Berichtigung eines Schreibens aus Wirzburg vom 20ten September 1791, die seit einigen Jahren daselbst verübten merkwürdigen Diebstähle und andere Policey-Gegenstände betreffend

Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Berichtigung eines Schreibens aus Wirzburg vom 20ten September 1791, die seit einigen Jahren daselbst verübten merkwürdigen Diebstähle und andere Policey-Gegenstände betreffend
Untertitel: (Siehe dieses Journal 3. B. 4. H. S. 505.)
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 484–489
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 4, 5)#1, An die Herausgeber des Journals von und für Franken
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III.
Berichtigung eines Schreibens aus Wirzburg vom 20ten September 1791, die seit einigen Jahren daselbst verübten merkwürdigen Diebstähle und andere Policey-Gegenstände betreffend. (Siehe dieses Journal 3. B. 4. H. S. 505.)
Was in dem ersten Abschnitte dieses Schreibens von einem beträchtlichen Diebstahle, der sich vor mehr als zehen Jahren auf dem Stadtgerichte zu Wirzburg zugetragen haben soll, gesagt wird, hat in der Hauptsache seine Richtigkeit. Allein der Herr Correspondent irrt sich, wann er glaubt, es sey noch nicht entschieden, wer die Schadloshaltung der beschädigten Gläubiger zu leisten habe. Der damahlige Stadtgerichts-Actuar| Stumpf wurde, obgleich mehrere mit ihm die Schlüssel zum Gelde hatten, von dem letztverstorbenen Fürstbischoffe, Adam Friderich, verurtheilt, die ganze Summe des entwendeten Geldes zu ersetzen. Dieser Mann verfiel darüber selbst in die Ausschatzung, und weil sein Vermögen nicht hinreichend war, so bekam er von dem eben genannten Fürstbischoffe die Erlaubniß, seine Stellen (er war Stadtrath, Stadtgerichts-Assessor und Actuar, und Universitäts-Receptorats-Canzlist) zu verkaufen, und mit dem daraus erlösten Gelde vollends zu bezahlen. Überhaupt ging es damahls nicht richtig auf dem Stadtgerichte zu, welches der nachherige Actuar mit seinem Schaden erfuhr, indem er in etlichen Jahren wegen der Betrügereyen einiger Stadtgerichts-Assessoren, worunter sich besonders ein gewisser Leypold und Merk auszeichneten, mehrere hundert Gulden von dem seinigen darauf legen mußte, und die Stelle deshalb freywillig niederlegte. Diese beyden Assessoren gingen in die Häuser derjenigen Bürger, die dem Stadtgerichte schuldig waren, brachten Quittungen, empfingen Geld dafür, und verwendeten es zu ihrem eigenen Gebrauch. Nachdem Franz Ludwig an die| Regierung kam, wurden die zwey Assessoren nebst ein Paar andern cassirt, und seitdem geht alles richtig auf dem Gerichte zu.

 Was den an den Pupillen-Geldern, welche auf dem Landgerichte deponiert waren, verspürten Abgang betrift, so ist der gewesene Landgerichts-Syndikus, Hofrath – – condemnirt, wegen seiner äussersten Fahrläßigkeit in Verwahrung der Schlüssel, die abgehende Summe zu ersetzen. Der in Verhaft gewesene Landgerichts-Diener Schneider ist frey gelassen, und ab instantia absolvirt worden, und erwartet Genugthuung von seinem Denuncianten.

