Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/Johann Bornemacher, ein Märtyrer der Reformation

Die Ursachen, welche die Einführung der Reformation in den Herzogthümern befördert haben Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Das Pater-Kleid und der Pater-Busch zu Visselhövede
[107]
16.
Johann Bornemacher, ein Märtyrer der Reformation.
(Aus dem Stader Sonntagsblatte. 1854. № 18. ff.)

Als unter der Regierung des Kaisers Trajan der heil. Ignatius von Antiochien nach Rom geführt wurde, um den Löwen vorgeworfen zu werden, sprach er unterwegs mit der sanften Heiterkeit, welche ein Grundzug seines innern Wesens war: „Wir Christen sind Gottes rechtes Korn und müssen zermalmt werden zwischen den Zähnen der wilden Thiere.“ Ihm ähnlich zeigte sich der erste Märtyrer des Lutherthums in Deutschland, Heinrich von Zütphen, welcher mit demüthiger Ergebung ohne Schwachheit und Rückfall in christlicher Entschlossenheit den Feuertod erlitt. Sein Name wird gepriesen werden, so lange unsere Kirche steht. Der zweite, welcher unter der Regierung des Erzbischofs Christoph um der Reformation willen den Tod erlitt, war Johann Bornemacher; die Rache des katholischen Feindes faßte ihn, als er mitten in der Entwicklung seines innern Menschen und noch nicht durchgebildet genug war, um das Römische Wesen völlig abzustreifen. Daher in seinem Auftreten die sonderbare Mischung von katholischem Formendienst und lutherischem Geiste, von hohem Muth und zaghafter Verleugnung. Einige Jahre stiller Sammlung hätten vielleicht hingereicht, diesen geistig hochbegabten, aber charakterschwachen und unruhigen Mann zu einem glorreichen Kämpfer der lutherischen Kirche zu machen. Aber er wollte zu früh wirken, und so hat sein Tod der katholischen Kirche wenig geschadet und der lutherischen wenig genützt. Die Erscheinung dieses Mannes hat daher nur für unsere Provinz eine Bedeutung, indem der Schauplatz seiner Wirksamkeit gerade unsere Gegend ist.

Johann Bornemacher war im Herzogthum Braunschweig gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts geboren und wurde frühzeitig Mönch in dem großen und prachtvollen Kloster Walkenried. Gegen die Gewohnheit der Mönche jener Zeit, welche nur dem Müßiggange und der Weltlust sich hingaben, lebte er hauptsächlich den [108] Wissenschaften und führte persönlich einen streng sittlichen Wandel. Als Luther gegen den Pabst aufgetreten war und seine Schriften von Wittenberg aus durch Deutschland flogen, zündete solch ein fliegendes Blatt in dem Herzen des jungen Mönchs von Walkenried. Er entsprang aus dem Kloster. Es war nichts in demselben, das ihn daran hätte fesseln können; das Wohlleben daselbst hatte wenig Reiz für ihn, und sein eigner ernster Lebenswandel hatte ihm keine Freunde erworben. Ohne festen Plan kam er nach Bremen, wo die Pfarre zu St. Remberti gerade erledigt war. Bei den Bauherren – so heißen in Bremen die Kirchenvorsteher, denen die Predigerwahl zusteht – legte er offen sein Leben, seinen Abscheu gegen das Mönchswesen und seine Neigung zu der lutherischen Lehre dar. Nichts konnte den Bauherren, welche selbst eifrigen Antheil an Luthers Bestrebungen nahmen, erwünschter kommen, als dies offene Bekenntniß des Mönchs. Sie übergaben ihm die Pfarre, verschafften ihm leicht Verzeihung für seine Flucht von dem Abt zu Walkenried, welcher ihn gar nicht zurückwünschte, und so nannte er sich Bruder Johann, Kirchherr zu St. Remberti. Einige Jahre lang wirkte er im Stillen für die neue Lehre, behielt aber die katholischen Ceremonien bei. Entweder wußte er die katholischen Formen mit seinen noch schwankenden Ueberzeugungen in leidlichen Einklang zu bringen, oder er hielt sie für wirklich nothwendig. Er nahm auch eine Frau zur Ehe, doch heimlich. Dies war leicht geheim zu halten, weil damals jeder katholische Geistliche ohne Ausnahme ein Kebsweib hatte. Bei Bruder Johann war nur der Unterschied, daß er die Frau, welche in seinem Hause war, wirklich geheirathet hatte, und daß es – was ihm nachher verderblich wurde – eine Nonne war.

