« Kapitel B 20 Beschreibung des Oberamts Nürtingen Kapitel B 22 »
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21. Neuffen,

Stadt, Gemeinde II. Cl. nebst dem Jushof und 2 einzelnen Häusern mit 1940 evang. und 3 kathol. Einw. (letztere Filialisten von Unter-Boihingen), 23/8 St. südlich von Nürtingen an der Steinach, Sitz des Cameralamts, eines Amtsnotariats, eines Distrikts- und eines praktischen Arztes (Forstamts Urach).

Von zwei, aus der Alpwand heraustretenden Vorsprüngen, deren einer die stolzen Ruinen der Bergveste Hohen-Neuffen trägt, der andere, ein schmaler, langhingestreckter Grat, in der breiten Masse des Klausen- oder Jusi-Bergs endigt, und von dem flachen | Rücken, in welchen diese Vorgebirge an ihrem Fuß auslaufen, wird ein Kessel gebildet, in dessen Grund das Städtchen Neuffen von Wein- und Obst-Gärten umgeben, freundlich, aber ziemlich versteckt liegt. In diesem Thalkessel rinnt die Steinach aus mehreren Quellbächen, dem Dürrenbach, Bauerlochbach etc. zusammen. Der Boden ist für Getreidebau auf der erhöhten Fläche gegen Kohlberg hin fruchtbar, sonst ziemlich flachgründig und nur durch den sehr fleißigen Anbau zu dankbarer Ergiebigkeit gebracht. Die Hauptprodukte sind Wein,[1] Obst, Hanf, auch guter Wieswachs und Futterkräuter. Brodfrüchte werden kaum für das eigene Bedürfniß hinreichend erzeugt. Die Ackerpreise stehen auf 60–250–500 fl., die Wiesenpreise auf 100–275–600 fl. Der Weinbau ist hier am wichtigsten und ausgedehntesten im Oberamt. Die meisten Weingärten liegen am Fuß des Festungsbergs. Nach hiesigem Brauch enge (mit 4000 St. pr. Mrg.) und fast ausschließlich mit Sylvanern bestockt, liefern sie in guten Jahren auf den Morgen 8–12 Eimer eines Gewächses, das im günstigen Fall mit 40 bis 44 fl., bisweilen noch höher bezahlt wird. In sehr trockenen Jahrgängen, wie z. B. 1834, wo bisweilen Strichregen an der Alptraufe hin die Reben erfrischten, hat das hiesige Erzeugniß von Kennern den Vorzug selbst vor den beliebten Weinen des Remsthals erhalten, und wurde in größere Entfernung, namentlich nach Stuttgart abgesetzt. In gewöhnlichen Jahren findet es seine Abnehmer hauptsächlich in Urach und auf der Alp. Es ist nicht zu verkennen, daß durch zweckmäßigere Bestockung der hiesige Wein, der früher nicht im besten Ruf stand, sehr gewonnen hat. Ein Morgen Weinberg kommt auf 450–600 fl. zu stehen, doch gibt es auch geringe zu höchstens 320 fl. Die gegen rauhe Winde und Frühlingsfröste ziemlich geschützte Lage begünstigt die Obstzucht, die hier sehr fleißig cultivirt wird. Besonders werden Kirschen in Menge gewonnen, und Kirschengeist zum auswärtigen Verkauf bereitet.[2] Nußbäume sind auf den Allmanden in großer Zahl gepflanzt worden. Die Rindviehzucht ist von mittlerm Belang, die Schafzucht nicht unbeträchtlich. Die Wäsche, welche viele Schafhalter mit ihren Alpheerden hier vornehmen lassen (s. oben S. 77) beschäftigt im Frühsommer viele Hände. | Was die Bevölkerungsverhältnisse betrifft, so war die Zahl der Angehörigen am 3. Decbr. 1846 1943, und zwar 943 männliche und 1000 weibliche. Am 1. Nov. 1832 bestand dieselbe aus 915 männliche, 951 weiblichen, zusammen aus 1866 Seelen. Ortsanwesende wurden gezählt am 3. Dec. 1846, 851 männliche, 943 weibliche, zusammen 1794. – Die Anzahl der Familien belief sich 1832 auf 410; 1843 auf 467; 1846 auf 421. Die Zahl der Ehen war 1846 276. Es kamen also auf 1 Ehe 7, auf 1 Familie 4,6 Angehörige. Geboren wurden, nach dem Durchschnitt der 10 Jahre von 1832–42 jährlich 90,7. Es kommen daher auf 1000 Einwohner 46,6 Geburten oder 1 Geburt auf 21,4 Einw., unter 100 Gebornen waren 9,9 uneheliche, oder die unehelichen verhalten sich zu den ehelich gebornen wie 1 : 9,1. Gestorben sind nach dem genannten Durchschnitt jährlich 69,5 oder von 1000 Einwohnern 35,7 (1 Sterbfall auf 28,0 Lebende). Auf 100 Sterbfälle kommen 131 Geburten und während der 10 Jahre von 1832–42 hatte die angehörige Bevölkerung zugenommen, durch den Überschuß der Gebornen über die Gestorbenen um 212 (113 männliche, 99 weibliche). Dagegen abgenommen durch den Überschuß der Ausgewanderten über die Eingewanderten um 36 (36 männliche), im Ganzen also zugenommen um 176 (77 männl., 99 weibl.).

