ADB:Schulze, Friedrich Gottlob

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Artikel „Schulze, Friedrich Gottlob“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 769–775, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulze,_Friedrich_Gottlob&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 06:27 Uhr UTC)
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Schulze, Georg
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Schulze: Friedrich Gottlob S., Professor an der Universität Jena und Director des landwirthschaftlichen Lehrinstituts daselbst, großherzoglich sächsischer Geheimer Hofrath, † am 3. Juli 1860. Er war am 28. Januar 1795 zu Obergävernitz bei Meißen geboren und sollte als der einzige Sohn des sächsischen Gutsbesitzers Joh. Gottlob S. einer außergewöhnlichen, nach besonderen Absichten seines Vaters geleiteten Erziehung theilhaftig werden. Obwohl der letztere als Besitzer zweier ansehnlicher Landgüter (Obergävernitz und Görisch) ein entsprechend hohes Standesbewußtsein haben mochte, auch als bewährte landwirthschaftliche Autorität im Kreise seiner Berufsgenossen verehrt wurde, so war derselbe dennoch keineswegs geneigt, seinen einzigen Sohn dem landwirthschaftlichen Berufe zuzuführen; er wünschte vielmehr, ihn für eine mit höheren Aufgaben verbundene Stellung im Staatsdienste vorbereitet zu sehen. Der Knabe dagegen faßte schon früh eine große Neigung für das Landleben und die väterliche Beschäftigung, sein Interesse mochte besonders durch die anregend wirkenden Eindrücke gefesselt sein, welche die musterhaft geordneten, vielseitigen und ansprechend gestalteten Verhältnisse auf den Gütern seines Vaters, sowie die mit landschaftlichen Reizen ausgestattete fruchtbare Elbgegend auf das empfängliche Gemüth des begabten Knaben gemacht hatten. Glücklich war er, seinem Vater zur Hand gehen und sich auf den heimischen Gefilden an einer oder der anderen Aufgabe betheiligen zu dürfen, früh schon zeigte er Sinn für Beobachtungen und [770] Verständniß für landwirthschaftliche Verhältnisse, dabei wurde indeß seiner Neigung zum landwirthschaftlichen Berufe auch vielfach neue Nahrung geboten, so daß dieselbe feste Wurzel fassen konnte. Sein Vater sah dies höchst ungern und stellte sich in seiner von Vorurtheilen befangenen Auffassung, nach welcher die Landwirthschaft einen untergeordneten Berufsstand bildete, die Aufgabe, jene Neigung zu bekämpfen, damit der Sohn etwas „Besseres“ werden möge. So brachte er den hoffnungsvollen Knaben, im Alter von neun Jahren, zu einem alten gelehrten Rector in Großenhain, dem er die weitere Erziehung und Vorbereitung desselben für den Gymnasialunterricht übertrug. Nachdem der junge S. in dieser Pension fünf Jahre lang unter völliger Ausschließung vom Verkehr mit Altersgenossen verlebt hatte, schickte ihn der Vater nach der Klosterschule zu Pforta, um ihn dort mit classischer Bildung ausstatten zu lassen und auf diese Weise den bei ihm noch ungeschwächt gebliebenen Hang zum landwirthschaftlichen Berufe, wie er hoffte, gänzlich zu tilgen. Allerdings konnte sich hier der geistig regsame und wißbegierige Sohn sehr bald ebenso wohl von dem anregenden Verkehr mit seinen Mitschülern, als auch von den Bildungsschätzen der berühmten Schule angezogen fühlen, er fand hier reiche Nahrung für sein tiefes Gemüthsleben und zählte bald zu den besten Schülern des Institutes. Aber dennoch ließ er den früher gehegten Wunsch, sich dereinst dem landwirthschaftlichen Berufe widmen zu dürfen, nicht fallen, und es kostete ihm daher neue Ueberwindung, als er nach Absolvirung der Schulcurse in Pforta sich dem Willen seines Vaters gemäß an die Universität Leipzig begeben mußte, um dort Jura zu studiren. Zwei Jahre hindurch besuchte er gewissenhaft die vorschriftsmäßigen juristischen Vorlesungen, ohne denselben ein Interesse abgewinnen zu können, auch