Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Des Schneiders Daumerling Wanderschaft

Der Gevatter Tod Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I von Johannes Bolte, Jiří Polívka
45. Des Schneiders Daumerling Wanderschaft
Fitchers Vogel
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Daumerlings Wanderschaft.

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45. Des Schneiders Daumerling Wanderschaft. 1856 S. 71.

1812 nr. 45: von Marie im Wildschen Hause zu Kassel, 1819 erweitert, nach Erzählungen aus den Maingegenden, dem Hessischen und Paderbörnischen, die sich gegenseitig ergänzen.

Eine andre Verbindung der einzelnen Abenteuer enthält das Märchen vom Daumesdick (nr. 37). Wir stellen sie zur Übersicht zusammen: A. Dem Bauernpaar, das sich dringend ein Kind wünscht, sei es noch so klein, wird Daumesdick geboren. – B. Dieser lenkt im Ohre des Pferdes den Wagen. – C. Er läßt sich an fremde Männer verkaufen und entläuft diesen.[1]D. Er wird vom Dampf der Speisen zum Schornstein hinausgetragen. – E. Er neckt die Schneidersfrau. – F¹. Er hilft Dieben die Schatzkammer bestehlen; er vereitelt den Diebstahl, indem er laut schreit. – G. Er gerät in den Magen einer Kuh, die dann geschlachtet wird. – H¹. Er überredet den Fuchs, der ihn verschlungen, ihn seinem Vater zu bringen und dafür dessen Hühner zu fressen; er rät dem Wolf, der ihn gefressen, in seines Vaters Speisekammer einzudringen, und ruft dann um Hilfe. – Nr. 45 besteht aus den Motiven D E F¹ G H¹, nr. 37 aus A B C F² G H². Das Abenteuer Däumlings und seiner Brüder beim Menschenfresser, der statt ihrer seine Tochter schlachtet und den Entflohenen in Zauberstiefeln nachsetzt, ist oben S. 124 zu nr. 15 besprochen.

Aus Tirol bei Heyl, Volkssagen 1897 S. 80 ‘Der Daumenhansl’ (G); aus Bayern in Schmellers Wörterbuch ² 1, 508 ‘Hans Däumeling’ (im Ohr des Ackergauls) und bei H. v. Lang, Memoiren 1, 45; aus Schwaben bei Fischer, Schwäb. Wörterbuch 2, 115 ‘Daumennickelein, Hans Däumerling, Dümmling’ und Birlinger, Volkstümliches 1, 354 nr. 582 ‘Der Däumling’ (A B C F G H); aus dem Harz bei Pröhle, KVM. nr. 39 ‘Daumgroß’ (F); aus Westfalen bei Woeste 1848 S. 36 = Firmenich 3, 271 ‘Vom Däumling’ (A B C F G H); aus Oldenburg bei Strackerjan ² 2, 476 nr. 629; aus Holstein bei Wisser 1, 56 nr. 11 ‘Hans Dünk’ (aus einem in die Ofenröhre gelegten Handschuh. B C F² G H¹); aus Mecklenburg bei Bartsch 2, 478 nr. 39 ‘Dümling’ (A B C F² G H¹); aus Pommern in den Blättern f. pomm. Volkskunde 2, 76 ‘Der Dümling’ (A B G H²) und 3, 127 (G).