Über sechzigjährige waren im J. 1846 vorhanden: 170 oder auf 1000 Einw. 88.

Der Wohlstand der arbeitsamen und ordnungsliebenden Einwohner ist nur mittelmäßig. Es fehlt dem Städtchen bei seiner abgeschiedenen Lage an Verkehr und Gelegenheit zum Verdienst, die in frühern Zeiten wenigstens die Festung und der Amtssitz in etwas größerm Maße dargeboten hatten. Zu wünschen wäre, daß die jetzt in guten Stand gesetzte Straße auf die Alp nach Böhringen, als der nächste Weg von Stuttgart nach Blaubeuren, mehr benutzt würde. Die Auffahrt auf die Alp ist hier weit bequemer als mittels der Guttenberger Steig. Der Gewerbebetrieb ist für ein Städtchen unerheblich; am stärksten besetzt ist die Weberei; sie wird jedoch nur als Lohnarbeit und größtentheils gesellenweise für Fabrikanten, in Neuffen selbst, Kirchheim und Nürtingen betrieben und beschäftigt 55–60 Stühle. Es bestehen 1 Apotheke, 4 Handlungen mit Specerei- und etwas Ellen-Waaren, 3 Mahlmühlen, 1 Säg- und Öl-Mühle, 5 Schildwirthschaften und 1 Bierbrauerei. Die Vieh- und Kram-Märkte, welche alljährlich dreimal, im März, Juni und November abgehalten werden, sind wenig besucht. Wochenmärkte bestehen nicht.

Die Stadtgemeinde ist im Besitz eines ansehnlichen Waldes (858 Mrg. Laubwald, darunter schöne Eichen) und einer guten | Schafweide, die etwa 1000 fl. Pacht abwirft. Das Vermögen der Stiftungspflege beträgt 5800 fl. Besondere Stiftungen sind: 908 fl. für Armenbrod, 588 fl. für arme Schüler, 205 fl. für arme Kranke und Kinder. Auch bestehen zwei Armenhäuser. Den großen und Wein-Zehnten bezieht der Staat, den kleinen (mit Ausnahme der sogenannten Pfründgüter, welche dem Staat zehnten) die Stadtpfarrei; Heu- und Öhmd-Zehnten wird in Folge eines alten Vertrags nicht erhoben. Die Reallasten (zum größten Theil gegen den Staat, die Communkasse und örtliche Stiftungspflege) sind namhaft.

Das Wappen der Stadt, welches sich nur durch seine Farben von dem der Herren von Neuffen unterscheidet, besteht in drei schwarzen Hifthörnern mit schwarzen Bändern, übereinander, in goldnem Felde.

