Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Unzelmann, Bertha
Band: 49 (1884), ab Seite: 107. (Quelle)
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Unverricht, Karl (Schulmann und Botaniker, geb. zu Domanze bei Schweidnitz in Preußisch-Schlesien am [108] 22. Jänner 1809). Fünf Jahre alt, verlor er seinen Vater 1814 durch den Tod. Da nahm ein Oheim mütterlicher Seits, J. G. Weiß, evangelischer Cantor und Schullehrer zu Conradswaldau bei Landeshut, den Verwaisten als Pflegesohn zu sich. Nachdem Karl Elementar- und Musikunterricht genossen hatte, kam er Ostern 1825 in die Präparandenanstalt des evangelischen Lehrers Scholz zu Straupitz bei Hirschberg. Daselbst studirte er während eines dreijährigen Curses Realien, Musik, Latein und Französisch, zugleich in der Dorfschule Unterricht ertheilend. Im Frühjahr 1829 ging er als Hilfslehrer nach Dittersbach am Paß unweit Schmiedeberg, und dort war es, wo Pastor Weigel in ihm die Neigung für Naturwissenschaften weckte. Nach Ostern 1830 machte er als Zögling in dem evangelischen königlichen Seminar zu Breslau einen zweijährigen theoretischen, dann einen ebenso langen theoretisch-praktischen Curs durch und vertrat im letzten Semester auch die Stelle eines Lehrers im Breslauer Blindeninstitut. Nachdem er zu Ostern 1833 die Abiturientenprüfung abgelegt hatte, wurde er Hilfslehrer an der evangelischen Schule zu Böhmischdorf bei Brieg und zugleich Hauslehrer bei dem dortigen Pastor, aber schon 1834 erhielt er von dem königlichen Oberbergamte zu Brieg den Posten als zweiter Lehrer an der Knappschaftsschule zu Königshütte in Ober-Schlesien. Seinem Drange nach weiterer Ausbildung folgend, bezog er 1835 die Universität zu Breslau, wo er besonders Naturwissenschaften und lateinische Sprache betrieb und in den Sommermonaten botanische Ausflüge unternahm. Aber Mangel an Subsistenzmitteln nöthigte ihn, im September 1836 eine Lehrerstelle an einer Familienschule in Fürstenstein anzunehmen. In diesem Jahre wurde er auch mit dem Dichter Adalbert von Chamisso persönlich bekannt. Fünf Jahre acht Monate wirkte er auf letztgenanntem Posten, schrieb in dieser Zeit eine Monographie der Flora der dortigen Gegend im Auftrage der Gesellschaft für die vaterländische Cultur in Breslau und lieferte auch Beiträge für verschiedene öffentliche Blätter. Hierauf begab er sich nach Schweidnitz, wo er vornehmlich Sprachen studirte, zugleich aber die Herausgabe eines größeren botanischen Werkes – die Titel seiner Schriften folgen auf S. 109 – vorbereitete. Im Jahre 1841 unternahm er eine Reise nach Oesterreich, 1843 eine solche nach Holland, sowie durch Mittel- und West-Deutschland. Auf diesen Reisen schloß er unter Anderem auch Bekanntschaft mit den in Dresden lebenden Botanikern Dr. Ludwig Reichenbach und Dr. Siebold. Im December 1843 wurde er Lehrer an der Handelsschule zu Bonn. Bald darauf gründete er in Wilhelminen-Zinkhütte bei Mislowitz in Oberschlesien eine Familienschule, an welcher er zwei Jahre lang als Lehrer wirkte, zugleich aber schrieb er als Correspondent für einige Journale. Nach Ostern 1846 begab er sich wieder nach Breslau, hörte daselbst Vorträge unter Dr. Göppert, Nees von Esenbeck, Purkinje, Duflos und Anderen und trat im Mai 1847 eine naturwissenschaftliche Reise an, welche er über Wien nach Ungarn bis Hermannstadt ausdehnte. In letzterem Orte langte er am 11. Juni 1847 an und übernahm daselbst am 1. September 1847 eine Lehrerstelle an den evangelischen Ober-Elementar-, Unter-Gymnasial- und Realschulen, gab auch noch in einer Privat-Mädchenlehranstalt Unterricht im [109] Französischen und im Clavierspiel und wurde Mitarbeiter an dem von Samuel Filtsch 1847/48 herausgegebenen „Siebenbürgischen Volksfreund“. Als die Märztage 1848 herankamen, betheiligte er sich mit Wort und Schrift an den politischen Bewegungen, verließ aber noch im nämlichen Jahre Siebenbürgen, begab sich in seine Heimat, kehrte indeß aus dieser bald nach Wien zurück. Als er jedoch im September 1848 von Wien nach Hermannstadt zurückgehen wollte, wurde er in Pesth von der magyarischen Partei verhaftet, weil er für die kaiserlich österreichische Regierung geschriebene Flugblätter zur Vertheilung mit sich führte. Gegen 24 Stunden lang saß er daselbst im Hofe des städtischen Rathhauses, den Urtheilsspruch des über ihn gehaltenen Standgerichtes erwartend, der dahin ausfiel, daß Unverricht dem ordentlichen Strafverfahren übergeben wurde. Nun hielt man ihn im Neugebäude gefangen, bis er nach Ankunft des kaiserlichen Armeecorps unter Windischgrätz von seiner Haft befreit, in seine Heimat zurückkehren konnte. Im Sommer 1851 kam er zum zweiten Male nach Hermannstadt, in der Absicht, dort als Privatlehrer thätig zu sein, aber noch im Herbst des nämlichen Jahres wurde er zum Rector der evangelischen Schule in Broos (oder Sachsenstadt, magyarisch: Szászváros) berufen. 