[390] Die vlämischen Fassungen beginnen damit, daß der Held Mehl, Butter, Milch und Holz zusammenschleppt, weil seine Mutter Pfannkuchen backen will: de Mont & de Cock, Vertelsels S. 142 ‘Van Duimken’ (B G); Vermast S. 11 ‘Duimken’ (G); Joos 1, 116 nr. 70. 71 (G); Volkskunde 1, 70 (G) und 174 (G F). Ein holländisch-französischer Bilderbogen ‘Duimkens leven’ in Berlin Zh 4953; vgl. Van Heurck et Boekenoogen p. 33. 117. 178. 307. 317. 372. 484. Volkskunde 13, 111 ‘Van Keuteldoemke’ (A F² G H) und Var. – Dänisch in Grundtvigs hsl. Register nr. 83 ‘Tommeltot’. Kristensen, Aev. 2, 373 nr. 56 ‘Lille Tolle’ (wird von einer weisen Frau aus Teig gebacken. A B C F² G H). Skattegraveren 12, 165 ‘Svend Tomling’ (ebenso). Ein Volksbuch verwandten Inhalts führt Nyerup, Morskabslæsning S. 238 an: ‘Svend Tomling, ein Mensch nicht größer als ein Daumen, der sich verheiraten will mit einer Frau drei Ellen und drei Viertel hoch; er kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der Seite, treibt den Pflug und wird von einem Gutsbesitzer gefangen, der ihn in seiner Schnupftabaksdose verwahrt; er hüpft heraus, fällt auf ein Ferkel, und das wird sein Reitpferd’. Ein Gedicht von Poul Möller ‘Tommeliden’. – Das schwedische Volksbuch ‘Lille Pyt, riddaren på råttan’ (Stockholm 1823 u. ö. Bäckström 3, 33) ist aus dem Englischen übersetzt. Bondeson, Sv. folksagor nr. 90 ‘Tummeliten’ (B C F² G H²). Åberg nr. 205 ‘Tummilítn’. Hackmans Register nr. 700. – Norwegisch bei Asbjörnsen-Moe nr. 44 = Dasent 1859 S. 429 = Bresemann 2, 126 ‘Däumerling’ (freit um die Prinzessin, gerät aber in die Suppenschüssel und ertrinkt). – Isländisch bei Daviðsson S. 161 = Rittershaus S. 361 ‘Der Däumling im Kuhmagen’ (G). – In England ist der Däumling bereits im 16. Jahrhundert der Held eines Gedichtes in achtzeiligen Strophen geworden, das ihn zu einem Geschöpf des Zaubrers Merlin und zum Hofzwerg des Königs Artus macht; er gerät in einen Pudding, den seine Mutter einem Bettler schenkt, und wird nacheinander von einer Kuh, einem Riesen und einem Fisch verschluckt. Das Gedicht ‘Tom Thumbe, his life and death’, auf das Scot 1584 in seiner ‘Discovery of witchcraft’ anspielt, ist bei Hazlitt, Remains of the early popular poetry of England 2, 175. 4, 364 (1866) mit einer lehrreichen Einleitung nach der Ausgabe von 1630 abgedruckt und von Brueyre S. 3 übersetzt worden. Eine vermehrte Bearbeitung in drei Teilen ‘History of Tom Thumb’ bei Hazlitt 2, 193 und Ashton, Chap-books of the 18. century 1882 [391] S. 207. Prosaische Fassungen erschienen 1621 von Richard Johnson und bei Tabart 3, 37, Craik, Fairy book 1878 S. 83, Hartland S. 272, Jacobs 1, 140 nr. 25. – Schottisch bei Campbell ³ 3, 127 nr. 69 ‘Thomas of the thumb’ = Brueyre S. 9; vgl. Revue des trad. pop. 2, 80 (mit dem Blatte, unter das er sich beim Hagelwetter geflüchtet, von der Kuh verschluckt, mit dem Magen von einer Frau fortgetragen, vom Fuchs verschlungen). – In Frankreich wird die Geschichte von dem sich unterm Kohlblatte versteckenden Däumling bereits 1661 zitiert[2]. Im Magen der Kuh, den die Alte wegwirft und der Wolf frißt, erscheint er bei Cosquin 2, 147 nr. 53 ‘Le petit Poucet’ und ‘Le petit Chaperon bleu’. Carnoy, Contes français S. 167 ‘Pouçot’ (G H F²) und S. 245 = Romania 8, 230 ‘Jean des pois verts’ (F¹). Carnoy, Lit. orale de la Picardie S. 329 ‘Jean l’ Espiègle’ (G). Revue des trad. pop. 7, 697 ‘Le petit Poucet’ (G F). Revue des patois 1, 219 ‘Peucot’. Mélusine 1, 41 ‘Jean Bout-d’homme’ (C G H). Bladé, Gascogne 3, 78 ‘Grain-de-millet’ = Blümml, Schwänke S. 108 nr. 39 (A B G H C). Arnaudin S. 89 ‘Grain-de-mil’ (G H F²). Montel-Lambert, Contes du Languedoc S. 60. G. Paris, Le petit poucet 1875 S. VII ‘Peperelet’ (aus Languedoc). Gras, Dict. du patois forézien 1863 S. 201 ‘Plenpougnet’ d. h. Handvoll; vgl. R. Köhler 1, 107 und G. Paris S. 36 (G H². Einleitung aus Perraults Petit poucet; s. oben S. 124). Gittée-Lemoine S. 97 ‘La cotte d’ or’ (G, verbunden mit Hans im Glück, unsrer nr. 83). Revue des trad. pop. 19, 182 ‘Le petit birou’. 11, 232 ‘Quatre pouces’ (springt dem Teufel in die Tasche und entwendet ihm Börse und Zauberstab). – Italienisch bei Andrews nr. 29 ‘Pequeletou’ (A C F² G H². Hübsche Einleitung)[3] und nr. 36 ‘Petoumeletou’ (G [392] mit derselben Einleitung). Pitrè, Novelle pop. tosc. nr. 42 ‘Cecino’ (A B C G H²) = Rivista di lett. populare 1, 82 (1878). Rivista 1, 161 = Crane p. 242 nr. 77. Archivio 6, 270 ‘Cicireddu’ (G F²). Giornale di filologia romanza 2, 233 (1879) ‘Deto grosso’ (aus den Marken. A F² H). Finamore 1, 233 nr. 47 ‘Ju vache de Pépe’ (G). De Nino 3, 45 nr. 8 ‘Lu cicille’ (B). Grisanti 1, 164. Pellizzari 1, 53. – Maltesisch: Archivio 14, 458 ‘Gahan polpetta’ (F². Vermischt mit Dschuhans Streichen). Ilg 1, 174 nr. 48 ‘Vom Knaben, der so groß wie ein Schlüssel war’ (A E D). – Katalanisch bei Maspons, Rondallayre 3, 88 ‘En Pere Patufet’ (G). – Portugiesisch bei Coelho, Contos pop. nr. 33 ‘Grão-de-milho’ (A G F²). – Baskisch: Revue de linguistique 8, 242 (1876. Ukaïltcho unter dem Kohlblatte von der Kuh verschluckt). Cerquand nr. 55. 62. Vinson S. 110 nr. 7–8 ‘Petit-Poucet’ (G). Webster S. 191.