Neuffen hat weder Mauern noch Thore mehr und ist besonders in seinen beiden Vorstädten von dorfmäßigem Aussehen; doch fehlt es nicht an einer ziemlich geraden Hauptstraße und einigen hübschen Privathäusern. Die Steinach, über welche eine steinerne Brücke bei der obern Vorstadt führt, fließt durch diese, dann an der Südseite des Städtchens vorüber und durch die untere Vorstadt. Die Pfarrkirche (zum heil. Martin, Bischof) in der Mitte der Ostseite der Stadt, scheint aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu seyn; sie ist dreischiffig, münsterartig gebaut, mit schmalem Mittelschiff und hat einen schönen und hohen Chor. Die Südseite des Mittelschiffs ist nach der großen Beschädigung der Kirche durch Feuer 1634 nur aus Holz wieder hergestellt worden. Das Innere ist hell und geräumig; sie hat ein neues Orgelwerk von Walker. Auch finden sich einige Monumente der Schillinge von Canstatt, deren einer Heinrich mit seiner Ehefrau Agnes 1351 die St. Johannis-Altarpfründe stiftete.[3] Vor der Kirche rechts vom Eingang ist ein in feinem Sandstein ausgeführter Ölberg angebracht, mit der Inschrift zur Seite: Oberlin Schech 1504. Das gut gearbeitete Werk hat sehr viel vom Muthwillen gelitten. Die Baulast an der Kirche hat der Heilige und subsidiär die Stadtpflege. Im Jahr 1446 wurde in der Pfarrkirche zu Neuffen ein Amt und Messe dem Fronleichnam zu Ehren gestiftet und von Graf Ulrich bestätigt. (Sattler Grafen IV., 63. | Beil. Nro. 33.) Im Jahr 1487 stiftete Dorothea Würflin, Bürgerin zu Neuffen, eine Caplaneipfründe, deren Besitzer jährlich 15 Predigten halten sollten (Cleß C. 481). Der Begräbnißplatz ist längst außerhalb der Stadt, links vom Weg nach Linsenhofen. – An der Kirche stand außer dem Stadtpfarrer, der zugleich Dekan einer eigenen Diöcese war, ein Diaconus. 1826 aber wurde die Diöcese mit der von Nürtingen vereinigt und das Diaconat aufgehoben. Das Stadtpfarreigebäude, der Kirche südlich gegenüber, hat der Staat zu unterhalten.

Das Cameralamtsgebäude (früher Amthaus), an der Westseite der Stadt war das Schlößchen der Jäger von Gärtringen (seit 1590), und kam nebst einem hiezugehörigen Freigut später an die Familie von Schwarz. Im Jahr 1745 verkauften diesen Besitz des verstorbenen Bundespräsidenten und Burgermeisters zu Chur, Otto von Schwarz, hinterlassene Erben um 1058 fl. 45 kr. an die Herrschaft Württemberg.

Das Rathhaus, ein älteres ganz gewöhnliches Gebäude, steht an der Hauptstraße.

Von Schulanstalten bestehen: eine Realschule in einem besondern Haus; eine Volksschule mit 2 Lehrern und 2 Lehrgehülfen, in einem 1834 auf Kosten der Gemeinde mit einem Aufwand von 7000 fl. erweiterten und ganz neu eingerichteten schönen Gebäude; eine Industrieschule (Strickschule) für Mädchen.

Die geselligen Vergnügungen der Bewohner verschönert ein Liederkranz.

Der Jushof ist ein ziemlich arrondirtes Hofgut von circa 100 Morgen in schöner freier Lage am Fuß des Jusiberges, 1/2 Stunde westlich von der Stadt, mit einem hübschen Wohnhaus und Wirthschaftsgebäude, 1838 hinausgebaut. Dabei befinden sich schöne Obstanlagen.

Eine Felshöhle mit Tropfsteinen, das Bauernloch genannt, in welche man gegen 200 Schritte weit eindringen kann, befindet sich oberhalb des Bauernlochbaches (s. oben). – Der Heerweg oder das Hochsträß von Metzingen her (s. oben) zieht eine kleine Viertelstunde nördlich an Neuffen vorüber. – Der auf hiesiger Markung betriebenen Bohrversuche auf Steinkohlen ist oben S. 24 gedacht worden.

