Der 3. Glaubensartikel/1. Kor. 15, 11–20. Ich glaube an den Heiligen Geist

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Der 3. Glaubensartikel
Ps. 51, 14. Ich glaube an den Heiligen Geist »
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1. Kor. 15, 11–20, 25. 
Ich glaube an den Heiligen Geist.


 So ist die Freudenzeit der Kirche wieder angebrochen, die Freudenzeit, die durch das sie umgebende und einigende Leid nicht verkürzt und verkümmert werden darf; denn das Zeitliche ist das Leichte und das Gewichtige ist ewig. Es ist ja eine schwere, leidvolle Zeit, in der wir leben, jeder Tag bringt neue Sorge und neue Frage. Unsere Feinde haben nicht abgelassen, uns zu verleumden, und die einst für uns waren, sind wider uns aufgestanden. Aber über allem Wechsel der Dinge und über allem Wandel von Menschengunst und Menschenliebe, auf die wir uns verließen – und sie haben uns verlassen –, steht ewig fest die Friedens- und Freudenbotschaft der österlichen Zeit: Christ ist erstanden!

 Eine Freude geht durch die Herzen derer, die Jesum lieben, weil doch Einer auf Erden ist, bei dem die Lüge nicht das letzte Wort behalten und das Unrecht nicht den Sieg davongetragen hat. Eine stille Genugtuung zieht durch eure und meine Seele darüber, daß der, den unsre Seele liebt, nicht im Grabe schlummert, noch in der Hölle wartet, noch auf den Tag seiner Verklärung sich sorgt, sondern daß Er, allem Erdenleide königlich entnommen, lebet und regieret in Ewigkeit. So weit, glaube ich, ist unser aller Liebe zu Jesu gewachsen, daß wir, selbst in der Gefahr zu vergehen und nicht zu bleiben, darüber froh sind, daß Er bleibet, lebt und regiert. Und in der Stunde, in der du darüber froh bist, daß über einem Grabe auf der Erde, über Seinem Grabe, es Leben, Sonne und Sieg geworden ist, hast du dein Los an das königliche, triumphierende Lebenslos Jesu Christi im Glauben gebunden: „Haupt, mache mich zu Deinem Gliede! Hirte, nimm| mich an! König, denke an mich, Deinen geringsten Untertanen! Du hast mir versprochen, mein Leid zu teilen, und hast am Kreuze Dein Versprechen eingelöst. Du hast mir versprochen, Deine Ehre mit mir zu teilen, löse auch diese Verheißung gnädig ein!“

 Wie Bernhard von Clairvaux einmal sagt, so rufe ich euch zu: „Lasset uns hinzutreten zu dem Manne, der des Zöllners am Zoll sich erbarmte (Matth. 9, 9), der mit dem kananäischen Weibe Mitleid hatte (Matth. 15), der sich von der weinenden Sünderin salben ließ (Luk. 7), der mit dem Ihn verleugnenden Jünger Mitleid trug, wie Lukas 22 zu lesen ist, der dem bekennenden Schächer am Kreuz sein Herz erschloß (Luk. 23) und der dem zweifelnden Thomas Sich als der Lebendige zeigt, wie es dort bei Johannes 20, 28 steht.“ Daß wir auf Grund der tröstenden, rettenden, vergebenden, verzeihenden, erlassenden, überzeugenden Tätigkeit Jesu Christi zu Ihm fliehen können, das ist ein Werk des Heiligen Geistes.

