um eine Erfindung zu vollenden, die der einzige Traum seiner Seele war bei Tag und bei Nacht. Er hätte keinen Augenblick geschwankt, wenn man ihm die Wahl gelassen, in seinem lieben Sachsenlande elend und kümmerlich zu leben oder in der Fremde zu schwelgen, – der Boden, auf dem er stand, war für ihn der einzig heimathliche, der geliebteste der ganzen Welt!

Und jetzt, so nahe der Verwirklichung seiner Gedanken, wie er fest glaubte, im Begriff, daß Ziel seines Forschens und Grübelns zu erreichen, sah er sich durch das erkaltete Interesse seines mächtigen Schützers in das Dunkel zurückgedrängt! Welch’ ein Unterschied, wie man ihn jetzt zu behandeln anfing, und jener fast zärtlichen Bewachung seines Selbst auf dem Königstein, wohin man ihn gebracht, als Karl der Zwölfte mit seinen Schweden in Sachsen einfiel! In der Georgenburg hatte man ihm damals ein Laboratorium eingerichtet, seine Zimmer waren unter strengster Aufsicht, seine Thüren sogar mit einem Vorlegeschloß versehen gewesen; er verlor jedoch seine Heiterkeit und Zuversicht keinen Augenblick, machte sogar scherzhafte Verse und war der Abgott seiner Mitgefangenen: Ritter, Romanus und Beichling.

Ein Jahr und drei Wochen hatte er dort gearbeitet und Riesenfortschritte glaubte er gemacht zu haben, als man ihn nach Dresden brachte. Und nun sollte Alles vergebens gewesen sein? - Lähmende Melancholie breitete sich wie ein wachsender Nebel über seine Seele, das Blau der Siegesgewißheit schwand, eine plötzliche unüberwindliche Lebensmüdigkeit, jene weitverbreitete Krankheit hochfliegender Geister und feuriger Herzen, befiel ihn. Wozu all’ dies Streben und Ringen, wozu diese Sorgen und dies fieberhafte Arbeiten Tag und Nacht? Man band ihm ja doch die Hände fester und fester, – man jagte ihn doch schließlich fort mit Schimpf und Schande, wie Einen, der nicht gehalten, was er gelobt, – warum solch’ Ende abwarten? War es nicht besser, sich unter das Leichentuch zu flüchten, dessen mitleidige Falten schon so manches Leid verhüllt? – Die Elbe rauschte so lockend aus der Ferne, er sah ihre Wellen spielen und glitzern von seinem Fenster aus, – sie riefen ihn – warum zögerte er noch? Ein Sprung in die Tiefe, ein kurzer Kampf und der heiße Kopf ward kühl, und die Welt ging ihren Gang weiter ohne jene anmuthigen Gebilde, welche Friedrich Böttcher in seinen Träumen sah.

In diesem Brüten unterbrach ihn ein Diener, der ihm mit geheimnißvoll lächelnder Miene zwei Arbeiterfrauen meldete, die ihn zu sprechen verlangten. Es geschah nicht selten, daß ihn die Mütter, Bräute, Schwestern und Frauen seiner Arbeiter aufsuchten, trotz allen Verbotes, um irgend ein Anliegen in Bezug auf ihre Angehörigen dem Wundermanne selber vorzutragen; er befahl also auch diesmal, daß man die Bittstellerinnen eintreten lasse. Aber es war nur Eine, die jetzt auf ihn zu kam, die Andere zog sich, nach einem zierlichen Knix, mit dem Diener in das Vorzimmer zurück. Friedrich Böttcher erkannte aber doch, als er ihr mit seinen Blicken folgte, die kleine Hoftöpferin, mit der er oft ein neckisches Wort gewechselt, wenn sie, unter dem Vorwand, ihren Mann zu suchen, an ihm vorüber zu huschen versuchte. Er wunderte sich über das Zurückziehen der Kleinen, die doch sonst nicht scheu, und warf nun einen prüfenden Blick auf ihre verhüllte Gefährtin. Sie schlug rasch den Mantel zurück und Friedrich Böttcher sah sich plötzlich einer wunderschönen Frau gegenüber, die er im ersten Augenblick ganz fassungslos anstarrte. Wer war sie, die ihm lächelnd den fragenden Blick zurückgab, wem gehören diese Augen, dieser Mund, diese herrliche Gestalt; doch nun und nimmermehr einer gewöhnlichen Arbeiterin? Unwillkürlich verneigte er sich tief, schob einen Sessel heran und fragte: „Was steht zu Eurem Befehl holdeste Frau?“

„Ich wollte fragen, ob Ihr eine Arbeit annehmen und ausführen wolltet für mich.“

[252] „Was für eine Arbeit – für meine Hände oder – für mein Herz?“

„Vielleicht für Beide und für den Kopf dazu! – Ich habe mich ein wenig vermummen müssen um in Eure Höllenküche schlüpfen zu können; ich bin nicht so arm, wie ich scheine, – ich kann Eure Kochkünste bezahlen!“

„Aber nur mit einem Preise, den ich selber stellen würde!“

„Vielleicht! – Aber laßt uns die Zeit nicht verlieren durch nutzloses Plaudern! Ich habe einen brennenden Wunsch. Mein Mann will mir kein Majolica-Service kaufen, wie es die Königin besitzt. Ich ertrage es aber nicht immer, nur von den Tellern des Raffael reden zu hören und eine Andere zu beneiden um ihr Besitzthum; ich selber will beneidet sein! – Man sagt, Ihr könntet zaubern! Ihr selber versprecht in einem Briefe an den König, den ich gestern in den Händen hielt, Wunderdinge, – ich glaube an Euch. Zaubert mir irgend etwas Niegesehenes, ein prächtiges Gefäß, ein Theegeräth – ich will es Euch lohnen!“

„Wißt Ihr, daß für einen Andern als meinen hohen Herrn arbeiten mein Leben verwirken heißt? Und doch, schönste Frau, Ihr glaubt an mich, ich arbeite für Euch und – sterbe!“

Anna von Hoymb blickte in das erregte Gesicht des jungen Mannes. Es erschien ihr so wunderbar anziehend wie nie ein Männerantlitz vorher. Seine Augen strahlten sie an, als ob er mehr als ein Leben hinwerfen würde, um ihr zu dienen. Das Bewußtsein ihrer Schönheit kam zum ersten Male mit voller Gewalt über sie und erfüllte sie mit unsagbarer Freude. Zugleich aber fluthete ein heißes Mitleid über ihr Herz. Ihr Wunsch erschien ihr plötzlich thöricht und frevelhaft. Verdiente seine Erfüllung das Opfer dieses Lebens?

„Vergeßt, was ich bat,“ sagte sie nach einer Pause leise mit gesenkten Augen, „ich will nicht, daß Ihr nur die kleinste Gefahr lauft um meinetwillen. Ich will es nicht, hört Ihr!“ setzte sie fast gebietend hinzu und die blauen Sterne blitzten ihn wieder an. „Wenn es kein Mittel giebt, daß der König Euch erlaubt, für mich zu arbeiten, so vergeßt, um was ich gebeten, wie ich es vergessen werde.“

Wie wunderbar verführerisch sie aussah in jenem Augenblick! Aus den dunkeln Falten des zurückgeschlagenen kleinen Mantels erhob sich der wunderschöne Kopf auf dem schlanken Halse wie eine Blume. Ein Hauch holder Weiblichkeit milderte den sonst so stolzen Ausdruck, – es zuckte etwas wie Angst um den Mund.