Griechisch aus Roccaforte: Archivio delle trad. pop. 5, 469 ‘Tridicino’ (A B² G, vermischt mit Halbhähnchen). Hahn nr. 55 ‘Halberbschen’ nebst Variante (A B G H²). – Albanesisch: Hahn nr. 99 ‘Räuber Nuß’ (A B F¹). – Rumänisch: Staufe nr. 11 ‘Vom kleinen Teufel’ = Zs. f. dtsch. Mythol. 1, 48 nr. 2 (A B C). P. Schullerus nr. 96 ‘Pitikot’ d. h. Däumling (Archiv f. siebenbürg. Landeskunde 33, 597. B F¹). Rumänische Revue 1892, 34. 122. Şăinénu p. 177–185. – Slowenisch: Vogl, Volksmärchen 1837 S. 187 ‘Der kleine Kerza’ (A B C H²). – Serbokroatisch: Kres 4, 560 = Krauß 1, 420 nr. 92 ‘Daumerling’ (A B C F¹). Ähnlich im südwestlichen Ungarn Kres 5, 248 nr. 47. Zbornik jugoslav. 17, 158 nr. 33 (A B C G). Antropophyteia 3, 397 nr. 562 (A B C F¹˙² H¹˙²). – Čechisch aus Mähren: Poh. a pov. n. lidu S. 22 nr. 11 (‘Spiritus’, entstanden nach achttägigem Butterschlagen, lenkt im Ochsenohr das Gespann. B C F¹˙² G H²). Kulda 3, 247 nr. 34 (eine Krähe bringt dem kinderlosen Schuster den Däumling; F¹˙²; in einer Wurst gelangt er heim). Aus der Grafschaft Glatz bei Kubín 1, 121 nr. 62 (A B C F¹ H). – Slowakisch: Dobšinský 1, 41 (Hraško = Erbsenkorn, geboren, [393] nachdem seine Mutter eine bestimmte Erbse genossen, oder aus einer Erbse entsprungen. F¹˙². Er rettet eine Königstochter, wie der gelernte Jäger unten nr. 111, und wird, nachdem ihm die enge Haut gesprungen ist, ein schlanker Jüngling). – Wendisch: Veckenstedt S. 95 ‘Till Eulenspiegel’ (B) und S. 97 (F² G, vermischt mit Eulenspiegel- und Fuchsmärchen); vgl. Haupt-Schmaler, Volkslieder 2, 260. Černý, Myth. bytosće S. 88 = Łužica 1887, 69 (B). – Polnisch aus dem Krakauerland: Ciszewski, Krakowiacy S. 176 nr. 129 (G; Abenteuer der sieben Brüder beim Menschenfresser). Aus Oberschlesien bei Malinowski 2, 86 (ein auf dem Acker ausgepflügter Knorren; auf der Wanderschaft kriecht er in einen Keller und fällt in die Milch; G H²). Aus den Beskiden im Zbiór wiadom. 15, 28 nr. 11 (Bździánosek, aus den Bauchwinden der Eltern entstanden. F¹˙² B G H²). Aus Galizien ebd. 16, 48 nr. 33 (Bździosek, kriecht aus dem Stampfe, in der eine kinderlose Frau sieben Tage lang Grütze geschlagen hat. B F¹˙²). Mater. antropol. 10, 248 nr. 23 A C F¹ G H¹). Aus dem Gouv. Siedlec in der Wisła 15, 478 (Paluszek, der jüngste von fünf Brüdern, kehrt ähnlich wie bei Ciszewski nr. 129 zurück, wechselt die Kopfbedeckungen der Brüder mit denen der Töchter des Menschenfressers; von den Kühen verschluckt). Zbiór 16, 49 nr. 34 (F¹. Von den Räubern in ein Faß gesteckt, bohrt er sich ein Loch und packt den nahenden Wolf beim Schweif). Knoop, Rogasener Familienblatt 1912, 58 ‘Der kleine Bzdzionek’ (B C). – Großrussisch: Afanasjev ³ 1, 225 nr. 168 (der Däumling entsteht aus einem beim Krautschneiden oder Holzhauen abgehackten Finger des Mannes oder der Frau) = G. Paris, Le petit Poucet p. 81; Léger nr. 3; Gubernatis, Die Tiere S. 457. Aus dem Gouv. Wologda bei Ivanickij S. 187 nr. 13; aus dem Gouv. Samara bei Sadovnikov S. 147 nr. 33 (er foppt den bestohlenen Pfarrer). Aus dem Bezirk Moskau bei Černyšev, Berichte von den Dialekten einiger Dörfer des Moskauer Bezirkes S. 89 (Bzdunok. B C). Aus dem Gouv. Rjazan bei Chudjakov 2, 104 nr. 64 (aus ausgesponnener Wolle. B C). Aus dem Terek-Gebiete im Sbornik mater. Kavkaz. 