Ein guter Bergweg führt nach Dettingen und Urach über den oben genannten Gebirgsast da, wo dieser von einer sanften Einsenkung den Namen Sattelbogen trägt. Es breitet sich von diesem Kamm nach allen Seiten eine herrliche Ansicht aus. In der Nähe war eine Capelle des heil. Theodor, daher die Kuppe, worauf sie stand, noch jetzt flurbüchlich den Namen St. | Theodorsbuckel führt. Spuren von abgegangenen Höfen und Wohnstätten trifft man auf der Markung hier und da an.[4] Aber der merkwürdigste Überrest aus der Vergangenheit sind die Trümmer der Veste

Hohen-Neuffen,
die großartigste und emporragendste aller der Burgruinen, welche in weiter Ferne sichtbar den Alpkranz schmücken. Je näher man zu ihr herantritt, desto mehr findet man die Bemerkung begründet, daß die auf den gewaltigen Fels aufgesetzten zackigen Mauern mit ihren weiten Thoren und hohlen Fensteröffnungen, die mächtigen Thürme von dem Zahn der Zeit benagt, oder mit Gewalt halb niedergeworfen, eine malerischere und bei weitem ergreifendere Wirkung machen, als ehemals die verwahrloste Festung gemacht haben mochte, die mit einigen Invaliden bemannt, unter einer elenden, dem Einsturz drohenden Bedachung nothdürftig ihr Daseyn fristete.[5] Auch diese Trümmer drohten nach und nach zu verschwinden, da aus der Nachbarschaft die Steine des gelockerten Gemäuers in Menge geholt wurden, auch der Muthwillen manchen Frevel verübte. Um so rühmenswerther ist das Verdienst des Herrn Kreisforstraths Grafen von Mandelslohe, der als Oberförster von Urach die Aufmerksamkeit der höchsten Behörden diesem Denkmal der Vorzeit durch seine eifrige Fürsprache zuwendet, so daß freventlicher Antastung durch Steinbrecher etc. obrigkeitlich gesteuert, die schönsten Punkte der Ruinen, die früher nur mit großer Gefahr besucht werden konnten, zugänglich gemacht, die Wege gereinigt und mit Stegen und Schranken versehen worden sind. Der Weg von Neuffen auf diesen Bergkegel, der durch eine künstlich vertiefte Einsattelung von der Gebirgsmasse getrennt ist, führt ostwärts, dann nordwestlich steil hinan und beträgt bis zum | untern Festungsthor 5/8 Stunden. Wir überheben uns einer Beschreibung der einzelnen Theile, deren Bestimmung theilweise noch wohl erkannt werden kann, der bedeckten Gänge, der Kasematten des Zeughauses (das ehemals als besonders merkwürdig gerühmt wurde), der Gefängnisse (unter welchen noch jetzt der Kerker des Juden Süß gezeigt wird) etc. und machen nur auf einen, südöstlich gegen die Alp gekehrten Thurm aufmerksam, der ovalrund, durch Bauart und Aussehen von den übrigen Bauwerken der Festung sich auffallend unterscheidet und älter zu seyn scheint. Er ist zierlicher und sorgfältiger aufgeführt und mit Verputz überzogen, während das übrige Gemäuer die nackten Bausteine zeigt. Unter den Standpunkten, die eine unvergleichliche Aussicht über alles Land hinweg bis nach dem Odenwald und Schwarzwald gewähren, empfehlen wir besonders das ehemalige Commandantengärtchen.

Die völlige Ausrüstung einer Festung gaben der Burg die Herzoge Ulrich und Christoph; noch Herzog Karl Alexander hatte durch den Ingenieur Herbort eine neue Befestigung unternommen. Im Jahr 1802 sind die Festungswerke abgetragen worden. Der letzte Commandant war ein Freiherr von Stetten. Der Raum der ehemaligen Festung ist Staatsdomäne und die Grasplätze an und innerhalb derselben sind seit 1843 um jährlich 60 fl. an die Inhaber des Fohlenhofs zur Schafweide verliehen worden.


