ADB:Seckendorff-Gudent, Arthur Freiherr von

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Artikel „Seckendorff-Gudent, Arthur Freiherr von“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 521–523, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seckendorff-Gudent,_Arthur_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:44 Uhr UTC)
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Seckendorff: Dr. Arthur Freiherr v. S.-Gudent, Forstmann; geboren am 1. Juli 1845 in Schweizerhalle (bei Basel), † am 29. November 1886 zu Wien. Er war der Sohn eines sachsen-coburg-gothaischen Hauptmanns a. D., genoß seine Erziehung, sowie den ersten Unterricht in dem Möller’schen Institute zu Ebersdorf (Reuß j. L.), besuchte dann das Gymnasium in Dresden und studirte von 1860–1862 auf dem Polytechnikum daselbst. Hierauf wendete er sich dem Forstwesen zu und prakticirte zu diesem Behufe zunächst ein Jahr auf dem Waldhäuser Reviere bei Bernstadt (Sachsen). Seine wissenschaftlichen Studien absolvirte er 1863–1868 an der Universität Gießen unter dem genialen Professor Gustav Heyer, zu welchem er bald in ein näheres Verhältniß trat. Am 31. Juli 1867 erwarb er sich den Grad eines Dr. phil. daselbst und erlangte im Frühjahr 1868 die venia legendi für die Universität Gießen, ging aber, nachdem Heyer einem Rufe als Director an die Forstakademie zu Münden Folge geleistet hatte, noch in demselben Jahre nach Zürich, wo er seine Laufbahn als Privatdocent an dem dortigen Polytechnicum begann. Im Herbste [522] 1868 wendete er sich nach Münden, um seine forstlichen Kenntnisse, namentlich im Taxationswesen, unter Heyer’s Leitung zu vervollständigen, kehrte aber schon nach einem Jahre wieder nach Zürich zurück. 1870 wurde er als Professor für die forstmathematischen Disciplinen an die k. k. Forstakademie zu Mariabrunn an Breymann’s Stelle berufen, und als diese Anstalt 1875 mit der seit 1872 ins Leben getretenen Hochschule für Bodencultur in Wien vereinigt wurde, siedelte er mit dahin über. Schon 1873 war ihm wegen seiner ersprießlichen Thätigkeit um die Ausstellung des österreichischen Staatsforstwesens in Wien der Titel eines k. k. Regierungsrathes verliehen worden. 1874 mit der Organisation des forstlichen Versuchswesens für Oesterreich betraut, wurde er am 1. August 1875 zum Leiter desselben ernannt, behielt aber sonst seine Stellung als Professor für Holzmeßkunde, Waldwerthrechnung und Forststatik an der genannten Wiener Hochschule bei. Schon seit 1884 in einem Zustande nervöser Ueberreizung befindlich, theils durch Ueberarbeitung, wohl auch mit infolge anderer Verhältnisse, machte er immer mehr die traurige Wahrnehmung einer steigenden Abnahme seiner geistigen Kräfte, was ihn zu dem verzweifelten Entschluß brachte, seinem Leben durch einen Revolverschuß ein jähes Ende zu bereiten. Der Sectionsbefund ergab in der That einen hochgradigen Gehirnschwund und insbesondere eine Verschmälerung der Rindensubstanz des Gehirns. Da S. in weiten Kreisen bekannt und beliebt war, erregte dieser beklagenswerthe Selbstmord ein ungeheures Aufsehen (Wiener Tagblatt vom 30. November 1886, Nr. 330; Local-Anzeiger der Presse vom 30. November 1886, Beilage; Deutsche Zeitung zu Wien vom 1. December 1886, Nr. 5358, Morgen-Ausgabe; Allgemeiner Holzverkaufs-Anzeiger Nr. 49 vom 8. December 1886).