Ein Hoffnungsstrahl, blendend und erwärmend wie das Sonnenlicht, blitzte plötzlich durch das Herz des jungen Mannes.

„Holde Frau – wißt Ihr, daß in Euern Händen meine Rettung liegt? Wie eine mächtige Zauberin erscheint Ihr mir, ein Wort von Euch, und ich bin erlöst.“

„Ich verstehe Euch nicht.“

„Bittet selber mit diesen Euren Augen und Lippen den König für mich um die Gunst, Eure Befehle ausführen zu dürfen.“

„Würde das helfen?“

„Es würde ein Wunder vollbringen, eine Erfindung retten, die auf dem Wege ist, verloren zu gehen!“

Seine Wangen glühten, er zitterte vor Erregung.

„Wie wäre das möglich?!“

„Wer Ihr auch sein mögt, schönste Frau, es muß Euch gelingen, den König zu bewegen, bei dem nächsten Gusse zugegen zu sein. Ihr habt jenen Brief gelesen, sagt Ihr, den ich ihm geschrieben. Man hat dem hohen Herrn also diesen Brief nicht abgeliefert, so müßt Ihr ihm den Brief jetzt selber in die Hand geben! O, wahrlich, Ihr sollt nimmer bereuen, gütigste Frau, an mich geglaubt zu haben! Ich fühle meine Flügel wachsen, Muth und Lebenslust kehren zurück. Bewegt den König, daß auch er mir wieder vertraut, und Ihr sollt fortan nicht mehr Königinnen, sondern Königinnen sollen Euch beneiden um die Arbeit dieser meiner Hände.“

Staunend blickte Anna von Hoymb auf den Bewegten, und hätte sie vorher nicht an ihn geglaubt, von diesem Augenblicke würde sie felsenfest an seine Wunderkraft geglaubt haben; die stolze Zuversicht seines Wesens, die Siegesgewißheit, die aus seinen Augen flammte, wirkte hinreißend. Sie vergaß gänzlich, warum sie hergekommen, ihr eitler Wunsch war verflogen, ein höheres Verlangen erfüllte sie, diese ringende Seele zu retten.

„Beruhigt Euch,“ sagte sie leise, aber mit fester Stimme, „ich werde mit dem Könige reden, ich selbst, Anna von Hoymb, die Frau des Staatsministers, und Eure Erfindung soll nicht verloren gehen. Gute Nacht!“

Sie streifte flüchtig mit ihren weißen Fingern seine Hand und schied. Die kleine Fischerin tauchte auf, – Blicke flogen noch herüber und hinüber, und Friedrich Böttcher fand sich, wie aus einem Traume erwachend, in der Dämmerung seines matt erleuchteten Arbeitszimmers wieder. –

Wenige Tage nach diesem Besuch der Staatsministerin auf der Jungfernbastei wußte man wiederum in ganz Dresden, daß die Brennöfen dort vergrößert wurden und daß in dem größten das Glühfeuer fünf Tage und fünf Nächte nicht erloschen war, während welcher Zeit Böttcher nicht vom Platze gewichen.

Gefäße aller Art wurden gedreht und geheimnißvolle Proben gemacht, Boten flogen hin und her zwischen dem Schlosse und der Jungfernbastei. Und ein Tag kam endlich heran, wo die Arbeiterschaar einem aufgestörten Ameisenhaufen glich. Der König selber wollte erscheinen mit einem großen Gefolge, und man machte die glänzendsten Zurüstungen zu seinem Empfang. Und als der vornehme Zug wirklich eintraf und der hohe Herr an der Seite der schönsten Frau seinen feierlichen Einzug hielt und seinen vernachlässigten Schützling mit der größten Huld begrüßte und von ihm die Erlaubniß sich erbat, dem entscheidenden Versuch wirklich in Person beizuwohnen – da begegneten sich die Augen des jungen Gefangenen und die strahlenden Augen Anna’s von Hoymb in einem flüchtigen Blick, aber eine ganze Geschichte von glühender Dankbarkeit und stolzem Triumph lag darin verborgen. – Prächtig erschien sie, als sie aus den verhüllenden Pelzen wie der Mond aus den Wolken hervor trat, die herrliche Gestalt in dem reichgestickten Kleide, das sie so zierlich zu schürzen wußte, daß man die Kinderfüße in den Hackenschuhen sah. Mit dem Anstand einer Fürstin reichte sie dem Könige die Fingerspitzen, als er sie über die Teppiche führte, die man ausgebreitet bis zu jener thronartigen Estrade, welche man für die hohen Gäste errichtet.

Es war ein wunderbar reiches Bild, das sich in dem hohen gewölbten Raume bei phantastischer Beleuchtung entwickelte, – hätte es doch der Pinsel eines Malers festhalten können! Wie ein lebendig gewordenes Märchen, das unter den Cyclopen spielte, stellte sich das Ganze dar, und wie ein Magier stand Friedrich Böttcher da und gebot der schwarzen Schaar. Sein Gesicht war freilich todtenblaß in der Aufregung dieses bedeutungsvollen Moments, aber auf seiner Stirn stand eine felsenfeste Zuversicht und ans seinen Augen blitzte helle Siegesfreude.

Und als er nun eine Kapsel aus dem Schmelzofen nehmen und in das Wasser werfen ließ, ohne daß jene zierliche Theekanne zerbrach, welche seine Hand herausnahm, da entstand ein Jubel ohne Gleichen. Er überreichte das kleine Gefäß mit einer Kniebeugung, welche jedem Hofmann Ehre gemacht haben würde, der schönsten Frau als die erste gelungene Probe. Ohne Risse und Sprünge, tadellos war die Masse geblieben – es war kein Zweifel: das Problem war gelöst – die richtige Mischung der feuerfesten Masse der deutschen Majolica gefunden.

Das vielbewunderte braunrothe Thee- und Tafelserviee der nachherigen Gräfin Cosel ist in der That das erste Meißner Porcellan in seiner Vollendung. Ein Theil desselben wurde nachher von Steinschneidern geschliffen und von Goldschmieden vergoldet, ein anderer Theil mit einer Glasur versehen, deren glänzende Farben den Gefäßen das Ansehen chinesischer Holzarbeiten gab. – Als es zum ersten Mal auf dem Schenktisch in dem Speisesaal der Gefeierten aufgestellt wurde und so fremdartig blitzte und funkelte, – da waren die Teller des Raffael und – manches Andere vergessen. –

Später hat Friedrich Böttcher auch seiner schönen Gönnerin das erste Weiße Tafelservice, mit Malerei und Gold versehen, geliefert. – Der König aber belohnte ihn für jene erste verhängnißvolle Arbeit mit der Ueberweisung der Albrechtsburg zu Meißen und dem Titel eines Directors der Königlichen Porcellanfabrik, die nun daselbst in’s Leben trat. – In Dresden erzählte man sich freilich, es sei diese Verbannung eine kleine Strafe für die Keckheit, mit der jener vielbewunderte Zauberer für sein Theeservice den Lohn eines Kusses von den schönsten Lippen gefordert. – Ob er ihn erhalten, steht nirgend geschrieben.

