« Kapitel B 16 Beschreibung des Oberamts Biberach Kapitel B 24 »
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3) Des Grafen v. Törring-Gutenzell.

Standesherrschaft Gutenzell.

Die Standesherrschaft Gutenzell besteht aus dem ehemaligen Klostergebiet Gutenzell und liegt theils im Oberamt Biberach (s. Seite 46), theils noch im Oberamt Wiblingen, s. unten. – Der jetzige Besitzer ist der Graf Maximilian Joh. Aug. Baptist, der seinen Sitz in München hat. Das Törring’sche Geschlecht ist ein sehr altes aus Baiern abstammendes Geschlecht, wo es noch begütert ist. Die Standesherrschaft Gutenzell erhielt es für den Verlust der westphälischen Grafschaft Gronsfeld. Die Standesherrschaft steht in unmittelbarer polizeilicher und gerichtlicher Verwaltung, s. S. 48. Die in dem Oberamte Biberach gelegenen Bestandtheile sind:

Die Gemeinde Gutenzell,
bestehend aus 6 Parzellen mit 807 Einwohnern.

1) Gutenzell, Cella bona, in alten Urkunden auch Gotteszell, cella Dei, genannt, ein kathol. Pfarrdorf und ehemaliges Kloster im Roththale, an der Vicinalstraße von Laupheim nach Memmingen, mit 586 Einwohnern, 41/8 Stunden östlich von Biberach, C. A. und F. A. Ochsenhausen. Grund- und Patronatsherr ist Graf Törring, der auch den großen und kleinen Zehenten zu beziehen hat. Gutenzell ist jetzt der Hauptort der gräflichen Standesherrschaft Törring-Gutenzell. Zu der Standesherrschaft gehören die oben Seite 46 aufgezählten und unten besonders genannten Orte mit vielen eigenthümlichen Gütern und Waldungen. Ein Theil der Besitzungen fällt in’s Oberamt Wiblingen. Vermöge Vertrags von 1776 hat die Herrschaft Hürbel auf 300 Jahr das Jagdrecht. Im Übrigen s. unten.