Die Zeiten wurden stürmisch: es gährte in dem Volke. Die Stellung der katholischen Geistlichen in Bremen wurde schwankend und unhaltbar. Es war im Jahre 1526, als auch an Bruder Johann die Nothwendigkeit immer drängender herantrat, nach einer Seite hin sich zu erklären. Seinen Amtsbrüdern in Bremen wurde es sehr leicht, denn sie reformirten sich im folgenden Jahre, ohne daß es ihnen, [109] wie es scheint, viel Ueberwindung kostete. Ihm ward es schwer, denn es war ihm ernst mit der Sache. Er konnte die katholischen Rückstände, welche in seiner Seele hafteten, so schnell nicht ausscheiden. Von Unruhe und Zweifel lange umhergetrieben, faßte er endlich den Entschluß, nach Wittenberg zu wandern und bei Luther selbst und dessen Amtsgenossen sich Raths zu erholen, um aus der Unentschiedenheit seines Gemüths heraus zu kommen. Er nahm Abschied von Frau und Kind und kam nach Wittenberg. Eine unglücklichere Zeit hätte er nicht treffen können. Der Bauernkrieg[1] stand in hellen Flammen, und Luther hatte alle Hände voll zu thun, um Frieden herzustellen. Er konnte sich um die Herzensbedrängnisse eines fremden Mönchs wenig kümmern. Bruder Johann hielt sich kurze Zeit in Wittenberg auf, hörte die lutherischen Prediger, welche aber mit der Unruhe des Vaterlandes sich in ihren Reden beschäftigten und auf die Gründung und Festigung einer einzelnen Seele keine Rücksicht nahmen. Bruder Johann waren die damaligen Zeitläufte gleichgültig, ihm lag daran, der eigenen Unruhe entledigt zu werden. Das konnte ihm unter den zeitigen Umständen in Wittenberg nicht gelingen. Traurig, verstimmt, zweifelnder als zuvor, machte er sich auf den Rückweg.

Wir können erkennen, in welchem Uebergangszustande sich sein Geist damals befand. In Wittenberg kaufte er eine Menge von Luthers Schriften und nannte sich auch seinen erklärten Anhänger; unterwegs aber sammelte er mancherlei Reliquien, welche durch die Reformation ihren Werth verloren hatten, und brachte deren auf seiner Reise durch Sachsen eine Menge zusammen. Luthers Schriften und diese katholischen Heiligthümer – an hundert Stück – packte er in ein großes Faß und reisete damit zurück. Sein Geist war noch nicht im Stande, von der Verehrung der Reliquien sich loszusagen; er sollte die Gegenstände verachten, vor denen er so lange Jahre geknieet und gebetet hatte – das ward ihm zu schwer.

Auf seiner Rückreise kam Bruder Johann nach Verden. Daselbst regierte in jener Zeit Christoph, ein geborner Herzog von Braunschweig und Lüneburg, zugleich [110] Erzbischof von Bremen und Bischof von Verden. Seine Regierung hat 58 Jahr gedauert, und diese ganze lange Zeit hindurch ist er ein erbitterter Feind der Reformation gewesen und hat mit unbeugsamem Eigensinn gegen sie gekämpft. Mit sehr verschiedenem Erfolge. Im Bisthum Verden hielt er die Reformation nieder mit eiserner Hand; bei seinem Tode (1558) gab es keinen Geistlichen daselbst, der lutherisch gewesen wäre. Im Erzbisthum Bremen konnte er die neue Lehre nicht dämpfen; in den Städten wie auf den Dörfern fiel ein Geistlicher nach dem andern ihm ab; in seiner eigenen Domkirche ward ein lutherischer Prediger angestellt, welcher allsonntäglich eiferte gegen „den Römischen Antichrist und den katholischen Aberglauben.“ Der Erzbischof mußte es dulden. Mit finsterem Grimm saß er zu Verden auf seinem Stiftshofe – (dem jetzigen Obergerichtsgebäude) – und hatte keine Macht, dem Unheil zu wehren. Aber er hatte die Fahne der katholischen Lehre aufrecht gehalten bis zu seiner Todesnacht – das war die letzte Nacht, wo der Mond auf ein katholisches Herzogthum Bremen schien.