hörte er inzwischen mit mehr Befriedigung cameralwissenschaftliche, sowie verschiedene philosophische und naturwissenschaftliche Vorlesungen, allein es gereichte ihm zur größten Genugthuung, als ihm nach zwei Jahren unbefriedigten Strebens sein endlich nachgiebig gewordener Vater die Erlaubniß ertheilte, zur Erlernung der Landwirthschaft nach Hause zu kommen. Er war nun zwanzig Jahre alt, hatte in seiner Charakterbildung wie in geistiger Schulung einen vorgerückten Grad der Reife erreicht und stand hoch über dem durchschnittlichen Bildungsniveau angehender Landwirthe. Ungeachtet dessen ließ ihn sein väterlicher Lehrmeister von unten auf dienen und gestattete ihm erst nach Jahresfrist, sich weiter auf die Stufe eines Verwalters zu erheben und dessen Functionen auszuüben. Als er sodann durch seine Leistungen die volle Zufriedenheit des strengen Vaters erlangt hatte und sich selbst hinreichend sicher in der Praxis der Landwirthschaft fühlte, da erwachte in ihm das Verlangen nach wissenschaftlicher Ausbildung für sein Fach, mit welcher er sich eine höhere Intelligenz und die Fähigkeit zu weitergehenden Aufgaben erwerben wollte. Von diesem Drange beseelt, richtete er sein Augenmerk auf die Universität Jena, welche damals im Rufe hoher Wissenschaftlichkeit stand und zugleich mit einem landwirthschaftlichen Institute verbunden war, das seinen Wintercursus an der Universität selbst, seinen Sommercursus jedoch auf dem großherzoglichen Kammergute Tiefurth bei Weimar abhalten ließ. Dasselbe wurde vom Professor Chr. Gottl. Sturm geleitet und hatte unter dessen Direction schon guten Ruf erlangt, da es dem Bildungsbedürfniß der angehenden Landwirthe ganz zeitgemäß Rechnung trug. An diesen trefflichen Mann wandte sich nun auch S. und ging im Frühjahr 1816 nach Tiefurth, welches damals als Musterwirthschaft eingerichtet war. Dort gewann er sehr bald das volle Vertrauen seines Lehrers, so daß ihn dieser schon nach Jahresfrist zur Uebernahme der Verwaltung der großherzoglichen Kammergüter in Vorschlag brachte. Obgleich S. nicht in dieser Richtung das Ziel seines wissenschaftlichen Strebens suchen konnte, so ging er doch vorläufig [771] darauf ein und bekleidete jenes Amt vom 1. Juli 1817 bis dahin 1819. Ihm war übrigens eine sehr dankbare Aufgabe damit zugefallen, da auf jenen Kammergütern die wichtigsten Reformen durchgeführt wurden, welche ihm einen reichen Zuwachs von Kenntnissen und eine vortreffliche Schulung für seinen Beruf gewährten; gleichzeitig war ihm dort Gelegenheit zum Verkehr in den Hofkreisen Weimars wie mit verschiedenen Professoren der Universität Jena geboten. Durch solche Beziehungen erhielt er immer wieder neuen Antrieb, sich selbst einer akademischen Thätigkeit oder überhaupt wissenschaftlichen Aufgaben zu widmen, und er folgte gern diesem Verlangen, als ihm im Sommer 1819 mit der Berufung seines Lehrers Sturm nach Bonn ein willkommener Anlaß gegeben war, sein dienstliches Verhältniß zu lösen und sich nunmehr zur Habilitation für Land- und Staatswirthschaftslehre in Jena vorzubereiten. Ihn ermuthigte zu diesem Schritt wol auch die Anerkennung, welche ihm nicht nur von seinem Lehrer Sturm, sondern gleichfalls von Seite des Großherzogs Karl August selbst zu theil geworden war, und wenn er bis dahin nur verhältnißmäßig kurze Zeit auf das eigentliche landwirthschaftliche Fachstudium hatte verwenden können, so durfte er ja als Privatdocent noch aus den wissenschaftlichen Quellen schöpfen, welche ihm zur Ergänzung seiner Studien wichtig erscheinen mochten. Im October 1819 habilitirte er sich mit der Dissertation: „De aratri Romani forma et compositione“, und konnte auch bald seine Lehrthätigkeit mit einem kleinen Auditorium von wenigen Studirenden, welche ihm zum Theil aus Tiefurth gefolgt waren, theils den Kategorien der Cameralisten und Juristen angehörten, beginnen.