15, 2, 70 nr. 7 (aus einer Erbse entstanden; B C H² F¹, doch mehrfach abweichend) und 16, 1, 363 (F¹; der Pfarrer gefoppt). Ebd. 27, 4, 31. – Kleinrussisch aus Ostgalizien bei Rozdolśkyj nr. 42 (Etnograf. Zbirnyk 7, 65. A B C; Bzdúnčyk, verschiedene Streiche). Aus Wolhynien bei Rokossowska nr. 15 (Mater. antropol. 2, 40. A C; verschiedene Streiche) und nr. 43 (ebd. 2, 73. In der Stampfe entstanden, so groß [394] wie ein Eggenzahn, von der Kuh verschlungen, stiehlt dem Pfarrer einen Ochsen. B C H²). Aus dem Gouv. Grodno bei Čubinskij 2, 87 nr. 22 (der jüngste von 11 Brüdern; ähnlich Ciszewski nr. 129). Aus dem Gouv. Černigov bei Hrinčenko, Iz ust naroda S. 341 nr. 322 (Erbsenkorn aus einem 15 Wochen in einer Höhle liegenden Ei. B C). Aus dem Gouv. Jekaterinoslav bei Dragomanov S. 355 nr. 33 (das Kind entsteht aus dem abgeschnittenen Finger der kinderlosen Frau; Ochsendiebstahl; H²). Malinka S. 355 nr. 70 (B C); ebd. 3, 343 nr. 60 (F¹˙²). Hnatjuk, Geschlechtsleben 2, 256 nr. 287 (Bzdiušok. A B C, andre Foppereien). Aus Ostgalizien in Živaja Starina 7, 106 und Zs. f. österr. Vk. 3, 309 (B C; statt des Däumlings der als Heckpfennig-Inklus erscheinende Hausgeist). Aus Sudungarn Etnograf. Zbirnyk 29, 299 nr. 47 (Die Frau bekommt soviel Kinder, als im Sieb Löcher sind; die Kinder zerdrückt der Vater aus Versehen, nur eines wird gerettet. B C F¹). – Weißrussisch aus dem Gouv. Grodno bei Federowski 2, 32 nr. 35 (Bźdźušòk wie in der polnischen Fassung aus den Beskiden. B C F² H²). Aus dem Gouv. Mogilev bei Šejn 2, 70 nr. 35 (eine Kinderlose wiegt eine hölzerne Puppe, bis sie lebendig wird. H²). Aus dem Gouv. Minsk ebd. 2, 73 nr. 38 (die Puppe wird gebadet und auf dem Ofen getrocknet) und 2, 68 nr. 34 (die Mutter hat eine aus dem Brunnen geschöpfte Erbse verschluckt). Aus dem Gouv. Grodno ebd. 2, 71 nr. 36 (entstellt Kulačók d. h. Fäustling, fängt eine Menge Fische). – Litauisch: Schleicher S. 7 ‘Vom Däumling’ (B C F¹). Jurkschat 1, 23 nr. 5 ‘Der Däumling’ (A B C F² G H²). Veckenstedt, Zamaiten 2, 19–35 ‘Puspirßtis d. i. Halbfinger’ (A B C G H), auf den hier auch ein Streich Eulenspiegels und Didos List mit der zerschnittenen Kuhhaut übertragen werden. Dowojna Sylwestrowicz 1, 280 (Nikštukas. B C); 2, 66 (unterm Pilz, verschluckt von Kuh und Wolf). – Lettisch: Treuland S. 160 nr. 103 (B C G H²). Zbiór wiad. 18, 294 nr. 23 (der Junge entstanden wie in polnischen und russischen Fassungen Zbiór wiad. 15, 28 nr. 12 u. a. B C H²). – Estnisch: Kallas nr. 26 ‘Der Däumling’ (A B C G H²). – Finnisch: Suomi 2, 13, 116. 3, 20, 302. Aarnes Register nr. 700. – Lappisch bei Lindholm S. 115 ‘Tummeliten’ (löst die Aufgaben des Königs und wird sein Schwiegersohn gleich dem Schneider in unsrer nr. 20). – Mordwinisch aus dem Gouv. Simbirsk bei Paasonen S. 103 nr. 7 (der abgeschnittene Daumen des Mannes wird gewiegt. Ein Bojar nimmt den Kleinen mit, der aber macht in den Kasten ein Loch und flieht mit einer Menge Geld nach Hause). – [395] Gagausisch in Bessarabien bei Radloff 10, 142 nr. 79 (G H²); 10, 143 nr. 80 (der Kleine entsteht aus dem Bauchwind wie im Polnischen und Russischen; G.) – Armenisch aus Siebenbürgen: Wlislocki 1892 S. 43 nr. 17 ‘Das Haselnußkind’.