Es war am Tage der Empfängniß Mariä, als Bruder Johann in Verden eintraf. Alle Landstraßen waren voll von Menschen, welche zu dem hohen Feste in die Stadt wanderten. Er schloß sich einem Haufen von Kirchgängern an und fragte, wohin sie wollten. Sie antworteten „nach Verden zur Kirche, denn es ist unser lieben Frauen Fest.“ Er erwiederte finster: „Unsere liebe Frau ist wie ein ander Weib“, und ging voraus. Erstaunt blickten ihm die Leute nach…

In Verden eingetroffen, sah er die Schaaren zur Kirche ziehen, sah die Procession des Bischofs in seinem Prunke, das Gefolge der Domherren, die Reihen der niedern Geistlichen mit Kreuzen, und fliegenden Fahnen. Während in Bremen solch ein Aufzug nicht mehr gewagt werden konnte, stand hier das katholische Wesen noch in voller Blüthe. Bruder Johann hatte in Bremen viel zu dem Falle desselben beigetragen, er hatte mit den Domherren Berathungen gehabt, er war vielleicht Veranlassung gewesen, daß diese wichtige und einflußreiche Körperschaft, wenn auch noch [111] nicht dem Namen, doch der That nach zur lutherischen Lehre überging. Es wäre nutzlos gewesen, in Verden auf ähnliche Weise wirken zu wollen; die Chronik sagt: „er könte dasmahl den Ertz Bischof noch vielweniger sein Capitul bekehren, die waren in der Papisterey auferzogen sammt allen Geistlichen so damahls bey der Kirchen gelebt.“

Mit steigendem Unwillen sah er den katholischen Prunk und hörte die Gesänge zum Lobe der Maria. Immer mächtiger wurde in ihm der Gedanke, dies Unwesen müsse aufhören und der Tempel gereinigt werden vom Götzendienst. Bei der höheren Geistlichkeit konnte er keine Hoffnung sich machen, er mußte sich an das Volk wenden. Der Geist seiner Zeit kam über ihn. Er wollte den Feind im eigenen Hause aufsuchen und bekämpfen.

Seines Entschlusses voll ging er zum nächsten Gebüsch – es war ein Haselnußstrauch –, flocht sich einen Kranz von welken Blättern und setzte sich denselben auf das Haupt. Welche Absicht er dabei gehabt haben mag, ist schwer zu sagen. Mit diesem sonderbaren Schmucke geziert, begab er sich in die Domkirche. Das Hochamt war vorüber, der Bischof und die hohen Geistlichen hatten die Kirche verlassen. Das Volk aber war noch versammelt und hörte der Predigt zu. Sie wurde vom Domprediger Johann Dingschlag gehalten. Nichts konnte geeigneter sein, einen Mann, der von reformatorischen Gedanken erfüllt war, aufzuregen, als die Persönlichkeit des genannten Predigers. „Der gemeldter Thum-Prediger Dingschlag hatte ja so wohl verdienet, daß er wäre alsobald an den Galgen gehencket; denn er war ein Dieb und stohl bald hernach Anthonies dem Küster im Thum seine Schlüssel, gieng hin, schloß damit sein Hauß und ein Cantor in der Stüben auf und stohl ihm 20 Gold-Gülden Geldes, legte ein Zettel darin; Lieber Tönnies, meye dich nicht zu sehr, diß Geld soltu bald wiederum bekommen und die Zinse dazu. Item er stohl auch einen silbernen Becher auf Herr Johann von Münchhausen Hofe. Dieser Dingschlag war auch des Capittuls Stationarius, zog mit unser lieben Frauen Bilde umher, sammlete damit groß Geld und sparete bißweilen den dritten Pfenning davon und lernete also das Stehlen [112] dabei.“ War es schon empörend, solch einen Mann auf der Kanzel zu sehen, so konnte das, was er predigte, nicht geeignet sein, diesen Eindruck zu mildern. Es war tolles Zeug: „Hier muß einer seyn“, sagte er, „der köstliche Kräuterey bey sich hat, denn es raucht besser als Negelein und Muschaten: Es ist der Heilige Geist, der kommt zu mir, mit einem köstlichen Geruch und offenbahret mir heimliche Dinge, die ich nicht alle sagen und offenbahren muß. Alles, was ich euch predige, ist eben so viel, als wenns der Heilige Geist selber redete; und machte den Leuten ferner weiß, der Heilige Geist hätte ihm geoffenbahret, daß eine grosse Sündfluth kommen würde, also daß das Wasser in der Thum-Kirchen über den Hohen Altar gehen würde“ u. s. w.