 Am Sonntag Abend, da die Türen verschlossen waren, ging der, der durch des Steines gewaltigen Verschluß und durch des Siegels starkes Band hindurchbrach, durch die verschlossenen Türen hinein zu den Jüngern, die sich aus Furcht vor den Juden heimlich versteckt hatten, und grüßte sie mit dem Gruß, in dem Er Seine höchste Ostergabe ihnen darbot und daließ: „Friede sei mit euch!“ (Joh. 20, 19.) Das war der Alltagsgruß am Feiertage, das war der Sonntagsgruß für den Alltag. Der Alltagsgruß am Feiertag – denn daran sollten die Jünger ihren alten Herrn erkennen, daß Er mit dem ihnen schon tausendmal gebotenen Gruße ihren Feiertag zu einem Freudentag weihte und mit dem Gruß: „Friede sei mit euch!“ in den Alltag die feiernde, heiligende Stille einsenken wollte. Es war nicht mehr der Gruß der Verheißung, nicht mehr ein Gruß des Wunsches, es war der Gruß, der die Tatsache, die am Kreuze erworbene und erbrachte Tatsache darbot: „Friede sei mit euch!“ Und da die Jünger zuerst| erschrocken waren, wendet Er sich zu ihnen und gibt ihnen einen Beruf. Zuerst den Gruß und die Kraft und dann den Beruf, der Gruß und Kraft verbindet und verwertet. Denkt euch, die Jünger hätten nach der Auferstehung Jesu Christi nichts mehr zu tun gehabt, sorglos, aber auch mühelos, arbeitslos und darum freudenlos wären sie auf der Erde herumgeeilt, herumgeirrt ohne Ziel und ohne Maß und ohne Arbeit. Denkt euch eine Frömmigkeit zu Jesu, die nichts zu arbeiten hat, eine Liebe zu Jesu, die nichts zu wirken hat, eine Freude an Jesu, die sich nicht äußern darf. Denkt euch, wenn der Segen der Arbeit einmal der Kirche genommen wäre und der Segen des Berufes, so wäre die Kirche eine Versammlung tatenloser Träumer. Darum gibt der Herr Jesus, nachdem Er die Kraft vorher verliehen hat, einen Beruf und spricht: „Gleichwie mich der Vater sendet, also sende Ich euch.“ (Joh. 20, 21.) Er setzt hiemit den Apostelberuf ein, das große, selige Zeugenamt, die Arbeit, für den Auferstandenen Leben, Liebe, Leiden, Glück, Kraft und Jahre zu opfern. Er weist die Jünger hinaus in die Welt: dort im fernen Westen die deutschen Lande, dort im Süden die große romanische Ebene, im Norden all die Völker, die in Finsternis und Todesschlummer waren. Und überallhin sollte der Glaube der Jünger Fuß beschwingen, überall hin sollte der Jünger Liebe das Herz senden, überallhin sollte die hoffende Zuversicht, daß der Glaube ein Sieg sei, die Arbeit der Jünger tragen.

 Und nachdem Er den Beruf gegeben hat, gibt Er den Amtsgeist. Und als Er das gesagt hatte, blies Er Seine Jünger an und sprach: Nehmet hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. (Joh. 20, 22, 23.)