Kalmückisch bei Ramstedt 1, 69 nr. 14 (aus einem ausgerissenen Ziegenschwanz; stiehlt Kuh, vom Kamel und Wolf verschluckt, verwandelt sich in einen Wetzstein). – Kirghisisch: Etnograf. Obozr. 83, 90 (eine achtzigjährige Frau gebiert vierzig Hammelohren; ‘sie glichen nicht den Menschen, aber sprachen, gingen und aßen wie Menschen’; alle wurden bis auf eins vom Mann erschlagen. B G H¹; Kamel, Wolf). – Indisch: Bompas p. 189 nr. 62 ‘Spanling’ (im Büffelkot vergraben; dann Unibos). – Eine gedruckte arabische Übersetzung des englischen Tom Thumb, ‘Die schöne Erfindung von der fingergroßen Person’, Kairo o. J. führt M. Hartmann, Zs. f. Volkskunde 6, 272 an; vgl. Hazlitt, Remains 4, 365. – Kabylisch bei Rivière S. 9 ‘Ali g icher’ (A F¹ H²). Entstellt bei Socin u. Stumme, Houwāra nr. 7 ‘Halblorber’, Stumme, Schluh von Tazerwalt nr. 6 ‘Muhammed Schaflorber’ (kriecht aus Bosheit hinten in eine Kuh und schreit) und in einer Temnefabel bei Schlenker 1861 S. 44 = Bleek 1870 S. 104 (die Spinne schlüpft mit Taba in eine Kuh, um sie zu töten, und ruft). Edwards, Bahama songs and stories 1895 S. 97 nr. 37 ‘Gres-Grass an’ Hop-o’ my-thumb’. Auch in der neuaramäischen Erzählung vom Schädelkinde bei Lidzbarski S. 217 kehrt der Zug wieder, daß das wunderbar entstandene Kind alsbald dem Onkel das Essen aufs Feld trägt und sich von ihm an einen Kadi verkaufen läßt. Im armenischen Märchen vom Haselnußkinde (Wlislocki S. 43 nr. 17) kriecht dieses unter den Sattel des Pferdes, um den Kamm von der Tante zu holen, und bringt dem Vater das gestohlene Pferd samt dem Diebe zurück.