Bei den albernen Worten dieses Mannes konnte sich Bruder Johann nicht länger halten. Er sprang auf und in feuriger Rede hielt er ihm seine Thorheit vor. Von eigener Kühnheit immer weiter hingerissen, ging er auf das katholische Wesen selbst über, und in hoher Begeisterung predigte er vor dem verstummten Pfarrer und dem erstaunten Volke die Herrlichkeit der neuen Lehre.

Es war eine feurige hinreißende Rede. Erstaunt blickte das Volk auf den fremden Mann in Mönchstracht mit seinem Kranze von Hasellaub. Niemand außer ihm sprach ein Wort, kein Zeichen des Beifalls oder des Zorns wurde laut, die Ueberraschung war zu groß. Endlich schloß Bruder Johann seine Rede.

Er hatte ein großes Versehen begangen. Daß er einen katholischen Prediger öffentlich Lügen strafte und unberufen Luther’s Lehre verkündigte, war dem Geiste der Zeit gemäß und wohlgethan. Aber er hatte in seiner Uebereilung nicht bedacht, was denn werden sollte, wenn er sein Zeugniß vom reinen Evangelio vorgebracht hätte. Durch seine begeisterten Worte hatte er seine Zuhörer in der Hand, es war nun aber durchaus nothwendig, daß er dieselben zu irgend einer That aufforderte, um die angezündete Flamme nicht nutzlos verfliegen zu lassen.

Er handelte anders. Als er seine Rede endete, blickte er um sich. Allenthalben stumme erstaunte Gesichter. Er [113] wußte nicht was er nun zu thun hatte. Bangigkeit kroch über sein Herz, all sein hoher Muth lief ihm wie Wasser durch die Finger. Die Ueberraschung in den Mienen der Leute betrachtete er als Zorn und Drohung. Voll Angst sprang er von seiner Bank und lief mit eilenden Schritten aus der Kirche. Alle etwaigen Erfolge seiner Rede machte diese schmähliche Flucht zu nichte. Als wären die Feinde ihm auf den Fersen, so eilte er aus der Stadt und erst in dem tiefen Sande vor dem Norderthore fand er seine Besinnung wieder.

In der Stadt Verden verbreitete sich die Kunde von dem Wagnisse des fremden Mönchs in einem Augenblick. Dem Prediger Dingschlag war schon früher einmal während einer Rede öffentlich zugerufen worden, daß er ein Dieb und Ehebrecher wäre, und diese Störung des Gottesdienstes war damals straflos geblieben. Daß aber Jemand Luther’s Ketzereien in einem katholischen Dome vortragen wollte, das konnte nimmermehr ungeahndet bleiben. Bischof und Domkapitel traten in ernste Berathung. Wo war der Ketzer, der Störenfried, der entartete Mönch, das Teufelskind? Er war entflohen. Ganz richtig muthmaßten die hohen Herren, daß eine Verfolgung den Flüchtling schwerlich in ihre Gewalt bringen würde; es war rathsamer, scheinbar gar keine Maßregeln zu seiner Habhaftwerdung zu treffen; er werde von selbst schon wieder kommen.