Seckendorff’s litterarische Thätigkeit war hauptsächlich dem forstlichen Versuchswesen und der Wildbach-Verbauung zugewendet, welch’ letztere er im Sommer 1883 auf einer Reise nach Frankreich – als Begleiter des damaligen Ackerbauministers Grafen Falkenhayn – an Ort und Stelle kennen gelernt hatte. Er debütirte noch in Gießen mit einer 1868 als Inauguraldissertation bei der philosophischen Facultät eingereichten forstmathematischen Abhandlung: „Beiträge zur Waldwerthrechnung und forstlichen Statik“ (Supplemente zur Allgemeinen Forst- und Jagd-Zeitung, 6. Bd., 1867, S. 151), in welcher er den Einfluß der Culturkosten, ferner der Vornutzungen, sowie des Zinsfußes auf die finanzielle Umtriebszeit nachwies und die Preßler’sche Formel für das Weiserprocent modificirte. 1870 gab er „Kreisflächentafeln für Metermaß, zum Gebrauche bei Holzmasse-Ermittelungen“ heraus, welche 1875 eine zweite Auflage erlebten. Die Frucht seiner ersten Reise nach Frankreich behufs Besuches der Pariser Weltausstellung im Auftrage der österreichischen Regierung (1878) war das größere Werk: „Die forstlichen Verhältnisse Frankreichs“ (1879), welchem (1880) die Uebersetzung der Schrift von Demontzey: „Studien über die Arbeiten der Wiederbewaldung und Berasung der Gebirge“ folgte. Sein lebhaftes Interesse und sein warmer Eifer für diesen Fachzweig documentirte sich nach seiner zweiten Reise nach Frankreich (1883) weiter in dem größeren Werke: „Verbauung der Wildbäche, Aufforstung und Berasung der Gebirgsgründe“ (1884) und in einer ganzen Anzahl von (später gedruckten) Vorträgen über diesen Gegenstand (1886), in welchen er, – unter Vorführung eines reichen und interessanten statistischen Materials – in allen Lesarten für praktisches Vorgehen gegen diese Calamität eintrat. Die hierdurch gegebene Anregung blieb nicht ohne Folgen, indem man nun auch in den österreichischen Alpenländern (Kärnthen, Tyrol) mit entsprechenden Bauten gegen die Hochwasser den Anfang machte. Auf dem Gebiete des forstlichen Versuchswesens gab er seit 1878 „Mittheilungen aus dem forstlichen Versuchswesen Oesterreichs“ heraus, welchem später weitere Hefte folgten, [523] ebenso eine kleine Monographie: „Das forstliche Versuchswesen, insbesondere dessen Zweck und wirthschaftliche Bedeutung“ (1881). Außerdem führte er von 1883 ab bis zu seinem Ableben die Redaction des „Centralblattes für das gesammte Forstwesen“ (Wien).

Die unter dem Eindrucke seines tragischen Endes erschienenen Nekrologe feiern ihn entschieden über Gebühr, denn das Rüstzeug zu einem wirklichen Gelehrten ging ihm doch ab. Auch fehlte es ihm an gründlicher Schulung in der Forsttechnik von unten herauf; im praktischen Dienste ist er nie thätig gewesen. Seine Leistungen waren mehr geschickte Zusammenfassungen dessen, was er gesehen, erlebt und von Anderen gehört hatte, als auf langjähriger methodischer Forschung und strenger Geistesarbeit beruhende Originalarbeiten. Hierzu fehlte es ihm – bei seinem etwas aufgeregten Wesen – schon an der nöthigen Ruhe und auch an Zeit. Denn er wurde bald nach hier, bald nach dort geschickt, mußte auch aus Gesundheitsrücksichten wiederholt größere Reisen unternehmen (z. B. nach Corfu und Kairo) und unterhielt gesellige Verbindungen mit den Wiener aristokratischen Kreisen. Er gehört mit zu den Vertretern der forstlichen Reinertragstheorie und stand in dem Kampfe „Hochschule oder isolirte Fachschule“ auf Seiten der ersteren. Seine Schüler und Freunde[WS 1] haben reiche Beiträge zu einem Grabdenkmal für ihn beschafft, welches sich auf dem Matzleinsdorfer evangelischen Friedhofe in Wien befindet.

Forstliche Blätter, N. F., 1887, S. 30 (Nekrolog) u. S. 384 (Grab). – Centralblatt für das gesammte Forstwesen, 1886, S. 580; 1887, S. 4 (Nekrolog), 47 u. 145 (Aufruf zur Errichtung eines Denkmals), S. 185, 236, 284, 411 und 523 (Beiträge), S. 569 und 1889, S. 560 (Grab). – Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 1887, S. 63 (Nekrolog), S. 180 (Denkmal), S. 444 u. 1890, S. 88 (Grab). – Tharander Forstliches Jahrbuch, 37. Bd., 1887, S. 310 (Grab). – Verhandlungen der Forstwirthe von Mähren und Schlesien, 1887, 1. Heft, S. 74 (Nekrolog).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Frennde