Geschichtliches über Neuffen überhaupt.

Der am frühesten genannte Schultheiß von Neuffen ist Albertus scultetus de Nifen in einer Archivalurkunde von 1284 August 31. Eine in Neuffen angesessene Adelsfamilie waren die Schillinge, späterhin zugenannt von Canstatt; im Jahr 1353 erscheint Heinrich Schilling Edelknecht der Herrschaft Neuffen (württ. Archivalurk.).

Von den Herren von Neuffen (s. hienach) kam die Stadt und Gebiet im Jahr 1284 an Konrad von Weinsberg und von diesem im Jahr 1301 an Württemberg (vergl. weiter unten). In der Bedrängniß, in welche Graf Eberhard der Erlauchte im Jahr 1312 gerieth, ging er auch der Stadt Neuffen, welche sich an Eßlingen und das Reich ergab, auf ein paar Jahre verlustig (Capitulation der Stadt Neuffen von 1312 Juli 31. bei Sattler Grafen I. Beil. Nro. 44), während jedoch die Burg Neuffen in württembergischen Händen verblieb.

Im Jahr 1361 December 3. bei der Theilung zwischen den Grafen Eberhard dem Greiner und Ulrich Gebrüdern fiel jenem unter anderem Neuffen zu (Sattler Grafen I. 180); als die Brüder die Lande wieder zusammen warfen, ersah sich Ulrich die Burg | und Stadt Neuffen zum Sitze aus und erhielt sie mit der Bedingung, daß er niemand einlasse, welcher der Herrschaft Württemberg widerwärtig wäre. Bereits im Jahr 1363 trat sie Ulrich wieder an seinen Bruder ab, erhielt sie jedoch abermals im Jahr 1365 Juni 5. mit Zainingen und Beuren (Sattler Grafen I. 196), starb aber schon im Jahr 1366 ohne Leibeserben (Steinhofer II., 349). Eine spätere Landestheilung, wodurch die Neuffener Linie entstand (1441–1482), ist bereits oben im allgemeinen Theile, VII. 1, erwähnt.

Im Jahr 1449 zogen die Gmünder verheerend vor Neuffen, bei einem Ausfall wurden 34 getödtet, 65 zu Gefangenen gemacht (Gabelk.). Im Jahr 1465 Juni 3. wurde Elisabeth, Gemahlin Graf Eberhards des jüngern, mit ihrer Morgengabe auf Neuffen, Nürtingen und Grötzingen versichert, was 1483 Graf Eberhard im Bart wiederholte.[6] Die Pest wüthete allhier im Jahr 1610 dergestalt, daß gegen 500 Menschen starben und innerhalb 6 Wochen nur noch ein einziges Ehepaar lebte. Nach der Nördlinger Schlacht wurde die Veste Hohenneuffen, welche Philipp Schnurm commandirte, von den Kaiserlichen, welche sich in die Stadt Neuffen gelegt hatten, eingeschlossen und denselben am 22. November (2. December) 1635 übergeben (v. Martens 383); erst am 18. (28.) Februar 1639 erfolgte die Rückgabe an den Herzog Eberhard von Württemberg.

Nach dem Kellereilagerbuch von 1526 waren in der Pfarrkirche außer der Pfarrei und der St. Johanniscaplanei, welche die Schilling zu vergeben hatten, 5 Caplaneien, deren Besetzung Württemberg zustand. Als Vorstädte werden Uffhofen mit der obern und Niederhofen mit der untern Mühle genannt. – 1420 wird die Grafschaft Neuffen von Seiten Württembergs als ein Reichslehen bezeichnet (Steinhofer II. 706), die Schilling waren in der Stadt mindestens seit 1284 angesessen. Rüdiger von Breitenstein nennt sich 1384 Bürger von Neuffen; 1433 ist Herr Hermann von Sachsenheim hier gesessen. Ritter Heinrich von Hörningen hat 1320 und Conrad Schwenzlin von Hofen 1427 hiesige Güter. Das Städtlein soll 1232 ummauert worden seyn (Steinhofer II. 130). Im Jahr 1634 (während der oben erwähnten Belagerung), wurde die Stadt mit einem Theile der Kirche von den feindlichen Völkern abgebrannt; nur die zwei adeligen Häuser (wovon eines den Schilling gehörte) und ein Theil der Vorstädte blieben verschont. Der | Gottesdienst wurde in einem Saale des Schlosses gehalten, der Special hielt sich mehrere Jahre in Nürtingen auf, und erst 1639 wurde wieder ein Schulmeister bestellt.