Einzelne Stücke von jenem braunen Theeservice sind noch heute in der bekannten Wundersammlung des japanischen Palais zu Dresden [253] zu sehen – und man sagt, daß jene kleine braune Theekanne, die damals Friedrich Böttcher der Gräfin Cosel überreicht, die schöne Frau, als man dieselbe nach einem neunjährigen Leben voll üppiger Herrlichkeit vom Hofe in die Veste Stolpen verbannte, begleitet habe. – Wer weiß, wie viele Thränen während einer langen, langen todeseinsamen Haft auf jenen einst so heiß ersehnten Gegenstand gefallen sind, – auf das erste Meißner Porcellan!




Gustav Doré.

In der französischen Malerschule der Gegenwart nimmt Gustav Doré einen bedeutenden Rang und eine ganz eigenthümliche Stellung ein.


Hausmusik in den Südalpen
Für die Gartenlaube gezeichnet von Gustav Doré.


Er hat keinen Meister gehabt; er gehört keiner Schule an; er geht seinen eigenen Weg. Der Bildungsgang dieses Künstlers ist merkwürdig genug. Er ist 1832 in Strasburg geboren, wo sein Vater als Staatsingenieur angestellt war. Kaum hatte er das zehnte Jahr erreicht, als sich sein plastischer Drang auf eine unwiderstehliche Weise kund gab. Er zeichnete in seine Schreibhefte, in seine Schulbücher, auf Briefcouverte, und kein weißes Blatt Papier war vor seinem Bleistift sicher. Der kleine Doré hatte nur einen einzigen Wunsch, und dieser Wunsch ließ ihn nicht ruhig schlafen. Er wollte nach Paris und sich dort der Malerkunst widmen. Sein Vater jedoch, dem das Wohl seines Lieblingssohnes sehr am Herzen lag und der für ihn in der Künstlerlaufbahn keine gesicherte Lebensexistenz sah, suchte ihn auf andere Gedanken zu bringen und wohl auch Zweifel an seiner Begabung zu erregen. Doré ließ sich jedoch nicht abschrecken, und als der Vater ihn während der Schulferien nach Paris zu führen beschlossen, steckte der Knabe ein dickes Paket Zeichnungen in seinen Koffer, begab sich, in der Weltstadt angelangt, ohne seinem Vater ein Wort zu sagen, zu Charles Philipon und legte diesem seine Productionen vor mit der Bitte, ihm seine Meinung unumwunden zu sagen. Charles Philipon war ein Mann von sehr lebhaftem Geist und von seltener Herzenswärme. Er war es, der die politische Caricatur in Frankreich eingebürgert. Er hatte im Anfange der Juliregierung das Witzblatt „La Caricature“ gegründet, welches ihn, im Lauf eines Jahres nicht weniger als vierundfünfzig politische Processe zuzog. Als dieses Blatt den September-Gesetzen unterlag, gründete er den Charivari und dann noch eine lange Reihe anderer Witzblätter, die zum Theil noch jetzt bestehen. Philipon besaß die seltene Gabe, junge Talente zu entdecken und ihnen eine glänzende Laufbahn zu eröffnen. Jehannot, Grauville, Gavarni, Henry Monnier, Numa, Achille Dévéria arbeiteten in seinen satirischen Zeitschriften. Er führte Daumier beim Publicum ein und gab mit ihm die beißenden Satiren „Robert Macaire“ heraus. Daumier zeichnete die Bilder und Philipen setzte die Epigramme darunter, die ihrer Zeit so viel Aufsehen erregten und heutiges Tages durchaus nicht veraltet sind. Er entdeckte auch das fruchtbare Talent Cham’s (Amédée de Noé), der noch gegenwärtig durch seine geistvollen Zeichnungen dem Charivari ein besonderes Interesse verleiht. Auch der verwegene Wolkensegler Radar, der nicht nur ein sehr begabter Schriftsteller, sondern auch ein vortrefflicher Caricaturzeichner ist, schloß sich Philipon an, welchen seine Mitarbeiter wie einen Vater liebten; denn er war wohlwollend und uneigennützig und scheute keine Opfer, keine Gefahr, wenn es seine Ueberzeugung galt.

Sein Ruf war bis zu dem kleinen Doré gedrungen. Philipon, dem das offene, freie Wesen Doré’s gefiel, betrachtete dessen zahlreiche Hervorbringungen mit großer Aufmerksamkeit, fand an denselben natürlich alle Fehler eines ohne alle Leitung darauf los schaffenden Knaben, bewunderte aber zugleich dessen überaus [254] reiche Einbildungskraft und selbst bei reiferen Künstlern seltene Schärfe der Beobachtung. Er sparte zwar seinen Tadel nicht, das Lob war aber doch in seinem Urtheil überwiegend. Mit triumphirender Miene kehrte also Doré zu seinem Vater zurück und setzte ihn von seiner Unterhaltung mit Philipon in Kenntniß. Der Vater stutzte und begab sich sogleich mit seinem Sohne zu Philipon. Dieser wiederholte sein Urtheil über den kleinen Künstler und schloß mit den Worten: „Ihr Sohn ist für die Kunst geboren, und wenn Sie in ihm den Künstler unterdrücken, wird er auf jeder anderen Laufbahn nur stümpern und nichts Rechtschaffenes zu Wege bringen. Das Sprüchwort: Die Kunst geht nach Brod, ist nicht immer ein wahres Wort. Es giebt Künstler, die mit ihrem Ruhm auch viel Geld erwerben, und ich müßte mich sehr irren, oder Ihr Gustav wird einst zu diesen glücklichen Künstlern gehören. Schon jetzt ist er im Stande, sich durch sein Talent zu ernähren, und wenn er für mein Blatt arbeiten wollte, würde es mir sehr angenehm sein.“

Diese Worte bestimmten den Vater Doré’s, dem Wunsche seines Sohnes nachzugeben, unter der Bedingung jedoch, daß dieser noch zwei Jahre in einer Pariser Schule zubringe. Doré wurde nun in’s Collège Charlemagne gethan, wo er keineswegs zu den schlechtesten Schülern gehörte, obgleich er verstohlen sehr viel zeichnete. Als fünfzehnjähriger Knabe verließ er die Schulbank und trat als selbständiger Künstler auf, dessen Arbeiten sehr gefielen. Als die Februarrevolution ausbrach, zeichnete er unzählige Caricaturen für komische Journale und überraschte das Publicum durch die große Menge sowohl, wie durch die Ursprünglichkeit seiner Werke. Diese Ueberraschung sollte immer größer werden. Doré fing jetzt auch an, verschiedene Werke mit einer an’s Fabelhafte grenzenden Geschwindigkeit zu illustriren. Der ewige Jude von Eugène Sue, die Contes drôlatiques von Balzac, Atala, Rabelais eröffneten den Reigen; dann folgten Dante, Perrault, Don Quixote, die Bibel, Milton, Tenyson und Lafontaine so schnell auf einander, daß das Publicum nicht zu Athem kam.