1854 legte er diese Stelle nieder, sich weiter mit Privatunterricht beschäftigend. 1861 aber verließ er Siebenbürgen gänzlich, kehrte nach Deutschland zurück und lebte zu Beginn der Siebziger-Jahre als Privatlehrer zu Laurahütte in Preußisch-Oberschlesien. Wie wir schon im Laufe der Lebensskizze bemerkten, war Unverricht mannigfaltig schriftstellerisch thätig. Die Titel seiner Schriften sind: „Anleitung zur Pflanzenkenntniss, ein Handbuch der allgemeinen Botanik und Flora von Deutschland. Für den Schul- und Selbstunterricht bearbeitet“ (Schweidnitz 1842, Heege, gr. 12°., 850 S.); es wurde bis zur Raumer’schen Schulregulation in den Seminarien zu Breslau, Steinau an der Oder und zu Münsterberg als Handbuch beim Unterrichte gebraucht, und mit diesem Buche erwarb Verfasser die Mitgliedschaft der schlesischen Gesellschaft; – „Ueber Verbesserung der Schreibunterrichtsmethode durch Einführung tactmässiger Uebungen“ mit 4 Steintafeln (Schweidnitz 1843, gr. 4°.); als Unverricht im September 1847 sein Lehramt in Hermannstadt antrat, brachte er auch bei dem kaligraphischen Unterrichte die in vorgenannter Schrift dargestellte sogenannte Tactschreibmethode in Aufnahme; – „Kleine Geographie von Deutschland für Schule und Haus“ (ebd. 1846, 8°.); – „Theoretisch-praktischer Lehrgang für den Elementarunterricht in der deutschen Sprache“ 1. Heft (Gleiwitz 1846, Landsberger, 8°.); – „Der türkische Weizen. Beschreibung desselben und Mittheilungen über den Anbau und die Benützung“ (Hermannstadt 1847, Krebs, 8°.); – „Der Landtag ist vor der Thür!“ (ebd. 1848, 8°.). Unverricht schrieb in dieser bewegten Zeit, deren Wirkung auf ihn, wie sein Biograph sagt, eine elektrische war, noch verschiedene andere Flugschriften, deren Titel aber nicht bekannt sind; – „Kinder-Singschule“ 1. Heft, enthaltend 38 kurze Sätze, 12 Chöre und 27 Lieder in Dur-Tonarten, mit Benützung der besten und neuesten Hilfsmittel (ebd. 1852, 4°., lithogr.); diese Singschule gab er als Rector in Broos heraus; – „Gespräche der Bauern Hans und Georg über das neue Geld, was sie davon halten und wie sie damit beim Kaufen und Verkaufen zurechtkommen wollen. Mit den Abbildungen aller neuen Münzen“ (ebd. 1858, Steinhaußer, 8°.); davon erschien zu gleicher Zeit eine [110] magyarische Uebersetzung: „Beszélgetés Jáncsi és Gyuri földmivelők között az uj pénz felett...“ und eine walachische: „Konvorviri entre Czeranulu Joanu schi Georgie despre banyi tsei noi..“ (ebd. 1858). Auch redigirte er eine neue Folge des früher von Benigni für die Jahre 1842–1849 zu Hermannstadt herausgegebenen „Siebenbürgischen Volkskalenders“, und zwar: Neue Folge I. bis X. Jahrgang für die Jahre 1852 bis 1861. Diese Jahrgänge enthalten neben zahlreichen Beiträgen zur Landeskunde und Geschichte eine ansehnliche Reihe von Abbildungen, und zwar Bildnisse denkwürdiger Siebenbürger oder um Siebenbürgen verdienter Männer und von Oertlichkeiten dieses Landes, von ersteren die Bildnisse Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph, des Superintendenten Georg Paul Binder, des Pfarrers M. J. Ackner, des Fürsten Friedrich Liechtenstein, des Freiherrn Jos. Bedeus, des Freiherrn Heinrich Lebzeltern, des Bischofs Andreas Freiherrn von Schaguna und des außerordentlichen Reichsrathsmitgliedes Karl Maager. Auch besorgte Unverricht die deutsche Uebertragung von Siebold’s „Geschichte der Handelsverbindung zwischen Holländern und Japanesen vom Jahre 1640–1840“. Die siebenbürgische Flora bildete gleichfalls einen Gegenstand seiner Forschungen und Beobachtungen, und noch im Sommer und Herbst des Jahres 1847 machte er seine botanischen Excurse in der Ebene und in den Gebirgen unweit Hermannstadt und lernte viele bis dahin in botanischen Gärten und Herbarien gesehene Pflanzen an ihren Standorten und in ihrer natürlichen Gestalt kennen, im Druck aber ließ er in den „Mittheilungen des siebenbürgischen Vereines für Naturwissenschaften zu Hermannstadt“ erscheinen: „Pflanzen des Waldgebietes Utropa bei Neu-Gredistye“ [VIII. Jahrg. (1857) S. 114–116, 124–129; IX. Jahrg. (1858) S. 164 und 165].

Trausch (Joseph). Schriftsteller-Lexikon oder biographisch-literarische Denkblätter der Siebenbürger Deutschen (Kronstadt 1871, Johann Gött und Sohn, gr. 8°.) Bd. III, S. 451. – Kanitz (Aug. Dr.). Geschichte der Botanik in Ungarn (Hannover 1863, 12°.) S. 163.