Obwohl es ihm nicht an fleißigen Hörern fehlte, so fand er dennoch in seinen Lehraufgaben nicht die erhoffte Befriedigung, er fühlte sehr bald, daß seine Vorträge über Landwirthschaft und Nationalökonomie im Punkte der wissenschaftlichen Begründung noch mangelhaft waren. Da er nun auch aus den bezüglichen Lehrbüchern eine bessere Fundamentirung nicht entnehmen konnte und für die landwirthschaftlichen Disciplinen überhaupt jegliche nationalökonomische Stütze vermißte, suchte er im Wege philosophischer Studien zu einer wissenschaftlichen Begründung jener Disciplinen zu gelangen. Auf diese Studien, die sich auf alle philosophischen Systeme von culturhistorischer Bedeutung erstreckten und bei welchen ihm Schriften von Fries, Humboldt und Kant als Führer dienten, verwandte er eine längere Reihe von Jahren, bis er seine reformatorischen Ideen soweit geklärt und ausgebildet hatte, um mit Anwendung der inductiven und combinirenden Methode ein neues Lehrsystem darauf gründen zu können. Seine Auffassungen von dem Wesen und dem Zusammenhange der verschiedenen Wissenschaften, sowie von den Forderungen hinsichtlich der Behandlung derselben, gab er in der 1825 veröffentlichten Schrift: „Ueber Wesen und Studium der Wirthschafts- und Cameralwissenschaften“ kund. Darin charakterisirte er die Landwirthschaftslehre einerseits als historisch zu behandelnde Wahrnehmungswissenschaft, andrerseits als eine auf Grund der Lehren über das Wesen der äußeren Natur wie über das Wesen des Menschen zu entwickelnde Erfahrungswissenschaft. Während die Grundlagen in der ersteren Richtung von den angewandten Naturwissenschaften zu entnehmen seien, so müßte die Volkswirthschaftslehre, als Wissenschaft von denjenigen Grundbedingungen des Volkswohlstandes, welche im Wesen des Menschen lägen, die anderweitige Grundlage bilden. Diese Scheidung der Grundwissenschaften mit entsprechender Beachtung der Volkswirthschaftslehre, und die philosophische Begründung der letzteren mit Rücksicht auf die psychologischen bezw. ethischen Seiten der menschlichen Thätigkeit waren die Hauptstützpunkte für die reformatorische Tendenz im Schulze’schen Lehrsystem. Durch die Hereinziehung solcher Momente in den Kreis der wirthschaftlichen [772] Factoren wurde eine wesentliche Ergänzung der Grundlagen für die Wirthschaftslehre gewonnen.

Jene Schrift enthielt zugleich auch ein Programm für das neue landwirthschaftliche Institut, welches durch seine organische Verbindung mit der Universität auch den wissenschaftlichen Geist auf das Studium der Landwirthschaft übertragen und durch seine selbständige Leitung wiederum den eigenartigen Bedürfnissen des Fachstudiums gerecht werden sollte. Auf diese Weise hoffte S., die betheiligten Landwirthe auf eine der Wichtigkeit ihres Berufs entsprechende höhere Bildungsstufe erheben und damit zugleich am sichersten zur Hebung des ganzen Berufsstandes beitragen zu können. Als nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten, welche der Verwirklichung dieses Planes entgegenstanden, endlich im Frühjahr 1826 das neue Lehrinstitut eröffnet werden konnte, sah sich S. noch sehr auf seine eigene Kraft angewiesen; denn außer der Leitung desselben hatte er noch einen großen Theil der Lehraufgaben zu übernehmen, da die Behandlung aller derjenigen Lehrgegenstände, welche nicht an der Universität gelehrt wurden, durch ihn selbst bewirkt werden mußte. Ueberdies wollte er seinen Schülern nicht nur als Lehrer gegenüberstehen, sondern ihnen zugleich ein väterlicher Freund und Rathgeber sein, um neben der Belehrung auch ihre Charakterbildung fördern zu können. Dazu bedurfte es ebenfalls einer gewissen Abzweigung und selbständigen Stellung des Institutes, welche sich jedoch mehrentheils erst mit der im J. 1832 bewerkstelligten Einrichtung eines eigenen Lehrgebäudes nebst entsprechender Ausstattung erreichen ließen. Hiermit war der Anlaß zu weiterem Aufschwunge des Instituts gegeben und, wenn auch noch manche Hindernisse zu beseitigen waren, so schien doch die Zukunft desselben gesichert zu sein.