Unter den Abenteuern des Däumlings ist das verbreitetste sein Aufenthalt im Bauche der Kuh, auf den auch die Redensart in Paulis Schimpf und Ernst 1522 cap. 263 ‘Es ist noch als finster als in einer Ků’[4] hindeutet, nicht aber das Lenken des Pferdes oder Ochsen von dessen Ohr aus, worin G. Paris den Ursprung des ganzen Märchens sucht. In seiner scharfsinnigen Abhandlung ‘Le petit poucet et la grande ourse’ (1875; zuerst in den Mémoires de la soc. [396] de linguistique de Paris 1, 384) bemerkt dieser, daß Deutsche, Wallonen und Čechen auch den kleinsten Stern im Sternbilde des Wagens als Reuterlein, oder Dümeken, Poucet, Palečky bezeichnen,[5] und folgert daraus, daß unserm Märchen ein Astralmythus zugrunde liegt. Natürlicher aber erscheint, daß in beiden Fällen Däumling selbständig als verbreitete Bezeichnung eines ungewöhnlich kleinen Menschen[6] verwendet ward, oder daß, falls wirklich ein Zusammenhang anzunehmen wäre, das bekannte Däumlingsmärchen den Anlaß zur Benennung des Sternbildes hergab.

Ähnliche Däumlingssagen hatten die Griechen[7]. Von Philetas, einem Dichter aus Kos, wurde erzählt, er habe Blei in den Sohlen getragen, um nicht vom Winde weggeweht zu werden; von dem Seher Archestratos, als er von den Feinden gefangen und auf eine Wage gelegt worden, habe er nur soviel als ein Obolos gewogen (Athenäus 12, 77 p. 551, wo noch mehr derart. Aelian, Var. hist. 9, 14). Auch die griechische Anthologie (2, 330: Lukillios nr. 65. Jacobs, Tempe 2, 7) liefert einen Beitrag:

Plötzlich erhoben vom leisesten Hauch des lispelnden Westwinds
     Stieg jüngst, leichter als Spreu, Markos zum Aether hinauf.
Und er hätte die Luft mit rauschender Eile durchsegelt,
     Hätte der Spinne Geweb nicht ihm die Füsse verstrickt.
Als er nun hier fünf Tage und Nächte gehangen, ergriff er
     Einen der Fäden und stieg langsam zur Erde hinab.