 Zweimal kommt der Heilige Geist auf die Jüngergemeinde, einmal in die Enge für den besonderen Beruf, zum andernmal in die Weite für den allgemeinen Beruf. Einmal in die Enge des| speziellen geistlichen Amtes, zum andernmal in die Weite zum allgemeinen Christuszeugnisse. Dort hinter verschlossenen Türen setzt der Heiland das Amt ein, das so viele verschlossene Türen findet, so viele Türen verschließt, aber auch, Gott sei Dank, so viele Tore offen. Daß unser Amt viele verschlossene Türen findet, das wißt ihr genugsam. Aus mancher Predigt und Aussprache, aus mancher Bibelstunde und Betrachtung seid ihr leerer herausgegangen, als ihr in sie kamt und seid unter dem Banne des Jesuswortes gestanden: „Ihr seid jetzt nicht aus der Wahrheit, darum glaubet ihr Mir nicht.“ (Joh. 8, 45; 18, 37.) Der Mensch hat manchmal keinen Platz für das Wort Gottes; den Platz, den das Gotteswort einnehmen sollte, haben die Sünden, Sorgen, Zerstreuungen, vor allem die Selbstliebe vorweg eingenommen. Gott aber teilt nicht mit dir den Raum, der Ihm allein gebührt. Unser Amt ist oft ein Amt der verschlossenen Türen. Haben sie Ihn verschmäht, so werden sie uns auch verschmähen (Joh. 15, 20), haben sie Ihn vergebens die Hände nach sich ausstrecken lassen, so werden sie auch unsrer Ladung nicht folgen (Rm. 10, 21), haben sie Ihn einen Lügner geheißen, so werden sie uns auch nicht wahrhaftig nennen. – Aber noch schwerer ist unser Amt, wenn es Türen verschließt. Das Amt des apostolischen Zeugnisses, das geistliche Amt, hat die Gewalt, daß es Menschen verhärtet. „Welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten.“ (Joh. 20, 23.) Man kann einen Menschen tot predigen. Man kann in einer Seele solche Gefühle der Sicherheit und Eigenkraft und eine solche Erkenntnis der Vielseitigkeit erwecken, daß es besser gewesen wäre, nie ein Gotteswort zu vernehmen. Ein furchtbares Los, daß ein Mensch einem andern die Herzenstüre verschließen kann. Von der Purpurkrämerin aus Thyatira, Lydia, heißt es: „Ihr tat der Herr das Herz auf (Ap. 16, 14); bei andern aber heißt es: Er schloß das Herz zu. Dann kann nichts mehr hinein, dann hört man wohl mit den äußeren Ohren,| aber es geht alles obendarüber hin, wie wenn der Wind über ein Haus zieht. Ein Gottesmann hat einmal gesagt, wenn man eine stark verschlossene und mit Kork verspundete Flasche ins Meer werfe, so werde sie nie um einen Tropfen reicher werden, es sei ja ein Hemmnis da. Und der Naturforscher I. Newton sagt: „Siebenzehnmal habe ich das neue Testament gelesen und habe nie ein Wort der Versöhnung gefunden!“ Ja, mein Freund, wie kann ein Licht brennen, wenn ein Hütchen auf der Kerze ist! – Seht, das ist unsre schwerste Aufgabe, daß wir Menschenherzen verstocken müssen. Predige – und sie hören es nicht; zeuge – und sie vernehmen es nicht! „Auf daß sie nicht hören und selig werden“ (Luk. 8, 12), sagt der Herr im Gleichnis vom Ackerfeld. Also hat das Wort Gottes die Gewalt, einen Menschen unempfänglich für alles Heilige und Selige zu machen. Aber, Gott sei Dank, ein Drittes ist uns auch geheißen und gewährt: daß wir Türen auftun. Offene Türen finden wir nicht viele; das Evangelium wird nie eine große Menge an sich ziehen. Und wenn jetzt als Ziel des Krieges für die Kirche ein Christentum empfohlen wird, das auf allgemeinen Beifall rechnet, so ist diesem Christentum die Herzwurzel genommen und das Kleinod aus dem Schilde gebrochen. Ein Christentum, das allgemeinen Beifall fände – vor dem behüte uns lieber himmlischer Vater! Aber etliche, eine kleine Herde, eine Herde von Getreuen, etliche Frauen und Männer, etliche Entschiedene, etliche Leute des alten Glaubens, etliche Charaktere und Persönlichkeit sprechen: „Mir ist nicht um tausend Welten, aber um Dein Wort zu tun.“ Und das sind die, durch welche der Herr Jesus Seine Kirche bis ans Ende erbaut. Wenn ihr denkt, nach dem Krieg werde das Christentum populär werden, so irrt ihr euch. Ein populäres Christentum hat seinen Ruhm dahin, aber das Christentum der Armen bleibt. Ein Christentum, dem alle zufallen, hätte den Widerspruch des Kreuzes ausgetan und hätte für jeden eine verbindliche Rede.