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Schützingen, mit Mühle.
Gemeinde III. Kl. mit 719 Einw., wor. 6 eigener Konf. – Ev. Pfarrdorf. 13/4 Stunden östlich von Maulbronn gelegen.


In dem lieblichen stillen, auf der Sommerseite von rebengrünen, auf der Winterseite von dichtbewaldeten Bergen begrenzten Wiesenthale der Metter liegt lang hingestreckt der von Obstbäumen beschattete Ort, und zwar so, daß seine Häuser zu Seiten einer einzigen breiten, gutgehaltenen Straße stehen, ausgenommen der am Westende liegenden sog. Vorstadt, einer Gruppe von etwa zehn Gebäuden. Es sind meist ansehnliche, alterthümliche, aus starkem, oft geschnitztem Balkenwerk gezimmerte Bauernhäuser. Am Westeingange des Dorfes erhebt sich eine ehrwürdige Linde, unweit davon die hübsche, hochgelegene Kirche, und dieß zusammen mit dem Dorf und der freundlichen Umgebung gibt ein gar trauliches Bild. Dazu weht eine milde und doch frische und balsamische Luft durch das schöne, abgeschiedene Thal, in dem sich die muntere Metter an üppigem Erlen- und Weidengebüsch und an hohen schlanken Pappeln hinabschlängelt.

Die dem heiligen Ulrich geweihte Kirche liegt etwas erhöht rechts an der Straße nach Gündelbach, im alten hochummauerten Friedhof, in den ein malerisches, von altem Birnbaume beschattetes Spitzbogen-Portal führt. Die Kirche selbst ist in ihren Haupttheilen noch alt, hat gegen Osten einen den Chor vertretenden Thurm mit frühgothischen Spitzbogenfenstern; die Wände des Schiffes sind sehr dick und zeigen auch noch einige, der Maßwerke jedoch beraubte, gothische Fenster. Das 1860 von Oberbaurath Leins ansprechend erneuerte Innere wird im Schiff von einfachem hölzernem Tonnengewölbe überdeckt, der Triumphbogen ist spitz, das untere Geschoß des Thurmes von alten Rippenkreuzgewölben überspannt, deßgleichen die nördlich daran stoßende Sakristei. An einem Holzpfeiler der Kirche steht 1559 und 1601. Außen an der Nordseite des Schiffes ist | ein alter Kopf und eine große steinerne Grabplatte eingemauert mit dem Bildnisse des Verstorbenen und der Umschrift: Anno domini 1490 decimo quinto die mensis maii Obiit honorabilis dominus Johannes wechter p. missarius in schuezingen. cuius anima requiescat in pace. amen. Auf dem mit vierseitigem Zeltdache bekrönten Thurm hängen drei Glocken, die größte mit der Umschrift: Osianna. heis. ich. unser. frawen. er. leut. ich. bernhart. lachaman. gos. mich. 1505. Auf der zweiten Glocke steht: Gegossen von C. C. Neubert in Ludwigsburg. Anno 1811. Auf der dritten: Gegossen von C. C. Neubert in Ludwigsburg. Anno 1818. Die Baulast der Kirche ruht auf der Stiftungspflege, und wenn diese nicht zureicht, auf der Gemeindepflege. Der Begräbnißplatz wurde im Jahr 1602 auf einer Anhöhe westlich vom Ort angelegt.

Das schöne zweistockige, bei der Kirche stehende Pfarrhaus wird vom Staat unterhalten; die Zeit seiner Erbauung ist unbekannt. Das 1845 erbaute zweistockige Schulhaus enthält zwei Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Das alterthümliche, mit schönem Balkenwerk errichtete Rathhaus trägt die Jahreszahl 1575, ohne Zweifel das Jahr seiner Erbauung. Eine Kelter mit Presse und drei Bäumen ist vorhanden.

Gutes Trinkwasser liefern stets hinreichend vier Pumpbrunnen; das Wasser ist frisch und angenehm zum Trinken, doch ziemlich hart und kalkhaltig; auch die Markung ist mit guten Quellen reichlich versehen; von Bächen fließt die Metter darüber. Hungerbrunnen kommen einige vor; früher lag südlich vom Ort ein kleiner Weiher, dessen Grund jetzt zu Wald benützt wird.

Die Vicinalstraße von Maulbronn nach Bietigheim führt durch den Ort. Vier steinerne Brücken, drei steinerne und drei hölzerne Stege gehen über die Metter; sie sind sämtlich von der Gemeinde zu unterhalten.

Die im allgemeinen geordneten und fleißigen Einwohner sind körperlich nicht besonders ansehnlich, wie denn auch der Kretinismus und der Kropf nicht zu den Seltenheiten gehören; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht, Wein- und Obstbau; der Gewerbebetrieb ist nicht von Bedeutung. Eine Mahlmühle mit drei Gängen, drei Schildwirthschaften, ein Kauf- und ein Kramladen sind vorhanden.