Ein Dichter der lateinischen Anthologie (1, 151 nr. 209 ed. Riese) verspottet einen königlichen Diener Abcar:

Piperis exigui formam vix corpore conples,
Pulicis e corio vestit te gunna profusa,
Ad maratros dabitur grandis formica caballus.

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Polveris ut pilula brevis es, ut glomus hie erras.
Ast ubi dormieris, caveat castissima coniunx,
Erres ne subito mistus sub nocte tomento …

Andre hierher gehörige Sagen sind folgende: Einer war so dünnes Leibes, daß er durch ein Nadelöhr springen konnte. Ein andrer kroch an einem in der Luft hangenden Spinnegeweb behend hinauf und tanzte künstlich darauf, bis eine Spinne kam, ihm einen Faden um den Hals spann und ihm damit die Kehle zuschnürte. Ein dritter konnte mit seinem Kopf ein Sonnenstäubchen durchbohren und mit dem ganzen Leibe hindurchgehen. Ein vierter pflegte auf einer Ameise zu reiten, es geschah aber, daß ihn die Ameise herabwarf und mit einem Fuß tot trat. Ein fünfter wollte einmal Feuer anblasen und flog (wie in unserm Märchen) mit dem Rauch zum Schornstein hinaus. Ein sechster lag bei einem Schlafenden und wurde, als dieser etwas stark atmete, zum Fenster hinausgetrieben. Endlich ein siebenter war so klein, daß er sich niemand nahen durfte, weil er sonst mit der Luft beim Einatmen in die Nase gezogen wurde, wie der Schneider vom schlafenden Riesen in der Curieusen Reisebeschreibung des Herrn Androphili 1735 S. 424–430. Ähnliche Scherze über den kleinen Migrelin bei Tabourot des Accords, Touches 1648 S. 64 und in den französischen und italienischen Spottliedern auf den winzigen Ehemann (Rolland, Chants populaires nr. 26–27. Nigra, Canti popolari del Piemonte nr. 89)[8]. In Eucharius Eyerings Sprichwörtern (1601) erzählt eine Spinne 1, 198:

Einsmals fing ich ein Schneider stolz,
Der war so schwer als Lautenholz,
Der mit eim Schebhut in die Wett
Vom Himmel rab her fallen thät.
Er wär auch wohl darinnen blieben,
Niemand hätt ihn herausgetrieben;
Fiel in mein Garn, drin hangen blieb,
Nicht raus kunnt kommn, war mir nicht lieb,
Daß auch der Schebhut ohngefehr
Neun Tag eh rab her kam dann er.

Von den Schneidern berichtet ein Volkslied (Erk-Böhme, Liederhort nr. 1634. 1635), wie ihrer neunundneunzig einen gebratenen Floh essen und einen Fingerhut voll Wein trinken und vor einer [398] raschelnden Maus durchs Schlüsselloch schlüpfen; in einem österreichischen Schnaderhüpfel (Blümml und Krauss, Ausseer Schnaderhüpfel 1906 S. 8 f.) fällt ein Schneider in die Suppenschüssel und wird vom Bauern mit verschluckt. Auch in einem österreichischen Volksbuche ‘Der daumenlange Hansel mit dem ellenlangen Barte’ (Linz 1815), so modern es übrigens ist, kommen noch einige echte Züge vor. Er steckt mit seinem Vater und Mutter in dem hohlen Zahn eines Walfisches[9] und wird da gefunden. Er schreckt Spieler, die ausrufen: ‘Der Teufel soll mich holen’, indem er ganz berußt aus der Ofenröhre auf die Ofenbank hüpft und ruft: ‘Da bin ich’. Er stellt dem Liebhaber von der Wirtstochter einen Teller auf Erbsen nachts vor die Tür, so daß dieser mit großem Lärm fällt[10]. Als sie sich dafür rächen will und Rosendornen in ihre Stube streut, in die er treten soll, so merkt er es, liest sie auf und legt sie ihr ins Bett. Er läßt sich in das Ohr eines Pferdes setzen und dieses für ein redendes Pferd ausgeben; dann rettet er sich, indem er in einen löcherigen Käs springt und damit zum Fenster hinausgeworfen wird. – Von einem weiblichen Däumling erzählt ein korsisches Märchen ‘Ditu Migniulellu’ bei Ortoli p. 88, das dem Aschenputteltypus angehört; ebenso Andrews nr. 6 ‘Terra-camina’.