Doré, der kaum das fünfunddreißigste Jahr zurückgelegt, hat bereits über vierzigtausend Illustrationen gezeichnet. Eine solche Arbeitskraft allein ist schon geeignet, die Bewunderung zu erregen. Der productivste Schriftsteller kann kaum schneller dictiren, als Doré seine Zeichnungen hinwirft. Freilich sind diese nicht lauter Meisterwerke, und Doré selbst ist der Erste einzugestehen, daß unter dieser ungeheueren Masse gar sehr viel Mittelmäßiges sich findet. Die meisten dieser Zeichnungen sind eben Improvisationen, Vieles indessen ist doch sehr bedeutend und bekundet eine wahrhaft erstaunliche Einbildungskraft und Erfindungsgabe, eine tief poetische Auffassung und einen seltenen Humor.

Doré ist jedoch nicht blos Zeichner; er ist auch Maler und als solcher nicht minder fruchtbar. Seit 1853, wo er sein erstes Gemälde „Die zwei Mütter“ ausgestellt, hat er eine lange Reihe Bilder gemalt, welche die verschiedensten Vorwürfe behandeln. Die französische Kritik hat sich nicht günstig über diese Bilder ausgesprochen; sie hat an denselben weniger die Kunst als die Geschwindigkeit bewundert; ja von vielen Seiten wurde ihm sogar gerathen, die Malerei, zu der er keinen Beruf habe, aufzugeben und sich ausschließlich auf das Illustriren zu beschränken. Diese Kritik ist indeß sehr ungerecht, und Doré thut sehr wohl daran, ihr kein Gehör zu schenken. Er hat nicht nur ein entschiedenes Talent zur Farbenplastik, viele seiner Landschaften sind sogar vortrefflich in der Farbe und von bedeutender Wirkung. Seine Figuren freilich sind nicht selten schlotterig gemalt und die Details nachlässig behandelt; das ist aber nicht der Unzulänglichkeit seiner Begabung, sondern der Hast zuzuschreiben, mit der er zu arbeiten gewöhnt ist. Er malt großentheils sehr umfangreiche Bilder, und ich glaube, daß er an dem umfangreichsten kaum länger als vier oder sechs Wochen malt. Die Kunst wird ihm so leicht, daß er es oft allzuleicht mit der Kunst nimmt. Das ist sein Fehler – und zwar ein sehr großer!

Wenn andere Maler zu wenig aus sich selbst schöpfen, zu sehr gewissen Richtungen folgen und in ausgetretenen Geleisen sich bewegen, so ist bei Doré das entschiedenste Gegentheil der Fall. Er, der, wie bereits gesagt, keinen Meister gehabt, ahmt auch keinen Meister nach. Er ist die ausgeprägteste Persönlichkeit. Das ist freilich ein großer Vorzug, es hat indessen auch seine bedenklichen Seiten. Die bedenklichste ist wohl, daß Doré nach keinem Modell arbeitet. Er hat nie nach einer Antike gezeichnet; er hat niemals ein Gemälde copirt. Er malt keinen Kopf, kein Gewand nach der Natur, und deshalb kommen bei seinen prächtigen Compositionen oft Verzeichnungen vor, die geradezu störend wirken.

Doré hat sich vor Kurzem ein Atelier in der Rue Bayard bauen lassen. Es ist wohl das größte in Paris, aber trotz seines Umfanges hat es doch kaum Raum genug für die vielen theils vollendeten, theils in Ausführung begriffenen Bilder. Dies Atelier wird täglich von Herren und Damen aus den verschiedensten Schichten der Gesellschaft besucht. Doré empfängt Jeden auf’s Freundlichste, plaudert, scherzt, hört und erzählt Tagesneuigkeiten und vergißt dabei nicht, seine kecken Pinselstriche auf die Leinwand zu werfen. Seine äußere Ankündigung ist sehr einnehmend. Er sieht aus wie ein Jüngling von vierundzwanzig Jahren, der mit klarem, heiterm Auge in die Welt schaut. Er ist von ungewöhnlicher Körperstärke, die er besonders dem vielen Turnen zu verdanken hat. Noch jetzt treibt er die Turnerei mit großem Eifer, und früher war er einer der verwegensten Kletterer. Als er sich vor mehreren Jahren in Rouen befand, fiel es ihm ein, die höchste Spitze der dortigen Kathedrale, und zwar an den Stäben des Blitzableiters, zu erklettern, zum großen Erstaunen der Volksmenge, welche diesem unerwarteten Schauspiele zusah. Unmittelbar nach dieser Luftreise wurde er jedoch von der Polizei in Beschlag genommen, die ihn anklagte, durch seine halsbrecherische Kühnheit die schönere Hälfte der Rouener Einwohnerschaft in argen Schrecken versetzt zu haben. Er war der Erste, der die Aiguille de Floria in Savoyen bestiegen, und er machte sogar unzählige Versuche, das Matterhorn zu besteigen. Diese Versuche mißlangen ihm aber und wahrscheinlich zu seinem Glücke. Er wurde dadurch vor dem entsetzlichen Schicksal bewahrt, von welchem vor zwei Jahren Lord Hubert Douglas und dessen drei Reisegefährten betroffen wurden. Wenn es ihm nun auch nicht gelungen, das Matterhorn zu besteigen, so ist es ihm doch gelungen, dasselbe mit großer Meisterschaft zu zeichnen. Diese Zeichnung wird in seinem Atelier von allen Kunstfreunden mit Recht bewundert.

Doré hat manche Reise unternommen. Er hat sich einige Zeit in Spanien aufgehalten, wo er die Sitten und Gebräuche dieses Landes studirte. Dort ist er sogar einen Monat lang mit einer Zigeunerbande herumgezogen und hat sich in ihre Lebensweise zu schicken gewußt. Diese Studien sind ihm später beim Illustriren des Don Ouixote sehr zu Statten gekommen. Auch seine Gemälde, welche spanische Vorwürfe behandeln, zeigen auf das Schlagendste, wie scharf er das spanische Volksleben beobachtet hat.

An geselligen Talenten können sich nur Wenige mit Doré messen. Er erzählt gut; er singt vortrefflich; er spielt die Violine, wenn auch nicht wie ein Künstler von Fach, doch mit großem Kunstverständnis;, und er ist ein sehr geschickter Taschenspieler, dem keine Tour mißlingt. Es giebt daher keinen Salon, in welchem er nicht mit offenen Armen empfangen würde, und als er vor einigen Jahren am Hofe in Compiègne war, ordnete er dort alle Festspiele an und war so zu sagen die Seele des Hoflebens. Er selbst vereinigt jeden Sonntag in seinem Salon einen Kreis ausgezeichneter Männer und Frauen, und in diesem Salon läßt sich gar mancher vortreffliche Künstler, gar manche vortreffliche Künstlerin hören. Doré liebt die Musik mit Leidenschaft, besonders die deutsche Musik, und Niemand hat eine größere Verehrung vor Beethoven als er. So oft man auch Doré’s Salon besucht, man ist immer sicher, dort ein Beethoven’sches Werk zu hören.