| Der Ort Gutenzell hat gute, meistens zweistöckige aus Backsteinen erbaute Häuser. Kloster, Schloß, Kirche, Pfarrhaus, Jägerhaus, ehemalige Oberamtei und die Ökonomiegebäude mit einer Brauerei und Mühle sind mit einer Mauer umgeben und sämmtlich Eigenthum des Standesherrn. Das gräfliche Schloß ist das ehemalige Gasthaus des Klosters, die Pfarrkirche ist die Klosterkirche. Die Kirche ist 200′ lang und 75′ breit, vielfach verziert und mit einem Hauptaltar und fünf Nebenaltären versehen. Auch befinden sich darin viele Grabmäler, namentlich auch von den Rittern v. Aichen. Die Baulast der Kirche und des Pfarrhauses hat die Grundherrschaft. In die Pfarrei gehören sämmtliche Gemeindeparzellen mit Ausnahme des der Pfarrei Kirchberg zugetheilten Glaserhofs. Der Ort ist Sitz eines gräflichen Rentbeamten und Jägers, einer Schule und Industrieschule, hat eine große Schildwirthschaft, eine gutsherrliche Brauerei, eine Hammerschmiede, eine Mahl-, Säge- und Lohmühle und eine Leinwandbleiche. Das Clima ist rauh und der Boden steinig. In dem Kloster befinden sich noch einige Frauen und Schwestern; sonst war es in der Regel mit 24 Frauen und 12 Schwestern besetzt. Es war eine weibliche Cisterzienser-Reichsabtei mit Sitz und Stimme auf Reichs- und Kreistagen, das von zwei Schwestern aus dem gräflichen Geschlecht der v. Schlüsselberg ums Jahr 1230 gestiftet worden ist. Dieses Geschlecht hatte zwei Schlösser in der Nähe, eines auf dem noch jetzt so genannten Schloßberg, östlich von Gutenzell im dichten Wald liegend, und noch Spuren des ehemaligen Schlosses zeigend, das andere Schlüsselberg, östlich 3/4 Stunden vom anderen entfernt, an der Stelle, wo jetzt der Begräbnißplatz und eine Capelle ist, und noch die Schloßgräben zu sehen sind. Das Schloß Moosbach, zwischen Kirchberg und Balzheim auf Kirchberger Markung, 11/2 Stunden von Gutenzell, von welchem noch Spuren zu bemerken sind, scheint derselben Familie gehört zu haben. [1] Der Prälat von Salmannsweiler | den die Frauen sich zum Visitator und Pater abbas erbeten hatten, gab ihnen bei seiner ersten Visitation 1237 (dieß ist die erste Jahreszahl, welche die Klosterchronik nennt) eine gewisse Mechtildis zur Äbtissin. Unter ihr erhielten die Frauen eine Bulle von Gregor IX. vom Jahr 1238, in welcher er das Kloster Gutenzell (Cella Dei) in seinen besondern Schutz nahm, und für dasselbe die Ordnung des heil. Benedikt festsetzte. 1283 erhielt die Äbtissin Gutta von Kaiser Rudolph von Habsburg das Privilegium, daß der Abtei bis 100 Mark Silbers werth von Reichslehens- und Eigenthumsstücken vermacht und geschenkt werden möge. In dieser Urkunde (zu Ulm VII. Id. Januar ausgestellt) heißt das Kloster Godenzelle, woraus dann Gutenzell, Bona cella, wurde. Von dieser Zeit an meldet die Chronik nichts bis zum Jahr 1369; in diesem Jahr am Palmtag schlug der Blitz ein, und legte das ganze Kloster in Asche, beinahe alle Urkunden verbrannten mit. Zwanzig Jahre nachher erstanden die Klostergebäude wieder, hauptsächlich mit Hülfe der reichen Spenden der Herren v. Aichheim, welche auf ihrem Schloß zu Illeraichheim hausten, und so eigentlich die zweiten Gründer des Klosters wurden. Nachdem auch die Kirche 1390 wieder aufgebaut war, wurde dieselbe mit pfarrlichen Rechten versehen, und ein Caplan dabei angestellt. Im Jahr 1471 machte einer der Caplane eine Stiftung von 900 fl. mit der Bedingung, daß dafür außerhalb des Gotteshauses ein Haus für einen ewigen Laienpriester und Caplan gebaut werde, der auch die Laien außerhalb des Klosters pastoriren solle. Im Jahr 1621 war das Kloster durch den Krieg so heruntergekommen, daß mit der Äbtissin nur noch 10 Klosterfrauen vorhanden waren. Im Jahr 1647 kamen die Schweden von Ulm aus nach Gutenzell, plünderten und legten das Kloster und die Kirche in Asche, nachdem das Kloster schon vorher durch den Krieg sehr heruntergekommen war. Die Äbtissin Barbara Thum v. Neuburg wußte es | dahin zu bringen, daß das Kloster 1650 und nachher noch einmal aus dem Schutte erstand, größtentheils in der Gestalt, in der es noch ist. Die Kirche wurde erst in den Jahren 1755 und 1756 neu hergestellt. Indeß hatte der letzte Caplan aus Mangel an Unterhalt das Kloster 1686 verlassen und seit dieser Zeit folgten Klostergeistliche anfänglich von Salem, dann, nachdem sich das Kloster unter die Paternität des Abts von Kaisersheim begeben hatte, von Kaisersheim, wovon der eine Beichtvater der Klosterfrauen, der andere Pfarrer der Gemeinde war. Das Kloster erholte sich übrigens zusehends wieder und machte manche neue Erwerbungen. Das Klostergebiet umfaßte die Orte Gutenzell, Bollsperg, Dißenhausen, Niederzell, Weidenbühl, Glaserhof und halb Kirchberg, sodann im Oberamt Wiblingen: Huggenlaubach, Mönchhöfe, 1/3 von Achstetten, Antheil an Laubach, einige Höfe und das Patronat zu Burgrieden, einen Theil der Zehenten und Lehen zu Ober-Holzheim. Die hohe Obrigkeit und der Blutbann waren als östreichische Landvogteilehen im Besitze des Klosters Salem,