  1. Ähnlich unten nr. 68 ‘De Gaudeif un sien Meester’.
  2. Histoire du poète Sibus: ‘Vous diriez que ce petit homme ait esté trouvé sous une feuille de chou comme Poussot’ (E. Fournier, Variétés historiques 7, 92 = Revue des trad. pop. 9, 510). Vgl. Richer, L’Ovide bouffon 1662 (Revue 1, 245): ‘Sachant par coeur de mot à mot | L’Orque, le petit Pucelot, | La Soury, peau d’âne et la Fée’. Perrault scheint den Namen, wie oben S. 124 gesagt, mit einem andern Märchenstoffe verbunden zu haben.
  3. Eine abgewiesene Bettlerin wünscht der kinderlosen Frau, daß die Bohnen in ihrem Topfe alle zu Kindern werden; wie nun die vielen Jungen herumhüpfen und zu essen verlangen, schneidet die geängstete Frau allen die Köpfe ab. Als sie dann das Essen ihrem Manne hintragen soll und bedauert, kein Kind am Leben gelassen zu haben, kriecht eins, das sich im Schlüsselloch versteckt hatte, hervor und erbietet sich, zu seinem Vater aufs Feld zu gehen. Ähnlich bei Pitrè, Archivio 5, 469; 6, 270, Hahn nr. 55. 56 und Carnoy, C. français S. 245. Bei Hahn nr. 99 bläst das Ehepaar zwanzig Tage in einen Schlauch, um einen Knaben so groß wie eine Nuß zu erhalten; ebenso bei Veckenstedt, Zamaiten 2, 24. Noch andre Entstehungsarten in den slawischen Fassungen.
  4. Ebenso ‘kuhfinster’ im DWb 5, 2554 und in Schmellers Bayr. Wtb. ² 1, 1214; das nicht aus Kuh = bischöfliches Gefängnis (Schmeller 1, 1215) zu erklären ist.
  5. J. Grimm, Myth. ³ S. 688 (doch ist das hier angeführte čechische Zeugnis hinfällig, weil in Jungmanns Wörterbuch 3, 14 s. v. palečky nur von den Däumlingen am gewöhnlichen Wagen die Rede ist, nicht vom Sternbilde). Müllenhoff S. 360. Kuhn-Schwartz S. 457. Kuhn, Westfäl. Sagen 2, 87. In einem altniederländischen Rätsel (Grimm, Myth. 3, 212) ist dagegen das Sternbild ein Wagen, der ohne Pferd allein nach Brüssel geht.
  6. J. Grimm, Myth. ³ S. 418–420. Kl. Schriften 2, 433. Frommann, D. Mundarten 4, 347.
  7. Schenkl, Germania 8, 384 weist besonders auf den 3. homerischen Hymnus hin, in dem Hermes als Knabe Apollos Rinder stiehlt und sich seinem Griffe listig zu entziehen weiß.
  8. Die Redensart ‘in rutae folium coicere’ bei Petronius c. 37 hat man ebenfalls auf ein Däumlingsmärchen bezogen.
  9. So rettet sich Bärensohn im serbischen Märchen (Wuk nr. 1) im Munde des Riesen in einen hohlen Zahn, und im englischen von Jack dem Riesentöter (Tabart 3, 14) ruft der Königssohn: ‘Ach, wir werden kaum einen hohlen Zahn des Riesen ausfüllen’. In Rabelais Gargantua 1, cap. 38 geraten sechs Pilger, die sich in eine Salatstaude verkriechen, dem Helden zwischen die Zähne; danach Fischart, Gargantua cap. 41.
  10. Vgl. zum Erbsenstreuen oben S. 3² und zu nr. 67.
Der Gevatter Tod Nach oben Fitchers Vogel
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