Wo nimmt aber Doré die Zeit her, den Auforderungen der Pariser Gesellschaft gerecht zu werden und dennoch mehr zu produciren als zwanzig der emsigsten und fruchtbarsten Künstler? Das ist eine Frage, die sich natürlich Jedem aufdrängt, die aber Niemand zu beantworten vermag. Doré ist eine in der That wunderbare Arbeitskraft. Seine Phantasie gehorcht blindlings seinem eisernen Willen, der überhaupt vor keiner Schwierigkeit zurückschreckt. Als der Wunsch in ihm auftauchte, die englische Sprache zu lernen, nahm er sich eine englische Grammatik und ein englisches Wörterbuch mit in’s Bett, und nach einigen Wochen las er geläufig die „Times“ und konnte sich jedem Engländer verständlich machen. In diesem Augenblicke bereitet er eine lange Reihe von Gemälden vor, in welchen er die drastischsten Scenen der Shakespeare’sehen Werke behandeln will. Vor der Ausführung dieser Bilder wird er indessen eine Reise durch Europa machen und sich in Deutschland einige Zeit aufhalten.

Gustav Doré ist nicht verheirathet. Er lebt bei seiner [255] Mutter, einer geistvollen, hochgebildeten Matrone, die ein warmes Kunstgefühl besitzt und sehr anregend auf das Talent ihres Sohnes wirkt. Wie jeder wahrhaft geniale Mensch ist Doré sehr einfachen, schlichten Wesens. Man kann sich keinen liebenswürdigeren Mann denken. Seiner Liebenswürdigkeit verdanke ich auch die von dem Künstler eigens für die Gartenlaube componirte und von ihm selbst auf die Holzplatte übertragene Zeichnung, welche diese Skizze begleitet. Sie wird von den zahlreichen Lesern des Blattes gewiß als ein Zeugniß von Doré’s Manier und eben deshalb als ein interessanter Beitrag begrüßt werden.

L. Kalisch.




Blätter und Blüthen.

Eine zweite schwedische Nachtigall. Neben Adeline Patti und Pauline Lucca gehört jedenfalls Christine Nilsson zu den ausgezeichnetsten Sängerinnen der Gegenwart und bildet auch mit ihren nordischen goldblonden Haaren, den tiefblauen Augen, den regelmäßigen Zügen und der hohen, schlanken Gestalt ein treffliches Pendant zu jenen beiden schwarzlockigen Schönheiten. Dazu ist ihre Lebensgeschichte interessant genug, um alle mögliche Theilnahme für sie zu wecken, denn nur ein bedeutendes Talent kann sich in solcher Weise emporarbeiten. Christine Nilsson ist die Tochter sehr armer Bauersleute in einem elenden kleinen Dörfchen der schwedischen Provinz Smaland; sie wuchs unter einer Anzahl zerlumpter kleiner Geschwister und einigen Ziegen, Schafen und Hühnern auf, welche cameradschaftlich das einzige Zimmer ihrer elterlichen Hütte theilten. Die Mutter spann und spann von früh bis Abends, der Vater arbeitete auch so viel als möglich, aber dennoch wollte es ihnen kaum gelingen, die vielen hungerigen Magen täglich zu sättigen.

Christine war kaum zehn Jahre alt, als sie schon die außerordentlichsten Anlagen zur Musik zeigte; sie lernte von dem Spielmann, der auf den Bauernhochzeiten musicirte, mit Leichtigkeit einige Stücke auf der Violine spielen und sang wie eine Lerche mit lieblicher Stimme und vielem Gehör jedes Liedchen nach, welches sie hörte, so daß man sich bei allen ländlichen Festen um die kleine Sängerin und Musikantin riß. Oft mußte sie im Winter mit ihrer Violine am Wege stehen, wenn man von Weitem Schellengeklingel vernahm und einen vorüberkommenden Reisenden vermuthete, um einige Schillinge zu verdienen und dadurch Brod in das Haus zu schaffen.

Ein reicher Gutsbesitzer nahm sich später des talentvollen Kindes an und gab sie in eine benachbarte Stadt, damit sie ordentlichen Unterricht genießen könne; von da aus brachte er sie dann nach Stockholm, wo er sie von einem berühmten Musiklehrer weiter ausbilden ließ, und schließlich sandte er sie nach Paris, um sie durch Professor Wartel für die theatralische Laufbahn vorbereiten zu lassen.

Nach dreijährigen Studien unter der Leitung Wartel’s fand Christine ein Engagement am Pariser Théâtre Lyrique, wo sie namentlich in Martha, der Zauberflöte und Don Juan die Herzen zu gewinnen wußte.

Seit Kurzem ist der Glücksstern der schwedischen Sängerin noch glänzender aufgegangen; sie ist an der großen Oper in Paris engagirt und macht daselbst als Ophelia in der Oper „Hamlet“ von Ambroise Thomas ungeheures Furore, da sie für diese Rolle wie geschaffen scheint. Man erzählt sich, daß Thomas seine Oper seit acht Jahren vollendet gehabt, aber nie eine Sängerin gefunden, welcher er die Rolle der Ophelia hätte anvertrauen mögen. Vielleicht wäre die Oper auch noch länger in seinem Pulte geblieben, wenn er nicht eines Tages den Musikverleger Hengel besucht und demselben die Partitur vorgespielt hätte.

„Das ist schön, herrlich!“ rief Hengel. „Ich gebe Ihnen dafür, was Sie wollen. Wann soll die Oper aufgeführt werden?“

„Wenn ich eine Ophelia gefunden haben werde.“

In diesem Moment steckte Christine Nilsson, die im Geschäft gewesen und im Nebenzimmer den Maestro spielen gehört, ihren lieblichen Kopf zur halbgeöffneten Thür herein.

„Da haben Sie Ihre Ophelia!“ rief Hengel halb lachend, halb ernst.

Schon wenige Stunden später trat der Director der großen Oper in Unterhandlungen mit Christine, und kurz darauf waren die Proben der Oper im vollen Gange.

Unter den vielen Bewunderern, welche die holde Ophelia mit ihrem hinreißenden Gesange fand, eroberte sie auch im Sturme ein Herz – das Herz Gustav Doré’s, mit dem wir in unserer heutigen Nummer unsere Leser bekannt gemacht haben. Binnen Kurzem wird Christine Nilsson Doré’s Gattin sein.

Wir finden die junge Sängerin nach so mannigfachem Schicksalswechsel jetzt in einer reizenden Wohnung der Rue Rivoli in einem mit Weiß und Gold drapirten Salon und blauseidenen Möbeln vor einem Kamin aus carrarischem Marmor, der mit antiken Schalen und Statuen verziert ist. Sie steht auf und setzt sich an das mit unzähligen Opernpartituren bedeckte prachtvolle Piano, auf dessen Tasten ihre Finger träumerisch umherirren. Woran sie wohl denken mag? Vielleicht an die Triumphe des heutigen Abends? Nein, sie blickt in weite Vergangenheit zurück, sie sieht sich wieder in der ärmlichen Hütte ihrer Eltern, mitten unter den zerlumpten Geschwistern, für deren Fortkommen sie jetzt getreulich sorgt; sie hört aus der Ferne das Schellengeklingel eines Schlittens und hört den Vater rufen: „Christine, nimm Deine Violine und geh’ hinaus an den Strand!“

Wer ihr damals gesagt hätte, welcher Glanz, welche Huldigungen sie heute umgeben würden!