Ihre Berechnung erwies sich als richtig. Als Bruder Johann einige Stunden hinter einem Sandhügel gelegen und über seinen kühnen Schritt nachgedacht hatte, ergriff ihn allmählig Reue und Beschämung, daß er auf so unwürdige Weise sein Werk beschlossen hatte. Er kehrte in die Stadt zurück. Niemand achtete seiner. Ein Mönchsgewand war damals eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Langsam ging er zum Dom. Jetzt wußte er, was er wollte. Es war zu spät. Die Kirche war offen, aber leer. Er ging durch dieselbe, unschlüssig, was er für den Augenblick beginnen wollte. Aber die Feinde lauerten auf ihn. Vor der Choralei, der jetzigen Küsterwohnung, faßten ihn die Diener des Domkapitels. Er ward auf das neue Thor gesetzt, ein Gefangener.

[114] Der Bischof und die Domherren ließen Bruder Johann vor sich kommen. Sein Muth war wiederum verflogen, er war in der Furcht. Nichts wollte er offen eingestehen, weder wer er wäre, noch woher er käme. Er stand vor seinen Richtern nicht als ein Zeuge seines Glaubens, sondern als ein verzagter, verstockter Sünder.

Die geistlichen Herren hatten Mittel, ihn zum Geständniß zu bringen. Ihr Scharfrichter Klövekorn war zufällig in Stade. Eilends ließen sie ihn holen. Es ging zur Marterkammer. Mit furchtbarer Folter ward Bruder Johann angegriffen. Die öffentliche Sittlichkeit gestattet nicht, die Art und Weise zu beschreiben, womit man ihn marterte. Er gestand alles, was er sollte, aber kurz, ungenügend, nicht ohne Widerspruch. Es war aber genug, um ihn verurtheilen zu können. Während er auf der Folterbank lag und der Henker mit heißen Eisen ihn handhabte, standen die Diener des Erzbischofs um ihn und hinter den Dienern stand der Erzbischof selber. Halbtodt ward Bruder Johann in’s Gefängniß zurückgeführt.

Eine Aussage „in der Pein“, wie man es nannte, war an sich nach damaligen Gesetzen nicht gültig; sie mußte durch ein nachheriges freiwilliges Geständniß bestätigt werden. Bruder Johann erschien wieder vor seinen Richtern, aber diesmal als ein anderer Mensch. Kein Schatten von Menschenfurcht oder Bangigkeit; offen, mit fester Stimme, unumwunden antwortete er auf die Fragen und legte ein vollständiges, freudiges Zeugniß seines Glaubens ab. Es war, als ob die Marterbank seine Seele nicht niedergedrückt, sondern befreit und gekräftigt hätte. Nachdem er das Bitterste empfunden, hatten alle körperlichen Qualen ihre Schrecken für ihn verloren. Der hohe unbeugsame Muth des Lutherthums sprach aus seinem Munde; als er von seinem Glauben Zeugniß abgelegt, schwieg er. In dem Augenblicke war er ein theures Mitglied der neuen Kirche.

Seine Aussage in diesem letzten Verhör ist noch als Protokoll vorhanden. Es ist zu lang, um es hier wörtlich wieder zu geben. Obgleich es von seinen Feinden aufgesetzt und ersichtlich entstellt ist, kann man die reine lutherische Lehre daraus erkennen, wenn auch noch nicht völlig [115] durchgebildet. Er leugnete in diesem Verhöre das katholische Meßopfer und das Sacrament der Priesterweihe. Der Pabst wäre der rechte Antichrist, davon prophezeit wäre. Alle anderen gesalbten Priester, die sich nach Luthers Lehre nicht richten, seien Pharisäer. „Die Messe sei nichts, auch nichts zu achtende, man sollte sie fliehen, so weit man ein weiß Pferd abaugen könne im Felde. Kein Mensch könne was Gutes thun oder durch seine Werke selig werden. Marien-Gebilde sei nichts anderes, als ein Teufelskopf, man sollte das Bild von dem Altar stoßen.“ Er ward zum Feuertode verurtheilt.

Bevor man zur Hinrichtung schreiten konnte, hatte der Erzbischof noch ein ihm heiliges Amt zu verrichten.

Bruder Johann hatte gestanden, daß er Reliquien mit sich gebracht habe. Er mußte angeben, in welcher Herberge er dieselben niedergelegt habe. Der Erzbischof sandte ihnen entgegen. Als das Faß herbeigeschafft und geöffnet war, „wurde das Heiligthum mit großer Reverentz und Solennität herausgenommen,“ in herrlicher Procession in den Dom eingeholt, unter dem Geläute aller Glocken, mit Kreuzen und fliegenden Fahnen begleitet, und unter Gesang und Orgelspiel sorgfältig und ehrerbietig verwahrt.