 Über die Sträflinge im Zuchthause finde ich nichts zu erinnern; aber einen Wunsch, den Wunsch fast aller Einwohner Wirzburgs, darf ich nicht unterdrücken. Wenn man doch auf die Gesundheit und Erhaltung dieser Menschen sehen will, so könnte es nicht übel gethan seyn, wenn man durch dieselben, nach dem Beyspiel anderer Städte, die bey Regen- oder Thauwetter äusserst kothigen Straßen wöchentlich reinigen liesse. Den Abraum würde vielleicht ein Güterbesitzer in der Stadt pachten, oder wenn sich Niemand dazu fände, könnte man denselben auf die urbar gemachte Glacie,| oder sonst ein gemeines Feld führen. Dadurch würde für die Bequemlichkeit der Einwohner gesorget, die Sträflinge kämen in die freye Luft und machten sich mehr Bewegung; die Stadtcasse würde jährlich einen beträchtlichen Einnahmposten mehr haben, und die Reinlichkeit der Stadt bewirkt, an welcher es bisher noch sehr fehlt, und so lange fehlen wird, als nicht mehr Bürger zu Policey-Aufsehern gemacht, und geistliche und weltliche Häuser nebst den Klöstern zur Säuberung ihrer Bezirke nicht angehalten werden.
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 Daß die Unzucht in Wirzburg ausserordentlich, mithin auch die Gelegenheit zur Verführung des weiblichen Geschlechts sehr groß sey, kann ich nicht läugnen. Allein ob sich das männliche oder weibliche Geschlecht des Lasters der Verführung mehr für schuldig halten soll, ist eine andere Frage. Beyde Geschlechter fühlen den Trieb zur Fortpflanzung, bey beyden äussert er sich fast gleich stark, wenn Geist und Körper keine Beschäfftigung haben. – Ohne mich in ein weitläuftiges Raisonnement einzulassen, will ich nur anmerken, daß der Luxus bey den weiblichen Geschlechte hier den höchsten Grad erreichet habe. Mädchen, die wöchentlich| nicht 24 kr. zu verzehren haben, gehen im größten Putze, mit taffetenen Kleidern, Saloppen und Pelzmänteln einher. Verdienst ist nicht da, und gäbe es etwas zu arbeiten, so sind die meisten dieser Nymphen unwissend, die Gemächlichkeit und der Hang zum Müssiggange ist denselben schon mit der Muttermilch eingepflanzet worden. Wie sollen sich dieselben ernähren, wie sollen sie sich den Putz verschaffen? Es bleibt ihnen nichts übrig, als mit ihrem Körper Wucher zu treiben. Sie laufen des Abends zu 2–3 miteinander auf den Straßen herum, suchen durch allerhand Kniffe die Mannspersonen zu locken, reden sie sogar an, schließen Contracte auf ein Paar Schillinger, und theilen hernach den Verdienst schwesterlich. Die älteren und geübteren führen die jüngeren an. Bey einigen ists bloße Wohllust, und ich weiß, daß schon bejahrte Weibsbilder unschuldige Knaben verführt haben; andere begehen das Laster, um Geld zu Näschereyen zu erhalten. Kurz, die Verführung beym weiblichen Geschlecht ist in Wirzburg fast beyspiellos. – Endlich ist es wahr, daß manches vom Lande noch unschuldig hereingekommene Mädchen von den wohllüstigen Müssiggängern verführt wird. Allein sie kommen| schon nicht so durchaus unschuldig in die Stadt. Wer hat sich wohl nur einige Wochen auf dem Lande aufgehalten, ohne mit den Fensternächten der Bauernpursche und Mädchen bekannt geworden zu seyn? Die Leute haben in der Sache Erfahrung. Der nervichte Töffel steigt des Jahrs wohl 50 mahl in der Mitte der Nacht zu seiner braunen Lise, und die Dirne verfällt sich nicht. Praxis est multiplex, und das Laster und die Verführung in allen Ständen. Schon die Schulen, wo Knaben und Mädchen in einem Zimmer beysammen sitzen, sind eine Gelegenheit zur Verführung. Ich kenne die Verfassung der Schulen, und spreche aus Erfahrung. – Indessen will ich mich über die Mittel, das allgemeine Übel auszurotten, nicht einlassen, ob ich gleich dasselbe ganz und gar vertilget zu sehen von ganzem Herzen wünschte.