Die Herren von Neuffen.

Der älteste bekannte Herr von Neuffen ist Graf Mangold von Sulmetingen (OA. Biberach), welcher mit seiner Gemahlin Machtild, geb. Gräfin von Urach, um 1100 lebte; wenigstens waren die Zwiefalter Chronisten, welche in den 1130ger Jahren schrieben, Zeitgenossen ihrer Kinder, Egino Grafen von Sulmetingen, Ulrich Mönchs in Zwiefalten und Machtild Nonne in demselben Kloster.

Nach einem Zwischenraum, welchen ein einziges Glied ausfüllen würde, folgt auf diese Grafen von Sulmetingen, welche zugleich Herren von Neuffen waren, mit dem Jahr 1198 die ununterbrochene Stammreihe der einfach sich so nennenden Herren[7] von Neuffen. Unter König Philipp und besonders unter König Friedrich II. zeigen sie sich als unzertrennliche Freunde und Kriegsgefährten der Hohenstaufen, zuerst Berthold seit 1198, der durch seine Heirath mit der Erbtochter Graf Adalberts von Achalm seinen Besitz ansehnlich erweitert haben mochte und von König Philipp die Propstei Ursperg verpfändet erhielt, welche jedoch, gegen Erlegung von 200 Mark Silber, sich von diesem ihr sehr unlieben Pfandherrn losmachte. Seit dem Jahr 1207 that sich Heinrich Sohn Bertholds hervor, welcher, wie es scheint durch Heirath, die Herrschaft Winnenden erwarb. Derselbe erhielt im Jahr 1211 von den deutschen Reichsfürsten den ehrenden Auftrag, den König Friedrich II. zur deutschen Königswürde einzuladen. In der nächsten Umgebung des ebengenannten Königs erscheint ein zweiter, geistlich gewordener Berthold als erster Cabinetsrath (Protonotar) in Urkunden von 1212–1216; derselbe gelangte im Jahr 1217 zur Würde eines Bischofs von Brixen, als welcher er im Jahr 1224 verschied.

Mit Heinrich war sein Bruder Albert häufig im Hoflager K. Friedrichs II. zwischen 1212–1220 in Deutschland, später leisteten sie theils demselben Heerfahrt in Italien, ja zogen im Jahr 1228, den Bann mit dem Kaiser tragend, nach Palästina, | theils weilten sie in Deutschland bei des Kaisers Sohne, König Heinrich (VII.), welcher namentlich dem Herrn Heinrich von Neuffen wichtige Ausführungen auftrug.