Mittlerweile hatte S. durch diese Schöpfung, sowie durch seine ganze Wirksamkeit auch in weiteren Kreisen Anerkennung gefunden und es ergingen ehrenvolle Anträge von anderen Staaten an ihn. Einen schon 1821 erhaltenen Ruf nach Dorpat, wo er als ordentlicher Professor und kaiserlich russischer Staatsrath wirken sollte, hatte er abgelehnt und war dafür zum außerordentlichen Professor der Universität Jena ernannt worden. Dagegen trat er mit dem preußischen Ministerium, als dieses ihm die Einrichtung und Leitung einer in Eldena in gewisser Verbindung mit der Universität Greifswald zu gründenden landwirthschaftlichen Lehranstalt antragen ließ, in Unterhandlung. Nachdem er sich mit dem Minister von Altenstein bald über die Bestimmung des neuen Lehrinstitutes, sowie über dessen Organisation und Ausstattung verständigt hatte und hoffen durfte, im preußischen Staate nicht von solchen einengenden Schranken, wie in Jena behindert zu sein, nahm er den Antrag an und bewerkstelligte im Frühjahr 1835 seine Uebersiedelung nach Eldena. Obgleich dort noch in manchen Beziehungen unfertige Zustände herrschten, so konnte doch schon im Mai desselben Jahres die neue Lehranstalt unter günstigen Aussichten für ihre weitere Entwicklung eröffnet werden. Aber wenn auch die Frequenz bald einen befriedigenden Stand annahm und S. als Organisator wie als Director das ihm geschenkte Vertrauen zu rechtfertigen wußte, so stellten sich doch ungeahnte Schwierigkeiten für die Leitung der Anstalt ein. Die Beziehungen derselben zur Universität Greifswald gestalteten sich immer unerwünschter, und ihre Verbindung mit der letzteren führte binnen wenigen Jahren zu solchen Widerwärtigkeiten, daß S., dem eine gänzliche Isolirung für Eldena unthunlich oder unräthlich erschien, seine Hoffnungen auf ein erfolgreiches Wirken vereitelt sehen mußte und sich entschloß, im Herbst 1838 um seine Entlassung aus dem preußischen Staatsdienste nachzusuchen. Da er bald darauf nach Jena zurückberufen wurde, so konnte er nach Abwicklung seiner amtlichen Obliegenheiten schon im Mai 1839 in den vor wenigen Jahren verlassenen Wirkungskreis zurückkehren. [773] Ihm folgten über dreißig Eldenaer Studirende nach Jena, mit welchen er sofort wieder eine landwirthschaftliche Lehranstalt an der alten Pflanzstätte im Organismus der Universität zu errichten vermochte. Hier wurde die Restitution des landwirthschaftlichen Instituts mit lebhafter Sympathie begrüßt und S. konnte sich nun ungestört der Pflege desselben, wie den vielseitigen Aufgaben als Lehrer und Förderer der Landwirthschaft widmen. Er trat mit seiner ganzen moralischen und wissenschaftlichen Kraft für sein Werk ein und gab damit auch dem Institute ein seiner idealen Auffassung wie seiner wissenschaftlichen Tendenz entsprechendes Gepräge. Dadurch übte er nunmehr eine so große Anziehungskraft auf die nach wissenschaftlicher Fachbildung strebenden Landwirthe des In- und Auslandes, daß die Frequenz seines Institutes binnen wenigen Jahren diejenige der meisten übrigen, zum Theil besser ausgestatteten Fachschulen Deutschlands übertraf. Er beeinflußte als die Seele des Ganzen alle Organe und Schüler der Anstalt, so daß dieselben wie Glieder einer in schöner Eintracht lebenden Corporation sich um ihn scharen konnten und von einem aufstrebenden Geiste beseelt wurden. Auch sorgte er für die Verbindung seines Instituts mit einem Landgute, um nach Erforderniß über Wirthschaftsobjecte Demonstrationen halten zu können. Zu diesem Behufe nahm er