Herman Schmid. Allen Lesern der Gartenlaube ist Herman Schmid ein Lieblingserzähler geworden, und gewiß, er verdient diese Gunst durch das künstlerische Streben und die streng ästhetisch sittliche Durcharbeitung seiner Stoffe, die ihm sicher auch für die Zukunft einen bleibenden Platz in der deutschen Literatur sichern werden. Wie andere Zeitschriften von ihm urtheilen, beweist u. a. die in München erscheinende „Süddeutsche Presse“, die sich in Nr. 28 d. J. folgendermaßen über ihn äußert:

„Schmid strebt nicht blos merkwürdige Begebenheiten zu bringen und durch sie eine müßige Neugier zu reizen, er ist überall sichtlich bemüht, das Ereigniß, welches er erzählt, ob es nun in hohen oder niedrigen Kreisen spielt, zu einem ästhetisch gebauten, sich gehörig vorbereitenden, verwickelnden und lösenden Menschengeschick zu vertiefen und auszubreiten, aus welchem wie aus einem reinen Spiegel ungesucht und ungewollt dem Beschauer ein Bild allgemeiner Menschlichkeit mit lebenswahren Zügen entgegentritt. Er verschmäht den Effect keineswegs, viel mehr läßt sich in den Anlagen hie und da die auf solchen gerichtete Absicht sehr deutlich erkennen, aber er ist immer untergeordnet und wird als Mittel zum Zweck benützt, ohne selbst Zweck zu sein. Schmid ist, was man unter Malern einen guten Coloristen nennen würde, aber er läßt darüber weder die Richtigkeit und Schönheit der Ausführung und Zeichnung noch die Correctheit der Composition Schaden leiden. In dieser glücklichen Verbindung zweier Factoren (abgesehen von dem den Leser fesselnden Gemüthsleben des Verfassers) ist wohl auch die Erklärung zu suchen, warum Herman Schmid’s Erzählungen sich so rasch und allgemein Bahn gebrochen haben. Wie nämlich die niedrigen Classen von Erzählern mit grellem Farbenauftrag und verrenkter Zeichnung der gröber organisirten Menge huldigen, haben einige höhere den Weg des entgegengesetzten Extrems betreten. Sie wollen von Wirkung, Spannung u. dergl. nichts hören, verwerfen, das Kind mit dem Bade verschüttend, alles dahin Abzielende als unkünstlerisch und unwürdig und wollen, daß das feinere Publicum, das sie im Auge haben, sich durch Reflexionen und geistreiche Conversation für den Mangel an Handlung und Charakteristik entschädigt finde. Sie wollen, wie Goethe im Wilhelm Meister seine Philine so treffend sagen läßt, versuchen, ob es nicht angehe, „sich am Eise zu wärmen“. Die Wahrheit liegt wohl wie überall auch hier in der Mitte, und diese Wahrheit ist es, welcher Schmid in seinen Erzählungen offenbar nachstrebt, indem er anziehenden Stoff mit anziehender Form verbindet und dadurch beim Gebildeten ebenso Berührungspunkte findet wie bei dem schlichten Mann im Volke. Dabei unterstützt ihn ein seltenes Schilderungstalent, vermöge dessen es ihm nicht nur gelingt, die eingeflochtenen Naturbilder anschaulich schön darzustellen, sondern auch die Menschen wahr und so wiederzugeben, daß man sie vor sich zu sehen glaubt. Insbesondere Charaktere und Art der baierischen Bergbewohner weiß Schmid mit seltener Treue zu schildern. – Dem Stoffe nach greift unser Dichter bald zu den einfachsten Culturverhältnissen, bald auch zu geschichtlich merkwürdigen Begebenheiten und Charakteren. Die bis jetzt vorliegenden Lieferungen seiner gesammelten Schriften enthalten die dem Bauernleben entnommenen Erzählungen „die Huberbäuerin“ und „Unverhofft“ – von denen die erstere einen düsteren Charakter hat und eine reiche schöne Bäuerin schildert, welche im Uebermuth zur Verbrecherin und zum Hauptmann einer Räuberbande geworden – die letztere giebt die anmuthige Geschichte eines hochmüthigen Mädchens, das „unverhofft“ einen Buckligen zum Manne nimmt. An geschichtlichen Stoffen findet sich „das Todtengesicht“, die unheimliche Geschichte eines adeligen Ingolstädter Studenten, der eine unselige Neugier durch ein bitteres entsagungsvolles Leben büßt, und „der Schütz von der Pertisau“, das Ende des letzten der selbständigen Tiroler Herzoge, des edlen Franz Sigismund, behandelnd. Das dritte hat den Bürgeraufstand und die Sendlinger Mordweihnacht von München mit dem patriotischen Jägerwirth und seiner Tochter als Anführer zum ergreifenden Gegenstand. Wenn wir nicht irren, ist diese Erzählung im Auftrage König Max des Zweiten geschrieben, der gern, wie er sich ausdrückte, einen „baierischen Walter Scott“ gehabt hätte und ihn in Herman Schmid gefunden glaubte. Schließlich darf nicht unbemerkt bleiben, daß die sämmtlichen bis jetzt vorliegenden Geschichten gegenüber ihrer ersten Gestalt vielfach in Stil und Darstellung die nachträglich mit Sorgfalt glättende Hand verrathen, daß sich Aenderungen selbst in den Motiven vorfinden und daß die Sammlung auch neue, weiteren Kreisen unbekannt gebliebene Erzählungen Herman Schmid’s bringen wird.“





Zur Pariser Haarkräuslerei. Paris hat nicht nur seine Universität mit den vier Facultäten und sein Institut mit den fünf Akademien; es besitzt auch eine Hochschule und eine Akademie für Haarkräusler. So wie es aber den Gelehrten und Schriftstellern nicht leicht wird, Mitglied des Instituts zu werden, so ist es auch den Haarkräuslern nicht leicht, sich unter ihren unzähligen Collegen Ruhm und Unsterblichkeit zu erwerben. Indessen wird ihnen doch Gelegenheit geboten, ihr Genie zu bekunden. Jedes Jahr nämlich findet Salle Molière ein feierlicher Preiskampf statt, in welchem die glorreichen Sieger mit Ehrenmedaillen bedacht werden. Treten wir in diesen Saal, so sehen wir in der Mitte desselben einen langen mit einem weißen Tafeltuch bedeckten Tisch, auf welchem sich zwei Reihen Toilettenspiegel befinden. Neben jedem derselben gewahrt man einen zierlichen Kasten, der die Instrumente des Haarkräuslers einschließt. Vor jedem Spiegel, an beiden Langseiten des Tisches, sitzt eine Dame in einem Frisirmantel und zu ihrer Linken hält sich ein Friseur. Auf ein gegebenes Zeichen setzen sich sämmtliche Haarkünstler in Bewegung. Die Kasten werden geöffnet, die Haare der Damen rasch aufgelöst. Da wird gekämmt, geflochten und gekräuselt. Jeder dieser Haarkünstler hat seine eigene Methode, seinen eigenen Stil, seine eigenen Kunstgriffe, die sich an der Frisur seiner Dame kundgeben. Sobald die Arbeit vollendet, fällt der [256] Frisirmantel von der Schulter der Schönen. Diese wird nun von ihrem Friseur den Anwesenden vorgestellt, die den Kopfputz, je nachdem er ausgefallen, mehr oder minder bewundern. Beim Schlusse der Sitzung, wenn nämlich alle Damen frisirt sind, werden diese in Gruppen vertheilt und die Frisur derselben von den Preisrichtern mit Kenneraugen geprüft. Man stellt dann allgemeine Betrachtungen über den Zustand der Haarkräuslerkunst an und den Künstlern, welche sich am meisten ausgezeichnet, wird die Preismedaille feierlichst zuerkannt.