Die Vermögensverhältnisse der Einwohner gehören zu den mittleren, jedoch haben so ziemlich alle ihr Auskommen und keiner bedarf gegenwärtig der öffentlichen Unterstützung; der begütertste Bürger besitzt 40, der Mittelmann 12–15, die ärmere Klasse 3 Morgen Feld.

Nach dem 30jährigen Krieg war der Ort bis auf einen Bürger entvölkert und sodann größtentheils durch Soldaten aus Niederösterreich | etc. wieder bevölkert worden; sie sind im Ortslagerbuch von 1634 an aufgezählt und unter ihnen kommt auch ein Thomas Bendel, gebürtig aus dem Städtchen Neustadt in Schlesien vor, von dem angeführt ist: „hat letztmals auf der Vöstung Hohentwiel unter Oberst Wiederholden gedient und als ein Musquetierer seinen Abschied erhalten; schon in der Jugend in den Krieg kommen.“

Die ziemlich große Markung, von der jedoch ein namhafter Theil mit Wald bestockt ist, hat, soweit sie für den Feldbau benützt wird, eine flachwellige, theilweise hügelige Lage und einen mittelfruchtbaren, etwas hitzigen Boden, der meist aus den Zersetzungen des Keuperwerksteins besteht, von dem er öfters in geringer Tiefe unterlagert wird; gegen die Thalabhänge hin wird der Boden schwer und geht allmählig in die mittleren Keupermergel über, auf denen an den südlich geneigten Abhängen Weinbau getrieben wird.

Das Klima ist mild und erlaubt den Anbau feinerer Gewächse wie auch der Rebe. Die Gegend ist vor rauhen Winden geschützt und nicht häufig von Frühlingsfrösten heimgesucht. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

Die Landwirthschaft hat sich mit Anwendung des Brabanter- und Suppingerpflugs in den letzten 20 Jahren sichtlich gehoben; man baut von den Cerealien vorzugsweise Dinkel, Haber und Einkorn, weniger Gerste, Weizen und Roggen, außer diesen Kartoffeln, viel Futterkräuter (dreiblättrigen Klee, Luzerne, Esparsette), Angersen, Kraut und Hanf. Von den Getreidefrüchten können in günstigen Jahren 200 Scheffel Dinkel und 500 Scheffel Haber nach außen verkauft werden.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert ein gutes, nahrhaftes Futter, von dem ziemlich viel nach außen abgesetzt wird.

Weinbau wird auf 180 Morgen betrieben, von denen etwa 130 Morgen in gewöhnlicher Weise bestockt sind; auf den Morgen rechnet man 2400 Stöcke und zwar meist Elblinge, Silvaner, Drollinger, weniger Tokayer, Klevner, Rißlinge und Portugieser. Der Wein hat einen guten Ruf und es wurde in den letzten 10 Jahren von 25–70 fl. der Eimer verkauft; der Absatz geht meist in die nächste Umgegend.

Die Obstzucht, welche sich vorzugsweise mit Mostsorten (Luiken, Bratbirnen, Wöhrlesbirnen) und Zwetschgen beschäftigt, wird in ziemlicher Ausdehnung betrieben, jedoch erlaubt sie nur in günstigen Jahren einigen Verkauf nach außen.

An Waldungen (meist Laubhölzer) besitzt die Gemeinde 1252 Morgen, die durchschnittlich 200 Klafter und 22.000 Stück Wellen jährlich ertragen, wovon jeder Bürger etwa 100 Stück Wellen erhält, während das übrige Holz verkauft wird, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 7000 fl. einträgt; weitere Einnahmen | bezieht die Gemeinde aus der Brach- und Stoppelweide nebst der Pferchnutzung mit 600 fl. und aus Allmanden, die theils an Bürger verliehen, theils Unbemittelten unentgeltlich zum Anbau überlassen werden, 10 fl.

Die Rindviehzucht ist in gutem Zustande; man züchtet eine tüchtige Landrace und eine Kreuzung der Simmenthaler- mit der Landrace; 3 Farren (Kreuzung von Simmenthaler- und Landrace) sind aufgestellt. Auf benachbarten Märkten wird einiger Handel mit Vieh getrieben.

Auf der Markung läßt ein Ortsschäfer 300 Bastardschafe laufen.

An besonderen Stiftungen sind vorhanden: eine Brodstiftung, mit deren jährlichen Zinsen von 10 fl. am Johannistag Brod für Arme angeschafft und diesen ausgetheilt wird; ferner eine Stiftung zu Tinte und Papier für die Schule mit 2 fl. 3 kr. jährlich.

