« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 7 »
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Dettenhausen,

Gemeinde II. Klasse mit 973 Einwohnern, worunter 18 Kath. – Evangelische Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 3 Stunden nördlich von Tübingen gelegen.

Mitten im Schönbuch in einer gegen Süden sich öffnenden Mulde des ostwärts ziehenden engen Schaichthales liegt der uneben hingebaute Ort. Seine schlichten kleinen Häuser stehen ganz unregelmäßig verstreut an den zum Theil gekandelten Straßen; die klare, durch den untern Theil des Dorfes fließende, mit schönen Uferbäumen und frischen Wiesengründen umsäumte Schaich und die nahen Wälder geben mit dem Dorfe zusammen ein Bild angenehmer Abgeschiedenheit. Die Kirche steht am Nordende auf der höchsten Stelle des Dorfes und ward 1832–34 in einfachem Rundbogenstile aus Sandsteinen erbaut; aus dem Westgiebel sitzt ein großer hölzerner Dachreiter, gedeckt von flachem vierseitigem Zeltdache. Das Innere der sehr geräumigen rechteckigen Kirche ist, ausgenommen die Ostseite, wo die Kanzel angebracht ist, mit Emporen versehen und bildet einen lichten freundlichen flachgedeckten Raum, der freilich, wie alle diese Anlagen, keine eigentliche kirchliche Stimmung hervorzubringen vermag. Die schöne Orgel steht auf der westlichen Empore, und auf dem Altare ein kleines versilbertes Krucifix; die Sakristei ist östlich angebaut. Von den zwei ziemlich großen schönverzierten Glocken hat eine die Umschrift: Gegossen in Reutlingen von Chr. Adam Kurtz und Sohn 1836; die zweite wurde aus einer älteren 1863 umgegossen; sie zersprang beim Läuten am Todestage des Königs Wilhelm und ward neu gestiftet nach der Umschrift: Umgegossen mittelst Beiträgen des Königs Karl, der Königin Olga und des Staats; daneben sind die Rundbilder des Königs und der Königin angebracht, und oben steht: Gegossen von Heinrich Kurtz in Stuttgart 1863. Die Baulast der Kirche ruht auf der Gemeinde. An der Stelle der jetzigen soll einst eine berühmte Wallfahrtskapelle gestanden sein.

Der Begräbnißplatz liegt an der Kirche, wurde 1836 erweitert und mit einer Mauer umgeben.

Das ansehnliche, frei gelegene Pfarrhaus ward 1799 erbaut und ist vom Staate zu unterhalten.

Als Schulhaus dient ein nothdürftig dazu eingerichtetes altes| Bauernhaus; es enthält zwei Schulzimmer und die Wohnung des Schulmeisters und des Lehrgehilfen.

Das Rathhaus ist ebenfalls in einem, vor 6 Jahren erkauften, Bauernhause eingerichtet.

Ein Postamt besteht im Ort.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend vier laufende Brunnen, darunter der frische Störrenbrunnen und der Meiring, letzterer mit vorzüglich weichem Wasser, das von Kranken gerne getrunken wird, ferner zwei Pump- und ein Schöpfbrunnen; zu den laufenden sind Leitungen mit hölzernen Deucheln angelegt, wovon die eine 200′, die andere aber eine starke Viertelstunde lang ist. Auch außerhalb des Ortes finden sich Quellen auf dem Feld gegen die Weil im Schönbucher Markung; daselbst ist auch ein sog. Hungerbrunnen, der 1853 zum letztenmal ausblieb. Dann fließt durch die Markung und den Ort die schon genannte Schaich, die bei starkem Regen oder Schneegang austritt und Schaden verursacht; unterhalb des Ortes fließt von Süden her in sie der Hirschlandbach. Im unteren Schaichthale, etwa eine Stunde vom Dorfe, war einst ein See; die Fläche ist jetzt mit Forchen bewachsen und heißt noch im alten See.

Die jetzige und die frühere von Stuttgart nach Tübingen führende Staatsstraße, sowie die Vicinalstraße von Walddorf nach Weil im Schönbuch geht hier durch.

Vier kleine steinerne Brücken, wovon zwei der Staat zu unterhalten hat, und ein Steg führen über die Schaich.