das nahe bei Jena gelegene Kammergut Zwätzen in Pacht und ließ dort instructive Betriebsverhältnisse bzw. Versuchsfelder einrichten. Es war ihm aber nicht genug, auf die Hebung der Fachbildung in den höher und besser gestellten Classen der Landwirthe einzuwirken, sondern er wollte auch für die Verbreitung von Aufklärung in den unteren und weniger bemittelten Classen sorgen und faßte den Plan, eine landwirthschaftliche Arbeitsschule als Mittel dazu ins Leben zu rufen. Nachdem die benöthigten Fonds durch Schenkungen und Stiftungen von verschiedenen Seiten, sowie durch Beiträge der landwirthschaftlichen Vereine und Staatszuschüsse bereit gestellt waren, errichtete er auf dem Kammergute Zwätzen, mit Adoptirung eines den Umständen besser angepaßten Planes, eine Ackerbauschule, welche gleichzeitig als Erziehungs- und Unterrichtsanstalt für bäuerliche Kleinwirthe und andere Glieder dieser Erwerbsclasse dienen sollte. Die Oberleitung dieser Anstalt übernahm er selbst und wandte ihr seine volle Sorgfalt zu, um das Gedeihen derselben unausgesetzt fördern zu können. Ferner war es ihm eine willkommene Aufgabe, für die Entfaltung des landwirthschaftlichen Vereinswesens mitzuwirken und sowohl durch Anregung oder Belehrung, als auch durch Uebernahme der Leitung sich bei der Gründung und Pflege verschiedener landwirthschaftlicher Vereine zu betheiligen. Als Gründer resp. Leiter des großen baltischen und später des thüringischen landwirthschaftlichen Vereins hat er sich für die interessirten Kreise große Verdienste erworben.

Ungeachtet vielseitiger Inanspruchnahme durch seine Lehrthätigkeit und Directorialfunction vermochte S. auch noch Zeit und Kraft für litterarische Thätigkeit zu erübrigen und hat eine größere Zahl inhaltsreicher Schriften verfaßt. Außer der obengenannten Schrift, welche die Grundlage und Richtschnur für seine ganze akademische Wirksamkeit bildete, veröffentlichte er noch einige methodologische und polemische Arbeiten neben verschiedenen Monographien und mehreren Berichten über das Jenaische Institut. In den ersteren gab er seine Ansichten über die höhere Bildung des deutschen Landwirths und Gutsbesitzers, über die Grundsätze für die Leitung akademischer Studien, wie über das Wesen der Erfahrungswissenschaft und speculativen Theorie kund. In seiner gegen Justus v. Liebig gerichteten Polemik: „Thaer oder Liebig“, welche durch dessen Werk: „Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie“, hervorgerufen war, vertheidigte Schulze den Standpunkt der Landwirthschaftslehre, entkräftete die gegnerische Argumentation, indem er auf die Einseitigkeit der [774] Liebig’schen Auffassung, auf die Unterschätzung der von thatsächlichen Erscheinungen abgeleiteten landwirthschaftlichen Erfahrungen, auf die Unhaltbarkeit mancher hypothetischen Voraussetzungen und der im Wege dogmatischer Theorien aufgestellten Forderungen hinwies. Ebenso veröffentlichte er eine Abwehr gegen die von Professor Schleiden erfolgten Angriffe auf die landwirthschaftlichen Lehrinstitute. Als Gegenstände der Monographien hatte er „das Wesen und die Anwendbarkeit des Papiergeldes“, „den deutschen Kornhandel“, „den Seidenbau in Jena“, „die Runkelrübenzucker-Fabrikation“ und „die Arbeiterfrage“ behandelt. Ein Werk von hervorragender Bedeutung war sein „Lehrbuch der Nationalökonomie“, welches 1856 als Ergebniß langjähriger Studien erschien. Darin suchte er die volkswirthschaftlichen Erscheinungen nicht nur empirisch, sondern auch philosophisch und historisch