Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/Zur Erinnerung an Georg Haltermann

Kurzer Abriß der Geschichte des k. Consistoriums in den Herzogthümern Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Kurze Geschichte der Städte
[158]
26.
Zur Erinnerung an Georg Haltermann weil. Regierungsrath und Mitglied der Königlichen Landdrostei zu Stade.

Unter den ehrenwerthen Männern, welche ihr Leben mit besonderem Erfolge dem Dienste der Menschheit gewidmet haben, darf in unserer Provinz hervorgehoben werden der am 21. Januar 1852 zu Osterholz verstorbene Geheime Regierungsrath Haltermann.

Georg Andreas Siegfried Haltermann, geboren den 3. October 1772, war ein Sohn des im Jahre 1791 verstorbenen Regierungs-Secretairs zu Stade Joh. Nicolaus Haltermann, welchen Rotermund im Gelehrten Hannover als einen seiner Verdienste wegen unvergeßlichen Mann bezeichnet. Nach vollendeten Studien zu Stade und Göttingen wurde er 1792 Auditor, und 1800 Secretair bei der Regierung in Stade. Während der französischen [159] Occupation bekleidete er die Stelle eines Receveur des domaines et de l’enregistrement zu Neuhaus a. d. Oste. Nach der Wiederherstellung der Hannoverschen Lande 1814 wurde er Mitglied der provisorischen Regierungs-Commission und bald darauf zum Hofrath und Mitgliede der Provinzial-Regierung ernannt. Als im Jahre 1823 die Landdrostei Stade errichtet wurde, trat er als Regierungsrath in dieselbe ein, und hat in diesem Amte eine lange Reihe von Jahren gearbeitet. 1843, nach 50jähriger Dienstzeit, nahm er seinen Abschied mit dem Titel eines Geheimen Regierungsraths; wie er denn schon früher das Ritterkreuz des Guelphen-Ordens erhalten hatte. Er war zwei Mal verheirathet; aber nur eine Tochter aus erster Ehe hat ihn überlebt.

Mit seinem Eintritte in die Landdrostei eröffnete sich ihm ein weites Feld der Thätigkeit. Alle wichtigeren Arbeiten wurden von ihm entweder selbst besorgt, oder doch unter seiner speciellen Aufsicht betrieben. Er verstand es dabei, durch sein wohlwollendes Benehmen jüngere arbeitstüchtige Kräfte heran zu bilden und sich und dem Staate dienstbar zu machen. Fast alle seitdem in den Herzogthümern Bremen und Verden und dem Lande Hadeln in’s Leben getretenen gemeinnützigen Institute, wie namentlich der ritterschaftliche Credit-Verein, die Versicherungs-Cassen für Vieh-Verluste, die Gewerbe-Schulen, sind von ihm angeregt oder doch vorzugsweise durch ihn gefördert; auf die Verbesserung der Armen-Anstalten war fortwährend sein Streben gerichtet[1]. Die Errichtung eines Krankenhauses vor Stade, welches der ganzen Provinz zu Gute kommt, ist vornämlich ihm zu danken, und dieses sein Lieblingswerk unterstützte er mit großen Opfern, auch durch Herausgabe der Vermischten historischen Sammlungen des sel. Pratje. Zusammen mit dem General-Superintendenten Ruperti gründete er 1822 die Allgemeine Prediger-Wittwen-Casse [160] und das Provinzial-Schullehrer-Seminar. Der Vaterländische Verein zu Stade ist besonders durch ihn gestiftet worden und bis an sein Lebensende widmete er diesem Institute die regste Theilnahme. Er nahm sich mit Eifer der Verbesserung der Landstraßen an, und um so verdienstlicher ist, was er in dieser Hinsicht geleistet, weil während seiner Dienstzeit nur noch sehr geringe Beihülfen zu solchem Zwecke aus der Landes-Casse erfolgten. Die Straße über den schwarzen Berg bei Stade, die von Cadenberge nach Neuhaus, die Landstraße im Amte Lilienthal nach Bremen u. a. kamen auf seinen besondern Antrieb großentheils durch freiwillige Beiträge und durch Actien-Zeichnungen zu Stande. Beharrlich wurde von ihm der Plan der Erbauung des jetzt vollendeten Hadelnschen Canals verfolgt: auch die Anlage eines Canals zwischen Bremen und Stade, von ihm öfters zur Sprache gebracht, unterblieb nur, weil die Mittel dazu fehlten. Mit den Betheiligten, mit einflußreichen Beamten und Gemeindegliedern in der Provinz setzte er sich zur Erreichung nützlicher Anstalten in persönlichen Verkehr, suchte sie zu gewinnen, und scheuete keine Anstrengung, keine pecuniären Opfer, um das für gut erachtete Ziel zu erreichen, indem er alle Hindernisse durch nicht zu ermüdende Ausdauer zu besiegen strebte.

Bei seiner langen geschäftlichen Thätigkeit war sein Augenmerk immer nur auf das Gemeinwohl gerichtet, und er wußte dabei mit vielem Scharfblick die Interessen der Einzelnen thunlichst zu befriedigen. Das Formenwesen war ihm zuwider; und ohne besonderer Verehrer von neuen Verfassungen zu sein, huldigte er den Grundsätzen der freien Bewegung des Verkehrs der Gemeinden sowohl als der Einzelnen. Seine Milde im Urtheile über Andere, so wie seine Bereitwilligkeit zu helfen und zu dienen, war allbekannt: er hat vieler Noth abgeholfen, manchen Kummer gestillt, und manche Thränen getrocknet. Da, wo von Seiten der Regierung oder der Gemeinden keine Hülfe gewährt werden konnte, veranlaßte er mit ihm gleichgesinnte Männer, gemeinschaftlich einzutreten, wenn seine alleinigen Kräfte nicht ausreichten. Daß ein Mann von seinem [161] Geiste, welcher in der Thätigkeit selbst seinen Lohn fand, sich über Anklagen und Verdächtigungen hinaus zu setzen wußte, war natürlich. Man lächelte wohl einmal über die Menge seiner Projecte; aber wer hat, wie er, so viele Projecte ausgeführt? Man sagte wohl, um dem Einen zu helfen, habe er mitunter dem Andern zu nahe gethan; aber welchem kraftigen Helfer wäre nicht Aehnliches begegnet? Auch schwere körperliche Leiden (er litt viele Jahre an einem nervösen Gesichtsschmerze) und manche Familien-Schicksale konnten seinen Muth nicht lähmen, seinen heitern Sinn nicht auf lange Zeit stören; wie er denn in Gesellschaften stets eine muntere Laune zeigte.

Sein Christenthum war, nach der Richtung jener Zeit, ein ziemlich allgemeines, mehr der Werkthätigkeit zugewandt, als der Glaubensinnigkeit; aber es war ihm Herzenssache; und gern besuchte er den Gottesdienst, wenn die Vorträge des Predigers ihn anzogen. In der Freimaurer-Loge war er lange Jahre Meister vom Stuhle.

Haltermann’s kleine, aber bewegliche Gestalt, sein freundlich lebendiges Auge, seine fein geröthete Gesichtsfarbe, und seine saubere perlartige Handschrift werden denen, die ihn persönlich gekannt, noch lebhaft vorschweben.

Sein Andenken, als eines Menschenfreundes, eines Patrioten und patriotischen Beamten, wird in der Provinz im Segen bleiben.


  1. Ein Aufsatz über Hamburg’s Armen-Anstalten im Hannov. Magazin von 1798 Seite 40 ff. (s. Rotermund’s Gelehrtes Hannover) scheint das Einzige gewesen zu sein, was er hat drucken lassen.
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