Die Einwohner, ein im Ganzen gesunder Menschenschlag, (gegenwärtig leben drei Achtzigjährige im Ort), sind aufgeweckt, freundlich, fleißig und sparsam, und gehen gern zur Kirche; in Betreff ihres Ordnungs- und Reinlichkeitssinnes bleibt hingegen manches zu wünschen. Neben den Haupterwerbsquellen, Feldbau und Viehzucht, sichern sich die Einwohner ihr Auskommen durch Arbeiten in den Waldungen, so wie in den ausgedehnten Steinbrüchen (grobkörniger weißer Keupersandstein), aus denen die Bausteine nicht bloß nach Stuttgart und Tübingen, sondern auch nach München und Köln, die hier gewonnenen Mühlsteine namentlich in die Schweiz abgesetzt werden; daneben sind Liaskalksteinbrüche, die Straßenmaterial liefern, ferner Lehm-, Töpferthon- und Sandgruben vorhanden. Sämtliche Brüche und Gruben gehören dem Staate.

Unter den Gewerbetreibenden sind am meisten vertreten die Weber, Maurer und Steinhauer, die auch nach Außen arbeiten. Dann werden Stroh- und Korbgeflechte, Besen, sowie Salbandschuhe| hier verfertigt und meist nach Stuttgart verkauft; Gemüse und Obst geht ebendahin.

Eine Mühle mit zwei Mahl- und einem Gerbgang, die jedoch wegen Mangels an Wasser einen großen Theil des Jahres still steht, liegt unterhalb des Ortes an der Schaich; drei Schildwirthschaften und vier Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse gehören nicht zu den günstigen; ein Drittheil der Bürger hat fast gar keinen Grundbesitz und lebt von Taglohnarbeiten; der begütertste Bürger besitzt 32, der Mittelmann 4–9 Morgen Feld; ziemlich viele, hiesigen Ortsbürgern gehörige Güterstücke liegen auf den Markungen von Weil im Schönbuch und Waldenbuch.

Die ausgedehnte, zum größeren Theil mit Wald bestockte Markung ist, soweit sie für den Feldbau benützt wird, mit Ausnahme der auf der Anhöhe gelegenen Güter ziemlich uneben und bildet die mehr oder weniger geneigten Abhänge des Schaichthals.

Der Boden ist im allgemeinen unergiebig und besteht an den Gehängen meist aus den Zersetzungen des Stubensandsteins, dem eine mäßige Mischung mit Lehm zukommt und der in ganz unbedeutender Tiefe von dem nicht selten an die Oberfläche tretenden Stubensandstein unterlagert wird. Auf der Anhöhe herrscht Lehm vor, dem in geringer Tiefe der Liaskalk folgt, wodurch ein sogenannter naßkalter Boden entsteht. Wegen der ziemlich hohen Lage und der nahen weitgedehnten Waldungen ist das Klima etwas rauh, die Nächte sind auch im Sommer kühl und Frühlingsfröste wie auch kalte Nebel schaden häufig der Obstblüthe und feineren Gewächsen, sogar der Roggen hat schon Noth gelitten. Hagelschlag kommt zuweilen vor.

Unter diesen ungünstigen natürlichen Verhältnissen kann sich der landwirthschaftliche Betrieb, trotz dem Fleiße der Einwohner, nicht so heben wie in günstiger gelegenen Gegenden. Man baut hauptsächlich Dinkel und Haber und in der Brache sehr viel Kartoffeln, deren Anbau am lohnendsten ist, außer diesen werden Futterkräuter, Rüben, Kohlraben, Angersen und ziemlich viel Flachs gebaut; letzterer wird häufig verarbeitet und entweder als Garn oder als Tuch nach Stuttgart und Tübingen abgesetzt. Das Getreideerzeugniß reicht für das Bedürfniß der Einwohner nicht, daher noch vieles von außen bezogen werden muß.

Der Wiesenbau ist ziemlich ausgedehnt, das erzeugte Futter aber wegen des meist trockenen mageren Bodens gering und leicht; einzelne| Wiesen erzeugen saures Futter. Etwa 3/4 der Wiesen sind zweimähdig, die übrigen einmähdig. Futter wird viel zugekauft.

Früher wurde an der vorderen und hinteren Weinberghalde Weinbau getrieben, der längst abgegangen ist.

Die ausgedehnte Obstzucht beschäftigt sich vorzugsweise mit Luiken, Fleinern, Knausbirnen, Bratbirnen und Zwetschgen; das Obst gedeiht gerne und wird in günstigen Jahrgängen in ziemlicher Menge besonders nach Tübingen und Böblingen abgesetzt.