s. Schemmerberg, sie befanden sich aber im Afterlehensbesitze des Klosters Heggbach, das dafür 1768 an Salem 9000 fl. bezahlt hat. Forst und Jagd waren eine Zugehörung des gräflich Kirchbergischen Glaserforsts, wurden aber mit lehensherrlichem Consens am 13. Juli 1775 mit dem Bezirk Glaserhof an Gutenzell für 22.500 fl. verkauft. In den Verkauf war als eine Zugehörung der Grafschaft Kirchberg auch der Blutbann außerhalb Etters zu Kirchberg an der Iller eingeschlossen.

Das reine Einkommen der Abtei wurde sonst auf 20.000 fl. geschätzt, die Entschädigungs-Commission zu Ochsenhausen berechnete es zu 13.200 fl., die würtembergische Organisations-Commission im Jahr 1806 zu 24.051 fl. Die letzte Äbtissin war Justina, Freiin v. Erolzheim. Durch den Reichsdeputationsschluß von 1803 wurde die Abtei als eine Reichsgrafschaft dem Grafen v. Törring zugetheilt (s. oben) und am 9. Mai d. J. von ihm in Besitz genommen. Durch die rheinische Bundesacte wurde die unmittelbare Grafschaft unter| würtembergische Hoheit gestellt und am 12. Sept. 1806 von dem französischen General Börner dem würtembergischen Commissar Freiherrn v. Maucler übergeben. Nur der Glaserhof kam erst 1810 von Baiern an Würtemberg. Noch im Jahr 1803 wurde eine eigene Säcularpfarrei gegründet und von dem Grafen ein Capital von 10.000 fl. zur Kirchenfabrik gestiftet. Von der vormaligen Landschaftskasse wurden 1821 32.000 fl. Schulden auf den Staat übernommen.

Die weiteren zur Standesherrschaft Gutenzell gehörigen und ihre Verhältnisse durchaus mit Gutenzell theilenden Parzellen sind:

2) Bollsberg, früher auch Pollsperg, kathol. Weiler, 1/2 Stunde südlich von Gutenzell, mit einer Ziegelhütte und 95 Einwohnern.

3) Dißenhausen, kathol. Weiler, 1/4 Stunde östlich von Gutenzell, mit 52 Einwohnern. Die Ziegelhütte ist standesherrliches Falllehen.

4) Glaserhof, 13/8 Stunden nord-östlich von Gutenzell, und ganz von dem Oberamt Wiblingen umschlossen, ein der Grundherrschaft zugehöriges Jägerhaus und Gut mit 10 Einwohnern, Filial von Kirchberg. Das Jägerhaus wurde von den Grafen v. Fugger-Kirchberg zum Schutz des vormals Kirchbergischen Glaserforsts erbaut, s. oben. Nach der Secularisirung von Gutenzell wurde der Glaserhof am 16. April 1803 mit Waldeigenthum, Forst- und Jagdgerechtsamen von Östreich epavisirt, durch einen Vertrag aber mit Törring vom 22. Februar 1805 unter der Bedingung zurückgegeben, daß der Graf den Besitz als ein der östreichischen Landeshoheit völlig unterworfenes Mannlehen anerkenne. Der Hof kam erst 1810 unter würtembergische Hoheit, vermutlich weil er in Balzheimischer Jurisdiction lag.

5) Niedernzell, kathol. Weiler mit 39 Einwohnern, 3/4 Stunden nördlich von Gutenzell.

6) Weidenbühl, kathol. Weiler mit 25 Einwohnern, 11/8 Stunden nördlich von Gutenzell.


  1. Nach Herrn v. Raiser waren die Schwestern aus dem berühmten Geschlecht der Grafen oder Ritter v. Aichen, Aichheim, Iller-Aichheim, von denen das Kloster auch mit Gütern begabt wurde, s. unten.