Auf dem 1/2 Stunde südwestlich vom Ort gelegenen Burgberg stand auf der äußersten (westlichen) Spitze eine Burg, die Lienzinger Burg genannt, von der noch drei hinter einander laufende tiefe Gräben, welche quer über den schmalen Bergrücken einschneiden, sichtbar sind. Nach der Volkssage soll von dieser Burg bis zu der an der entgegengesetzten Spitze des Bergrückens gelegenen Eselsburg bei Ensingen ein Burgfräulein geistweise hin und her gehen.

In den sog. Hubäckern 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort, unfern des Heuwegs ist man schon auf eine gepflasterte Straße gestoßen.

Zu der Gemeinde gehört eine Mühle, welche 1/4 Stunde unterhalb des Orts an der Metter liegt (s. oben).

Das Hochstift Speier tritt 1023 den Zehnten in Scuzingen an Ritter Albrecht (vielleicht Vorfahr der Herrn von Roßwag) ab (Wirt. Urk.-Buch 1, 255, vgl. Stälin, Wirt. Gesch. 600). Auch 1254 hatte es noch Güter hier (Stälin Wirt. Gesch. 2, 751). – Ein Wernher von Schützingen erscheint 1152 als Zeuge in einer Urkunde Bischof Günthers für Maulbronn (Staatsarch.). 1366 ein Volmar von Schützingen (s. u.) Der Ort gehörte früher vermuthlich zum Reichsgut und kam dann an die Herren von Enzberg, die eine Burg hier hatten (1395 verkauft an Kloster Maulbronn), und von denen wohl auch die hiesigen Besitzungen der Herrn von Remchingen, Heimerdingen, Sternenfels und Wunnenstein herrührten. Aber auch die von Roßwag hatten Güter in Schützingen, welche später von Wirtemberg an das Kloster Maulbronn kamen (s. Illingen), das bis 1413 den ganzen Ort erwarb. 21. April 1343 verkauft Conrad Oberacker von Oberöwisheim dem Kloster Güter und Gülten hier. 27. Juli 1350 vermacht Sitz Rorich dem Kloster seine Güter. 24. April 1366 verkauft Volmar von Schützingen dem Kloster einige Güter hier um eine Fruchtgült. 17. April 1368 verkauft Hans Remchinger von Nußdorf dem Kloster hier Einkünfte, und 23. April | verkaufen ihm Friedrich und Reinhard von Enzberg ihren hiesigen Besitz; 15. Dezember 1369 Conrad, genannt Rumler, von Enzberg Güter und Rechte, 23. Februar 1370 Conrad von Enzberg Güter, Rechte und Leibeigene; 19. November 1372 verkaufen Hans Remchinger und seine Gattin Elsbeth dem Kloster Weinzehnten und Wald hier, und 27. September 1374 derselbe Remchinger Gülten, 10. Juni 1373 Berthold Göler von Enzberg, Edelknecht, Weingült, 13. Dezember 1381 Henel von Sternenfels Gülten und Zinse, 24. Februar 1388 Hans von Heimerdingen Güter, Gülten und Gerechtsame, 8. April 1395 Fürderer von Wunnenstein eine Wiese, 11. September 1395 Albrecht von Enzberg seine Kelter und Theil an der Vogtei, 15. März 1404 Albrecht Abian zu Horrheim eine Mühle, welche bisher Ulrich von Magenheim in Bestand gehabt, 13. Januar 1413 Friedrich von Enzberg Wald.

Es bestand hier eine Pfarrkirche und eine Frühmesserei. Zu ersterer gehörte der Hof Füllmenbach, den Bischof Günther von Speier 1152 dem Kloster Maulbronn mit der Verpflichtung übergab, der Kirche und deren Schirmvogt, Wernher von Roßwag, in jedem Schaltjahre 10 Schillinge zu zahlen. Das Patronatrecht zu derselben schenkt 13. Dezember 1356 Edelknecht Johannes Fürderer von Enzberg nebst dem Walde Gerhardshalde, dem das Patronatrecht von Alters her anklebt, an Kloster Herrenalb, welchem auch das Präsentationsrecht zur Frühmesse blieb; und 17. März 1407 wurde durch Bulle Bonifaz IX. die Kirche dem Kloster incorporirt (Mone Zeitschr. 7, 81). – 17. Oktober 1439 wurde Maulbronn mit Herrenalb wegen eines Neugereuts hier verglichen, und 4. September 1492 zwischen Maulbronn und dem Frühmesser ein Vertrag wegen Gülten erneuert, 16. April 1531 ein Streit zwischen Herrenalb und der Gemeinde wegen der Frühmeßpfründe durch Maulbronn geschlichtet.

1504 wurde der Ort von den Wirtembergern verbrannt.

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