Die Gemeinde besitzt nur 12 Morgen schlecht bestockte Waldungen, deren Ertrag nicht einmal die Kulturkosten deckt; dagegen hält sie an ihrem alten Schönbuchsrecht, nach welchem jeder Ortseinwohner mit seiner Familie alle 14 Tage (früher alle 8 Tage) dürres Holz in den Staatswaldungen sammeln darf, mit beispielloser Zähigkeit fest, obgleich alle andern schönbuchsberechtigten Gemeinden längst ihre Schönbuchsrechte gegen Waldbesitz abgelöst haben.

Eigentliche Weiden sind 22 Morgen vorhanden; sie werden nebst der Brach- und Stoppelweide an einen fremden Schäfer, der im Vorsommer 140, im Spätjahr 200 Stück Schafe laufen läßt, um 140 fl. jährlich verpachtet und überdieß trägt die Pferchnutzung 300 fl. der Gemeindekasse ein.

Wegen des geringen Wiesenertrags ist die Rindviehzucht nicht beträchtlich; man hält meist Neckar- und Allgäuerrace und hat zur Nachzucht zwei Farren (einen vom Simmenthaler- und einen vom Neckarschlag) aufgestellt.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht; die Ferkel werden von außen bezogen und ein kleiner Theil gemästet wieder verkauft.

An Geflügel werden namentlich viel Gänse und Enten gezogen, die häufig nach Stuttgart und Tübingen zum Verkauf kommen.

Die Schaich führt Krebse, die nach Stuttgart und Tübingen verkauft werden.

Das Stiftungsvermögen besteht gegenwärtig in 4441 fl., aus deren Zinsen die Ortsarmen Unterstützung erhalten.

Über den südlichen Theil der Markung führt unter dem Namen „Hochsträß“ ein alter Römerweg, der von Böblingen her nach Schlaitdorf u. s. w. seinen Zug hatte.

Nach der Sage soll auf den Tannenäckern eine Stadt gestanden sein.

Dettenhausen war ursprünglich gräflich tübingisch; schon in frühen Zeiten hatten Antheil die Grafen von Berg an der Donau, welche auch sonst in der Nachbarschaft, in Mittelstadt etc. als Mitbesitzer auftreten. Graf Eberhard von Berg vergabte um 1100 all| sein Recht in Dettenhausen (den jährlichen Bezug von 1000 Käsen, 4 Schweinen, 2 Ochsen u. s. w.) an das Kloster Hirschau (Cod. Hirs. 29 a), welches in der Folgezeit den Ort sein Eigenthum nennen konnte (oppidium Tettenhusen, nostro monasterio proprietatis titulo pertinens, um 1298. Mone Zeitschr. 14, 455). Die Vogtei blieb bei den Grafen von Tübingen, bis am 28. April 1298 Graf Eberhard von Tübingen, sein Vogtrecht und die damit verbundenen Einkünfte, Dienstbarkeiten und alle ihm und seinen Vorfahren zu Dettenhausen zustehenden Rechte und Gerechtsame an das Kloster Bebenhausen um 80 Pf. H. verkaufte, wogegen aber für die Einwohner von Dettenhausen die bisher genossenen Beholzungs- und Weidrechte im Schönbuch auch fernerhin ungeschmälert bleiben sollten. Das Kloster Hirschau gab – vorbehältlich seines hiesigen Eigenthumsrechts – die Zustimmung zu diesem Verkauf, indem es zugleich die jährlich von seinen hiesigen Leuten zu zahlende Vogtgebühr festsetzte; Graf Rudolf von Tübingen, Bruder des Grafen Eberhard, bestätigte denselben am 21. April 1299 unter Verzichtung auf alle eigenen Ansprüche. (Schmid, Urk. 68–70; Mone a. a. O. 14, 454 bis 456, 460.) Späterhin tritt der hiesige Kloster Hirschauer Besitz immer mehr zurück; doch konnte dieses Kloster noch am 23. Dec. 1455 hiesige Gülten an Württemberg austauschen.

Auf unbekannte Weise war in der Mitte des 14. Jahrhunderts ein Haupttheil von Dettenhausen an den Herzog Reinold von Urslingen gelangt. Dieser Herzog verkaufte solchen nebst Waldenbuch etc. am 14. Sept. 1363 an die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg. Der Ort kam zum Oberamt Böblingen, bei welchem er bis 1811 verblieb.

Ursprünglich Filial von Weil im Schönbuch erhielt Dettenhausen erst 1798 einen eigenen Pfarrer.


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