Die Haarkräusler geben auch zum Besten ihrer Unterstützungscasse jährlich drei große Soiréeen, die gewöhnlich im Salle Valentino stattfinden und in der That höchst eigenthümlich sind, Auf einer Estrade sitzen einige Dutzend Damen, an deren Kopfschmuck man die Geschichte der Frisirkunst studiren kann. Man sieht Frisuren aus der Epoche des Perikles, des Augustus, Franz des Ersten, Heinrich’s des Vierten, Ludwig’s des Vierzehnten, Frisuren aus der Revolutionszeit, der Kaiserzeit und der Restauration, Das sind die „Coiffures Historiques“. Man sieht aber auch Phantasie-Frisuren, „Coiffures de Fantaisie“, an denen der Künstler seine Erfindungsgabe entfaltet. Ich habe vorige Woche einer solchen Soirée beigewohnt. Der Saal war auf’s Prachtvollste erleuchtet; ein vortreffliches Orchester ließ die beliebtesten Stücke hören und die Blicke des zahlreichen Publicums wurden von den phantastischen Frisuren gefesselt, welche die Damen auf der Estrade zur Schau trugen. Man bemerkte unter denselben besonders die vier Jahreszeiten. Der Frühling trug im Kopfputz Primeln und Aurikeln und ein Vogelnestchen, in welchem die Mutter ihre Kleinen fütterte; der Sommer, eine junge, schöne Blondine, trug in der Frisur eine mit Cyanen gemischte Korngarbe, in welcher eine goldene Sichel steckte; der Herbst machte sich bemerkbar durch die schönen Früchte, unter welchen die Trauben sehr malerisch vertheilt waren, und was endlich den Winter betrifft, so war er mit Reif und niedlichen Eiszäpfchen bedeckt. Die sonderbarste originellste Frisur hatte aber der Friseur Charensol geliefert. Dieselbe hieß auf dem Programm „Coiffure Internationale!“. Die entsprechende Dame trug die Fahnen aller großen Nationen in den Haaren und auf dem Scheitel war ein Zouave zu sehen, der die französische Tricolore aufpflanzte.

Die Namen der Künstler, welche diese Meisterwerke vollbracht hatten, wurden feierlichst verkündet, und hierauf begann ein Concert, in welchem sich mehrere Sänger und Sängerinnen hören ließen. Der Abend wurde mit einem Ball beschlossen; die Künstler aber, die ihr Talent an den prachtvollen Frisuren gezeigt, wurden ruhmbeladen auf Kosten der Gesellschaft in schönen Equipagen nach Hause gefahren.




Unter dem Titel: „Fünfzehn Jahre meiner Lehrthätigkeit am Conservatorium der Musik in Leipzig und mein Verhältniß zum Director, Herrn Advocat Schleinitz. Von Professor Franz Goetze ist soeben ein Schriftchen erschienen, das in der Musikwelt nicht geringe Sensation machen wird. Es gewährt Einblicke in gewisse Verhältnisse dieses Instituts, die wohl geeignet sind, Gesangschüler, welche ihre Ausbildung in demselben suchen, wie nicht minder Gesanglehrer, denen die Stelle offerirt werden möchte, einigermaßen bedenklich zu machen. Veranlaßt ist die Schrift durch ein Directorialschreiben an Prof. Goetze, in welchem diesem berühmten Gesangmeister, zwar in diplomatische Phrasen eingehüllt, aber verständlich genug, nichts weniger als entweder Unfähigkeit oder Nachlässigkeit vorgeworfen wird. Da wehrt sich nun der Verfasser mit den besten Waffen, die es gegen dergleichen Insinuationen giebt, – mit unbestreitbaren Thatsachen. Das Ausland hat bis jetzt das Leipziger Conservatorium, wie die Erdenbewohner den Mond, nur von der einen beleuchteten Seite gesehen. Nun wird ihm auch die andere gezeigt, und was man da entdeckt, ist für angehende Sänger wenigstens nicht eben sehr einladend.





Aus der Geschichte der Hinterlader. Bekanntlich brachte Dreyse die Idee eines von hinten zu ladenden Gewehres aus Frankreich mit, wo während seines Aufenthaltes in Paris Versuche mit einem solchen gemacht worden waren. Die Versuche verdankte man der Anregung Napoleons des Ersten, die Construction des Gewehres war eine von dem Dreyse’schen völlig verschiedene. Bemerkenswerth ist, daß man sich, wie in jenen Kriegsjahren allerdings natürlich, an verschiedenen Orten mit der Verbesserung der Schußwaffen beschäftigte und dabei das Princip, die Waffe von hinten zu laden, anwendete; der erwähnte französische Versuch kann durchaus nicht beanspruchen, der erste zu sein. In einem längst vergessenen Buche Kotzebue’s, „Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel“ (1805) findet sich folgende Notiz:

„Tommaso Diamanti, Büchsenmacher und Mechanicus in Rom. Dieser Mann hat eine wichtige Erfindung bekannt gemacht, wofür er Segen und Fluch verdient, wenn er leistet, was er verspricht. Es ist nämlich eine Kanone, die nicht von vorn, sondern von hinten geladen wird. Das Manöver, sagt der Erfinder, ist einfach, stark und untrüglich. Die Construction der Kanone ist von der bisherigen ganz verschieden, aber nicht minder solid und weit sicherer beim Abfeuern. Es giebt da weder Schraube noch Zange, weder Pfanne noch Hebel oder sonst ein Gewicht; durch eine einzige Bewegung öffnet sich der Hintere Theil der Kanone; in einem Augenblick ist die Ladung an ihrer Stelle, selbst im Dunkeln kann nicht gefehlt werden. Der Erfinder erbietet sich, die Probe zu machen, so oft man will, nur verlangt er mit Recht, daß man vorher eine gewisse Summe zu seiner Belohnung irgendwo deponire. Er will auch, unter seiner Direction, Stücke nach seinem Modell gießen lassen und zugleich ein unfehlbares Mittel an die Hand geben, die Gefahr zu vermeiden, welche aus der Erhitzung der Kanone durch zu häufiges Abfeuern entspringt. Besonders nützlich würde diese Erfindung sich auf Kriegsschiffen erweisen, wo das Laden mit so vielen Umständen verknüpft ist. Er behauptet, daß künftig eine Kanone, welche nur von drei Artilleristen bedient wird, doppelt so viel leisten werde, als eine gewöhnliche. Häufigeres Losbrennen also und größere Sicherheit der Losbrennenden ist der Hauptnutzen dieser dennoch vermaledeiten Erfindung, denn gegen einen Artilleristen, der dadurch am Leben erhalten wird, müssen Hunderte in’s Gras beißen, die bei langsamer Bedienung verschont geblieben wären.“

Kotzebue machte seine Reise nach Italien im Winter von 1804 auf 1805, Etwas Genaueres über jenen Tommaso Diamanti und seine Erfindung haben wir nicht erfahren können, Es wird ihm gegangen sein, wie manchem andern Erfinder: man wird ihn wenig beachtet haben.





