ADB:Sprecher von Bernegg, Johann Andreas

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Artikel „Sprecher von Bernegg, Johann Andreas“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 284–285, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sprecher_von_Bernegg,_Johann_Andreas&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 12:24 Uhr UTC)
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Band 35 (1893), S. 284–285 (Quelle).
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Sprecher: Johann Andreas S. v. Bernegg entstammte einer berühmten, durch viele Staatsmänner glänzenden Schweizer Familie und wurde am 31. August 1819 geboren. Sein Vater, der Bundeslandammann Johann Andreas S. stand der Handlungsfirma von Sprecher und Rofler vor, mußte aber infolge unglücklicher Speculationen sich 1820 durch schleunige Flucht der gerichtlichen Verfolgung entziehen. Die Familie ließ sich in der Nähe von Neuwied am Rhein nieder, und hier besuchte der Sohn zunächst die Knabenanstalt der Brüdergemeinde, um dann auf das Gymnasium zu Wetzlar überzugehen. Er sollte nach dem Wunsche seiner Angehörigen Theologie studiren; sein lebhafter Geist schlug indessen andere Bahnen ein, und während seiner Universitätsstudien in Heidelberg und Bonn beschäftigte er sich vorwiegend mit Philologie und Philosophie. Begabt mit einem hervorragenden Sprachtalente, war es ihm möglich, sich im Laufe der Zeit mit elf Sprachen vertraut zu machen. Das Ableben seines Vaters nöthigte ihn jedoch, seine Studien abzukürzen und auf selbständigen Erwerb Bedacht zu nehmen. Er trat zunächst eine Hauslehrerstelle bei der Familie Necker in Genf an, wandte sich dann nach Wien, wo er vergeblich durch schriftstellerische Thätigkeit sich eine Existenz zu gründen strebte, und endlich wieder als Hauslehrer nach Siebenbürgen. Bei Ausbruch der ungarischen Revolution trat S. als Officier in die Honvedarmee ein und machte in derselben mehrere Kriegsfahrten mit. Als jedoch Ungarn mit Hülfe Rußlands niedergeworfen war, gerieth auch S. in Gefangenschaft und wurde vor ein Kriegsgericht gestellt. Nur seiner Eigenschaft als Ausländer hatte er es zu danken, daß er nicht als Rebell behandelt, sondern des Landes verwiesen wurde. Mittellos langte er in der Schweiz an, kehrte auch hierher zurück, nachdem er eine Zeit lang als Lehrer in London gewirkt, und lebte bei seiner Schwester im Pfarrhause zu Thalheim Kt. Aargau. Hier erhielt er von der Sauerländer’schen Verlagshandlung in Aarau den ehrenvollen Auftrag, eine neue Bearbeitung des „Geographisch-statistischen Handlexikons der Schweiz“ (1856) zu besorgen. Mit Fleiß und Umsicht unterzog er sich dieser Aufgabe, so daß er das Werk gegenüber der früheren Ausgabe um [285] 3000 Artikel bereicherte. Kurz vor Beendigung dieses Werkes war S. nach Chur übergesiedelt, wo er die Stelle eines Actuars beim Erziehungsrathe und der kantonalen Armencommission erhalten hatte. Das Erlöschen dieser Commission, deren Aufgaben an die Regierungsbehörde übertragen wurden, sowie ein zunehmendes Gehörleiden, mahnten S., alle öffentlichen Aemter aufzugeben; er widmete sich jetzt mehrere Jahre der Publicistik und übernahm die Redaction der „Neuen Bündnerzeitung“, in der er, einem gemäßigten Liberalismus huldigend, sich durch sachliche Behandlung der Tagesereignisse bald Beachtung und Anerkennung erwarb. In diese Zeit fällt auch sein erster belletristischer Versuch „Aus Heimath und Fremde“ (1859), ein Heftchen mit vier Erzählungen, wovon zwei Erinnerungen an Ungarn enthalten, während die beiden übrigen bündnerischen Zuständen gewidmet sind. Unterdessen hatte S. durch Ankauf von Familienbibliotheken sich ein reichhaltiges Antiquariat beschafft, dessen Verwerthung theils im Handel, theils zu eigenen historischen und litterarischen Studien nun seine Zeit und seine Kräfte vollauf in Anspruch nahm. Die reifste Frucht aus diesen Studien ist seine „Geschichte des Freistaats der drei Bünde im 18. Jahrhundert“ in zwei Bänden, wovon der erste die politische, der zweite die Culturgeschichte enthält. Schon längst Mitglied der geschichtsforschenden Gesellschaft von Graubünden, war er 1858 deren Präsident geworden. Hier bereitete er in einer Reihe von einzeln gedruckten Vorträgen das eben genannte Geschichtswerk vor. Sprecher’s letzte Arbeiten waren wieder belletristischer Gattung; sie führen in die Zeit des dreißigjährigen Krieges ein, während welcher das Land durch Parteistürme, Religionsverfolgungen, Aufstände, militärische Occupationen und Pestkrankheiten so unsäglich litt. „Donna Octavia“ (histor. Roman, 1878) schildert uns die Begebenheiten des Veltliner Mordes, ausgehend von dem Untergange von Plurs, in einem Familiengemälde, während „Die Familie de Saß“ (histor. Roman, 1881) auf dem Untergrunde der Pestzeit beruht und die Schicksale zweier feindlichen Brüder zum Gegenstande hat. In diesen beiden Romanen, die sich durch naturwahre Schilderung von Land und Leuten, sowie auch durch ihre ernste und auf religiösem Grunde ruhende Weltanschauung auszeichnen, tritt zwar die poetisch gestaltende Durcharbeitung des Gesammtstoffes sehr in den Hintergrund gegenüber der Einzelschilderung, so daß, ästhetisch genommen, hier ein Mangel an durchgreifender Gestaltungskraft kund wird, nichtsdestoweniger bieten sie aber eine angenehme und belehrende Lectüre. Einen dritten Roman, der den ganzen Cyklus dieser Darstellungen aus dem 17. Jahrhundert beenden sollte, hat der Dichter nicht mehr vollenden können; er starb in Chur am 8. Januar 1882.

Nach Mittheilungen aus der Familie.