| Wir aber wollen nicht die verbindliche Rede, sondern die, welche alle Wunden verbindet und alle Gebrechen heilt und alle Sünden vergibt (Ps. 103, 3), denn: „welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben.“ Großes Amt – daß ein armer Sünder einem andern auf seine Reue hin und auf sein Leid aller Sünden Vergebung so gewiß aussprechen kann, daß es im Himmel ein „Ja“ ist, daß die vergebene Sünde nie mehr in der späteren, in der Vollendungswelt gehört werden darf. Großartigstes, seligstes Amt – daß ein sündiger Mensch, der selbst vor Gottes Majestät im Staube zittert, zu einem andern sagen kann: „Sei getrost, deine Sünden – nicht werden, auch nicht können dir vergeben werden – sondern deine Sünden sind dir vergeben.“ Und daß hinter dem also sprechenden, armen Menschen der König der Erbarmung steht und sagt: „Ja! Amen“ sie sind vergeben! Die Handschrift (Kol. 2, 14) ist zerrissen, der Schuldbrief ist getilgt, die Sünde ist vergessen!“
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 Aber freilich, neben dem seligen Löseschlüssel steht der eherne, furchtbare Bindeschlüssel, von dem unser Geschlecht als von einem mittelalterlichen Wahne sich längst freigemacht hat. Bindeschlüssel! Man verbindet mit diesem Worte mittelalterliche Herrschsucht, während es doch das Gegenstück zur Vergebung ist. Eine Vergebung, die allen zuteil wird, ist keine Vergebung. Ein Sündenerlaß, der auch dem Träumer geschenkt wird, ist keine Gabe, sondern Spielerei. Wenn wir nicht die Kraft haben, Sünden zu behalten, haben wir auch nicht das Recht, Sünden zu erlassen; das ist der eherne Bindeschlüssel. Wenn du in deinem Herzen allerlei Feindschaft hegst und sagst: „Vergib mir meine Sünde!“ so bleibt sie dir gewahrt. Wenn du in deiner Seele allerlei bittere Wurzeln, aus denen vergiftend Verfeindung, Haß und Neid heraussprießen, weiter bewahrst, so sind alle Gnaden nicht für dich vorhanden. „Welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten.“ Wenn ihr erklärt: „Ich werde meine| Sünde nie bereuen, darum werde ich sie auch nicht ändern!“ wenn ihr eurer eigenen Seele zuruft: „Laß, o Seele, uns den Priester täuschen und uns im übrigen leben, wie es uns gefällt!“ so hast du und deine Seele nichts von Vergebung. Die Sünde bleibt dann in der Zeit und geht hinüber in die Ewigkeit. – Also Ostergruß, Osterarbeit und große österliche Befugnis der Sündenvergebung und der Sündenzurechnung, das wurde den Jüngern geboten, da sie den Herrn sahen und Er ihnen Seinen Geist gab, den Geist, der einen Thomas überzeugte. Denn als sie am Abend dieses Sonntags sich darüber befragten, ob Jesus, der Auferstandene, wirklich zu ihnen gekommen und ob Sein Wort Traum und Täuschung oder Wirklichkeit sei, und als zu dem Chor der Zehn die zwei Männer aus Emmaus, Lukas und Kleophas, kamen und erzählten, wie Er ihnen die Schrift geoffenbart, da war Thomas der einzige Zweifler. Ein seliger Mann, sagt Luther, in einer Stunde ein armer Zweifler und ein gelehrter Doktor der Theologie, in einer Stunde ein armer aber ehrlicher Leugner und in derselben Stunde ein inniger Bekenner. Augustinus sagt einmal von ihm: „Er hat für uns alle gezweifelt, damit wir nicht mehr zweifeln müssen.“ Thomas heißt ja auf deutsch: der Schwankende, der Unklare, der bald felsenfest Glaubende, bald mühsam Zagende. Ich sage, als Thomas nun von all den Erscheinungen, Verheißungen und Grüßen etwas hört, spricht er: „Wenn ich nicht in Seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in Seine Seite, will ich’s nicht glauben.“ (Joh. 20, 25.) Der Herr geht auf den törichten Wunsch des Jüngers ein, wie Er auf deine törichtsten Wünsche eingeht, wenn sie darauf hinzielen: „Mache mich Deiner gewiß!“ Es kann gar kein Anliegen so kindisch vor Jesus gebracht werden, das Er nicht erhöre, wenn es sich darum handelt, Seiner gewiß zu werden. Und wenn eines unter euch zu ihm spräche: „Schenke mir in dieser Woche eine ganz wunderbare| Begebenheit oder ein besonderes Ereignis, dann will ich an dich glauben!“ so bin ich überzeugt, daß der Heiland dies Gebet erhört.