Das Gilmdenkmal. Man vergleicht Lyriker gern mit Lerchen, wie sie, ihr lustiges Liedlein trillernd, über die gemeine Sterblichkeit sich zum Himmel heben, Ganz besonders paßt dieser Vergleich auf jene österreichischen Dichter, die in den Tagen von Metternich’s Reaction sich muthig über die trägen Sümpfe aufschwangen und den Eulen zum Trotz ihr Morgenlied anstimmten. Wer erinnert sich nicht an Anastasius Grün, an Lenau? Sie sind berühmt, aber auch einige Tiroler verdienen Beachtung, um so mehr, da sie nicht blos mit Polizeispitzeln, sondern auch mit Ultramontanen, Feinden, die bis über das Grab hinaus hassen, anbanden und die Sache der Freiheit verfochten.

Johann Senn und Hermann von Gilm sind vor Allen zu nennen. Auch die Gartenlaube hat ihrer bereits gedacht und Gilm’s scharfes Jesuitenlied abgedruckt, Gilm’s Gedichte sind nach seinem Tode am 1. Juni 1864 in zwei Bänden erschienen, leider Gottes jedoch verstümmelt, weil die Herausgeber in ihrer Feigheit auf Bureaukratie und Bonzen Rücksicht nahmen. Die Liberalen Tirols haben jedoch Gilm’s feurige Lieder nicht vergessen. Soeben erhält das Haus, wo er am 1. November 1812 geboren wurde, eine neue Facade. Sie wird mit einer Marmortafel geschmückt, auf welche der Bildhauer Gröbmer zu München Gilm’s Relief einmeißelt.

Das ist sehr lobenswerth und zwar nicht blos deswegen, weil ein Dichter, sondern auch ein Vorkämpfer der geistigen Freiheit geehrt wird. Es ist noch löblicher, weil es in Tirol geschieht, wo man bisher blos Vorkämpfer des religiösen Fanatismus ehrte und an den Häusern mir Bilder und Statuen von sogenannten Heiligen und Leuten anbrachte, deren manche vielleicht wegen ihrer asketischen Verkehrtheiten in das Tollhaus oder wegen ihrer Verbrechen gegen die Humanität auf die Festung gehört hätten. Leider betont der bombastische und süßliche Aufruf, der für dieses Gilmdenkmal erschien, seine Verdienste um die Sache des Fortschrittes nicht, ja erwähnt sie gar nicht einmal – in der naiven Absicht, daß die Ultramontanen nicht abgehalten würden, Beiträge zu liefern. Wie komisch, oder besser gesagt, wie traurig, daß Gilm auch noch im Grabe solches Mißgeschick hat!

X. Y. Z.




Es gingen noch ein: J. K. in Bielitz 5 fl.; einige Freunde Freiligrath’s in Kronach durch Notar Geßner 23 Thlr.; von der Expedition der Silesia in Teschen 3 fl.; Liedertafel in Schlawe (Pommern) 4 Thlr. 29 Sgr,; W. M. in Halberstadt 1 Thlr,; zweiter Beitrag aus Mecklenburg-Strelitz, einges. durch Doctor Sander 15 Thlr,; von den Mitgliedern des deutschen Kunstvereins in Philadelphia 250 Thlr.; Thalia-Verein in San Francisco, ges. durch Teitmann, Sievers, Niemeyer, Meyer, Denicke und Schlingheyde 481 Thlr. 14 Sgr. (Eine zweite Gabe von 136 Thlr. 17 Sgr. für Tzschirner ist von der unterzeichneten Redaction nach Dresden befördert worden.); Grauer in Kempen 2 Thlr.; L. K. in Bremerhaven 5 Thlr.; Leseverein Concordia in Bockenheim 28 Thlr. 17 Sgr.; Dr. C. F. Meyer in St. Petersburg 5 Thlr. 18 Sgr; Baumeister B. in Sch. 1 Thlr. und Ingenieur K. in N. 15 Sgr,; Männerturnverein in Altenburg 8 Thlr, 5 Sgr.; die deutsch-akademische Gesellschaft in Schemnitz (Ungarn) 22 fl. öster.; W. Wirth in Goldbach bei Soran 5 Thlr.; von den Arbeitern R., B., L. und R. aus Berlin 1 Thlr.; von mehreren Deutschen in Lyon 23 Thlr. 6 Sgr.; Männerchor der Teutonia in New York 25 Thlr.; M. B. in Fr. 10 Thlr.; für sieben Glaubensbekenntnisse von Freiligrath 7 Thlr.; H. B. in Berlin 10 Thlr.; Beitrag des Liederkranzes in Kaufbeuren durch Franz Arras in Dresden 5 Thlr. 21 Sgr.; aus Eutin 2 Thlr.; Ertrag einer Sammlung in der Neustadt-Krone in Kempten am Weihnachtstage 11 Thlr, 4 Sgr.; Redaction der Ostdeutschen Heilung in Posen 6 Thlr, 10 Sgr.; Ertrag einer Sammlung vom Singverein in Dessau 7 Thlr. 12 Sgr.; Männerturnverein in Hirschberg 10 Thlr.

Der erfreuliche Erfolg, welchen die Sammlung für die Freiligrath-Dotation gehabt hat, ist bekannt; es gereicht uns zur besonderen Genugthuung, daß nicht nur unmittelbar durch uns dem Central-Comite in Barmen die beträchtliche Summe von 5018 Thlrn. 24 Sgr. 9 Pfgn. hat zufließen können, sondern daß es, wie vielfach behauptet, zumeist der von der Gartenlaube veröffentlichte Aufruf gewesen ist, welcher, in alle Theile der von Deutschen bewohnten Erde dringend, dahin, wohin nur selten andere deutsche Blätter den Weg finden, das schöne Gesammtresultat von weit über vierzigtausend Thalern erzielte. Allen, die zur Förderung dieses Nationalwerkes beigetragen haben, sagen schließen, unseren wärmsten Dank.

Die Redaction der Gartenlaube.



Inhalt: Im Hause der Bonaparte. Historische Erzählung von Max Ring. (Fortsetzung.) - Ein Haupt der ultramontanen Partei Deutschland. Mit Portrait. – Erinnerungen an König Ludwig den Ersten von Baiern. Von Ernst Förster. II. - Das erste Meißner Teeservice. - Gustav Doré. Von L. Kalisch. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Eine zweite schwedische Nachtigall Pariser - Herman Schmid - Zur Pariser Haarkräuslerei. – Franz Goetze. – Aus der Geschichte der Hinterlader. - Das Gilmdenkmal. – Freiligrath-Dotation.