Heinrichs Söhne waren Heinrich und Gottfried; letzterer ist der berühmte Minnesänger.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts theilte sich von dieser Familie die Marstetter Linie ab, durch einen jüngern Berthold, welcher durch seine Heirath mit Juta, Erbtochter Gottfrieds, Graf von Marstetten, die Würde und den Namen eines Grafen von Marstetten erlangte,[8] welche seinen Nachkommen verblieben, von denen der ausgezeichnetste, Berthold, geheimer Rath und Liebling Kaiser Ludwigs IV. des Bayern, im Jahr 1326 auch die Grafschaft Graisbach (links der Donau unterhalb Donauwörth) erlangte. In der Mitte des 14. Jahrhunderts erlosch diese Marstettisch-Graisbacher Linie; noch früher, schon gegen das Ende des 13. Jahrhunderts, war der Mannsstamm bei der Neuffener Linie ausgestorben. In dieser Linie, welche auch im Zabergau Besitzungen hatte (namentlich Güglingen), verkaufte der letzte derselben Berthold (Sohn des zuletztgenannten Heinrich), welcher im Jahr 1284 mit Einstimmung seiner Gemahlin Richinza seinen Antheil an Nürtingen veräußerte, die Hälfte der Grafschaft Neuffen an Konrad von Weinsberg, Gemahl seiner Schwester Liutgart, welcher durch seine Gattin bereits eine Hälfte erhalten hatte. Dieser weinsbergische Besitz war aber von kurzer Dauer; denn schon im Jahr 1301 Januar 21. verkaufte Konrad von Weinsberg mit seinen Söhnen Konrad und Engelhard Burg und Stadt Neuffen an Graf Eberhard den Erlauchten von Württemberg mit Leuten, Gütern und Allem, was zu der Burg, Stadt und Herrschaft Neuffen gehörte, um 7000 Pfd. guter Pfennig Heller Münze (Sattler Grafen I., 48. Beil. Nro. 31).

Als Wappen führte diese Familie drei Hifthörner je mit einem Bande, übereinander, und auf dem Helme zwei dergleichen Hörner, auswärts gekrümmt und die Mundspitzen emporkehrend.[9]

Fußnoten:

  1. Schon im Jahr 1247 kommen vineae in Nifen vor, welche Heinrich von Neuffen an Kloster Söflingen vergabt. Dasselbe Kloster erhielt im Jahr 1278 von Berthold von Neuffen allhier eine Kelter.
  2. In Neuffen und Linsenhofen wurden nach öffentlichen Blättern 1847 36.000 Maas Kirschengeist gewonnen.
  3. Vergl. hiezu und über den im Jahr 1540 u. ff. darüber entstandenen Streit: Geschlechtsbeschreibung derer Familien von Schilling. S. 69. Von einem Schilling trägt noch jetzt eine Stelle auf dem Gebirgskamm des Sattelbogens den Namen „beim Schillings-Kreuz.“
  4. So lag z. B. oberhalb der Stadt ein Hof Winden (vergl. Urkunde Graf Ludwigs von Württemberg v. 1434), welchen die Stadt von Württemberg zu Lehen trug.
  5. Schwab die Neckarseite etc. S. 132. Auch sind anzuführen: L. F. V. A. (Andreä), die Ruinen von Hohen-Neuffen. Neuffen, bei Buchbinder Feßmann, 1837, 8. Imm. Hoch, Hohen-Urach und Hohen-Neuffen und ihre merkwürdigsten Staatsgefangenen, Stuttg. Fritz, 1838, 8. Außerdem ist die Festung so häufig in Reisewerken und sonst beschrieben worden, daß wir uns hier um so mehr auf die wichtigsten geschichtlichen Momente derselben und des alten Geschlechtes, das ihren Namen trug, beschränken und die verschiedenen Geschichtchen übergehen dürfen, welche man sich von Hohen-Neuffen zu erzählen pflegt.
  6. Die Schicksale der Veste Neuffen in den Jahren 1519–1534 s. oben im allg. Theil.
  7. In der Regel (von der es jedoch Ausnahmen gibt) und vor Erwerbung der Grafschaft Marstetten heißen sich die Herren von Neuffen nicht Grafen.
  8. Die Erwerbung dieser Grafschaft gab Stoff zu einer Sage und zu dem bekannten Volkslied: „der Moringer." Vrgl. Stälin Wirtt. Gesch. 2, 576.
  9. Die Wappenfarben werden verschieden angegeben; in der Pariser Minnesänger Hdschr. sind die Hifthörner silbern, die Bänder roth, der Schild blau; in Grünenbergs Wappenbuch (gemalt 1483) Bl. 21 die Hirschhörner golden, die Bänder silbern, der Schild roth; bei Siebmacher II., 7 die Hifthörner silbern, die Bänder golden, der Schild roth.
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