 Nach acht Tagen, als Jesus wiederkommt zu den versammelten, überraschten Jüngern, war Thomas auch unter ihnen und der Herr spricht: „Thomas, reiche deinen Finger her und siehe Meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in Meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh. 20, 27.) Und Thomas, überwältigt, sagt: „Mein Herr und mein Gott.“ (Joh. 20, 28.) Mein Herr, nicht ein Sieger Dir zugut, sondern mir zu Ehren. Nicht ein Triumphator, Sich Selbst zu sonnen im Glanze, sondern mir zu Licht und Frieden. Mein Herr und mein Gott! Selig sind, die nicht sehen und doch glauben (Joh. 20, 29). Das ist das Testament, das letzte Testament, das der Herr an die Gemeinde gerichtet hat, bis Er wiederkommt. Und dieses Testament richtet der Heilige Geist aus.

 Es sind nur noch drei Gedanken, die ich euch heute für die nächste Betrachtung darbiete: der Heilige Geist ist ein schöpferischer, ein beweisender und ein vollendender Geist. Seht, wenn der Heilige Geist nicht wäre, dann wäre vielleicht Ostern auch geschehen, aber niemand würde ein Ostern glauben. Wenn der Heilige Geist nicht wäre, wäre das Grab aufgetan, der Herr Jesus hätte Sich dem Grabe entnommen, aber niemand spräche: „Mein Herr und mein Gott!“ Die Wenigsten unter uns wissen, was sie mit dem Heiligen Geist eigentlich innerlich anfangen sollen; Er ist ihnen eine vollkommen fremde, unklare oder doch verschwommene Persönlichkeit. Doch ist es genug, wenn sie nur sagen: Er ist Person, Er ist Zeuge, Er ist Lehrer, Er ist Dolmetscher, Er ist schöpferischer Geist. – Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und der Geist Gottes schwebte gestaltend über den Wassern. Er ist zeugender Geist.

|  Der selige Krummacher in Elberfeld, der Parabeldichter, hat einmal das Wesen des Heiligen Geistes in seiner Weise klar zu machen gewußt: eine Kranke war an allem irre geworden und zweifelte an der Persönlichkeit Gottes, an seiner Liebe war sie schon längst verzweifelt. Krummacher rang am Krankenbette dieser armen Zweiflerin nach Wahrheit. Da erhob er sich und blickte hinaus in den schneebedeckten Garten und sagte: „Wie können sie nur solche Bäume im Garten dulden, ohne Blüten, ohne Früchte, ohne Laub reihen sich die Zweige aneinander, starr und struppig, kahl und arm! Lassen sie doch die Bäume herausnehmen und bepflanzen sie den Garten von neuem!“ „Wie kann man denn im Winter Früchte und Blätter erwarten,“ sprach die Frau, „die Bäume sind gar gut, wenn der Frühling kommt.“ Da sagte Krummacher: „So ist es jetzt in ihrem Herzen: der Grund ist gut, wenn nur der Frühling kommt.“ Und der Frühling ist eben der Heilige Geist, der, wie Er soll, weht, und wann Er soll, kommt, und wie Er kommt, gnädig ist; der über ein armes, erkaltetes Menschenherz hinzieht mit Frühlingsbrausen und Frühlingswehen, daß alles Eis zergeht und alle Schollen weichen und alle Härte schwindet, und die alten, seligen Blüten des Kinderglaubens wieder erweckt werden, daß man sagen kann: es ist noch ein Frühling vorhanden.

 Ach, wenn wir den Heiligen Geist nicht hätten, dann wäre das ganze Glaubenswerk starre Dogmatik, Lehrsätze, aber nicht Lebenskraft, auswendig zu lernen, aber nicht innerlich zu spüren, mathematisch zu beweisen, aber nicht lebendig zu erfahren. Dann wären wir sehr, sehr arm, Leute im Panzer, unter dem das Herz erstirbt, Leute im Harnisch, unter dem die Seele erfriert, Leute in voller, blanker Rüstung, aber ohne Leben, Rittergestalten, aber im Tode.

 Da kommt der Heilige Geist und zeigt: Glauben ist nicht Lehre, Glauben ist nicht: die Summe von Lehrsätzen bewahren,| Glauben ist Leben mitten im Tode; Glauben ist Freude mitten in Angst; Glauben ist Jesum lebendig haben.

 Ich glaube an den Heiligen Geist und wünsche euch allen als die seligste österliche Gabe, nicht sowohl die Tatsache, daß Jesus auferstanden ist – die Tatsache ist längst vollbracht – sondern die innerliche, freudige, frühlingweckende und frühlingerhaltende Gewißheit:

Jesus, Er, mein Heiland lebt,
Ich werd auch das Leben schauen.

 Ach, wenn es einmal offenbar werden wird, was der Heilige Geist schafft, dann wird man begreifen, was die Kirche singt: „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist!“

 Er, der den Glauben in der Freudenzeit und den Glauben an die Freudenzeit schaffen will, sei mit eurem Geiste und mit meinem Geiste, daß wir sprechen können, dankbar, anbetend und voll Ehrerbietung: „Ich glaube an den Heiligen Geist; denn niemand kann Jesum seinen Herrn nennen, ohne durch den Heiligen Geist.“ (1. Kor. 12, 3.)

Amen.



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