zu begründen, indem er dieselben aus ihren im Wesen des Menschen liegenden Ursachen erklärte und die wirthschaftlichen Grundgesetze auf die Kräfte des menschlichen Geistes wie auf die Zwecke des Menschenlebens bezog. Außerdem entwickelte er unter Zurückweisung mancher Irrlehren die volkswirthschaftlichen Principien vom nationalen Standpunkte mit Festhaltung ethischer Forderungen und lenkte damit in eine neue Richtung ein, welche dem wissenschaftlichen Ausbau der Nationalökonomie sehr förderlich wurde. Nach der Vollendung dieses Werkes hatte er zwar noch die Ausarbeitung eines Lehrbuchs der Landwirthschaft in Angriff genommen, mußte aber von der Ausführung dieses Vorhabens abstehen, da er durch den im J. 1857 erfolgten Tod seiner Gattin, einer Nichte seines vormaligen Lehrers Sturm, so schmerzlich ergriffen wurde, daß er die vorher bezeugte Energie und Arbeitsfreudigkeit nicht wieder gewinnen konnte. Seit dem J. 1823 hatte er mit ihr in glücklicher Ehe gelebt, ihre Vorzüge an geistigen Gaben und Charaktereigenschaften als schönste Zierden seines häuslichen Lebens, ihre rege Theilnahme an seinem Wirken, ihr lebendiges Interesse für seine Berufsaufgaben als Quelle willkommener Befriedigung und neuer Kraft schätzen gelernt; mit ihr wurde ihm gewissermaßen ein Theil seines eigenen seelischen Wesens entrissen und er fühlte nun das Bedürfniß, sich mehr dem inneren Leben zuzuwenden und, soweit es seine dienstlichen Aufgaben zuließen, eine gewisse Zurückgezogenheit zu beobachten. Von religiösem Sinn durchdrungen, wußte er sich zwar wie stets in den Willen der Vorsehung zu ergeben, aber der Schmerz über den Verlust seiner Frau zehrte weiter an ihm, es stellten sich häufiger eingreifende Gesundheitsstörungen bei ihm ein, welche auch von einer Verschlimmerung des schon früher von ihm ertragenen Herzleidens begleitet waren. Dadurch wurde allmählich seine Widerstandsfähigkeit soweit geschwächt, daß ihm, als er im sechsundsechszigsten Lebensjahre stand, durch einen Schlaganfall plötzlich das Ende seines Wirkens bereitet sein konnte.

Sein Tod riß nicht nur eine schwer empfundene Lücke in den Organismus des von ihm geleiteten Institutes, sondern trug auch weiteren Kreisen der Landwirthe, welche ihn als wissenschaftlichen Förderer und Meister ihres Berufs verehrten, einen schmerzlichen Verlust zu. Dankbare Schüler stellten sich die Aufgabe, den Inhalt seiner allgemeinen Landwirthschaftslehre durch Herausgabe eines „Lehrbuches der Landwirthschaft nach Schulze’s System“ einem weiteren Kreise von Fachgenossen zugänglich zu machen. In Anerkennung seines reformatorischen Wirkens und seiner mehrfachen Verdienste als erster nationalökonomischer Begründer der Landwirthschaftslehre, als Urheber der Verpflanzung des akademischen Studiums der Landwirthschaft an die Universitäten, als Förderer des landwirthschaftlichen Fortschritts trafen Schüler, Anhänger und Berufsgenossen von ihm die Vorbereitungen zur Errichtung eines Denkmals an der Stätte seines Wirkens. Ihr Vorgehen fand allgemeinen Beifall und entsprechende [775] Unterstützung in den verschiedensten Kreisen der Landwirthe, so daß schon im J. 1867 die Vollendung und Enthüllung des Schulze-Denkmals in Jena stattfinden konnte.

Vgl. Dr. Emminghaus u. A. Graf zur Lippe-Weißenfeld: Lehrbuch der allgemeinen Landwirthschaft nach F. Schulze’s System (Vorwort); ferner: Friedrich Gottlob Schulze-Gävernitz etc., ein Lebensbild, gezeichnet und als Festgabe dargebracht von Prof. Dr. Hermann Schulze.