Die Bücher, welche dasselbe Faß enthielt, waren Luthers Catechismen und Psalmen, „welche der Bischof auf Herr Michael von Mandelßloh Hoffe auf dem Pfort-Hause für dem Schornsteine verbrennen lassen mit grossem Eyfer.“

Darauf wurde Bruder Johann zum Tode geführt. Vor körperlicher Schwachheit konnte er sich kaum bewegen, aber sein Geist war klar und muthig. Es ward ein öffentliches Gericht über ihn gehalten auf dem Lügenstein – dem freien Platze vor der jetzigen Apotheke in Verden – und er feierlich zum Tode verurtheilt, weil er eine Nonne geheirathet und ketzerische Bücher in’s Land gebracht habe. Weder sein Lutherthum; noch sein kirchlicher Angriff auf den Domprediger wurden erwähnt.

Er ward auf einen Wagen gesetzt und unter Begleitung einer unzählbaren Volksmenge zum Feuer geführt. Unterwegs bat er die Leute, sie möchten ein Paternoster und ein Ave Maria für ihn sprechen. Man darf dies [116] Begehren nicht als einen Rückfall zum Katholicismus ansehen. Er wünschte Hülfe, Fürsprache und Gebete; und die genannten Gebete waren die einzigen, welche das Volk hatte. Binnen einer Stunde sollte sein Körper in Asche verwehen – es war nicht der Augenblick, über lutherische oder katholische Gebete sich zu bedenken.

Darauf ward er aus dem Neuen Thor geführt auf das Burgfeld nach dem Siechen-Hause bei Brawelskreuze. (Es ist der Garten, welcher jetzt links von der Chaussee an den Kirchhof grenzt.) Wir wollen sein Ende mit den Worten der Chronik wiedergeben. „Allda war ein großer Hauffe Holtzes zusammen gelegt und angezündet und wie es nicht brennen wollen, hat der arme Mensch offt gefraget, ob das Feuer nicht brennen wolte und als der Thum-Prediger Dingschlag ihm auf Latein angeredet und ihn trösten wollen, hat er gesagt: Lieber Herr! redet doch deutsch, daß es die Leute umher verstehen können, ich habe mehr vergessen als ihr gelernet habt; wie aber das Feuer nicht angehen wollen, hat man ihn von den Wagen gesetzet und von des Bischoffs Weingarten dröge Büsche geholt und also damit das Feuer brennend gemacht. Unterdessen hat er allezeit fleißig von Gott und den Glaubens-Artikuln geredet: darnach hat ihm der Büttel auf eine Leiter gebunden und wie er das Corpus also damit aufrichten wollen, ist es ihm und seinen Knechten zu schwehr worden, also daß sie den Armen Menschen fallen lassen und die Leiter kürtzer abhauen müssen, welches ihm eine grosse Pein gewesen, hernach ihn wieder aufgerichtet und also ins Feuer geworfen.“

Das war das Ende Johann Bornemacher’s. Wir wollen das Urtheil hinzufügen, welches Andreas von Mandelslo über ihn abgiebt, der sein Zeitgenosse, Domherr in Verden, heimlicher Lutheraner, aber auch ein freilich sehr vorsichtiger Mann war. „So viel man aus seiner Bekäntniß vermerken können, ist er in etzlichen Stücken seines Glaubens ein Christe gewesen, sonsten auch mit der Sacrament-Ketzerei und Bildstürmerei behafft, hat auch seine Dinge zu grob an den Tag gegeben, denn es war zu viel, daß er den Prädikanten Lügen straffte, hätte es wohl [117] glimpfflicher machen können: er hat nicht gethan, wie St. Paulus zu Athen, der mit füglichen Worten sie ankam und mit Glimpf mit ihnen redete, da es aber nicht sein wolte, ließ er sie bleiben; so sollte Bruder Johann auch gethan haben.“

Die Bremer rächten seinen Tod durch Spottgedichte und Processionen, in denen sie das katholische Wesen verhöhnten.

Wiedemann, Pastor in Bargstedt.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bauernkreig
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