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Artikel „Salis, Herkules von“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 233–240, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Salis,_Herkules_von&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 23:18 Uhr UTC)
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Salis: Herkules v. S., geboren 1565; † am 27. September 1620. – Unter den Familien Graubündens, die seit dem 13. Jahrhunderte in ihrer Geschlechtsfolge bekannt sind und bis auf unsere Zeiten für ihre Heimath von größter Bedeutung wurden, stehen die v. Planta und v. Salis allen voran. Um hervorragende Persönlichkeiten dieser Namen bewegten sich die Geschicke des Landes seit Mitte des 16. bis zum Schlusse des 18. Jahrhunderts und zugleich entsproßte beiden Familien stets eine ungemeine Anzahl von Männern, die sich im Auslande, zumal in Kriegsdiensten, in Frankreich, Oesterreich, Venedig, in den Niederlanden, in Spanien, Sardinien und Neapel auszeichneten. Die S., deren ältester bekannter Sitz die Burg Castellatsch bei Soglio im Bergell war, theilten sich schon vor dem Jahre 1300 in zwei Hauptstämme, aus deren einem vorzüglich die Nachkommen dreier Brüder, der Söhne Gubert’s, welcher 1499 im Schwabenkrieg für sein Land focht, den Namen der Familie in verschiedenen Linien bis auf die Gegenwart brachten. Von dem ältesten Bruder Rudolf (dem Langen), der 1515 als Anführer der Bündner bei Marignano fiel, stammen die S.-Marschlins; vom zweiten, Andreas († 1549), die Freiherren und die Grafen von S.-Zizers und die zahlreichen S.-Soglio; vom jüngsten, Dietegen, 1531 beim Sturm der Bündner auf Morbegno gefallen, die S.-Seewis. – Herkules v. S., geb. 1565, ein Urenkel Rudolf’s, war der Sohn des kaiserlichen Obersten Abundius und einer Gräfin Martinenga. In Chiavenna und in Sondrio im Veltlin erzogen, in Heidelberg und Tübingen ausgebildet, ließ er sich 1588 in Grüsch im Prättigau nieder, der Heimath seiner Gattin Margaretha Ott (daher seine Söhne die S. von Grüsch hießen), trat 1591 in öffentliche Aemter und wurde neben Johann Guler von Weineck (s. A. D. B. X, 115), Stiefbruder Margarethens, und seinem Verwandten, dem Obersten Baptist v. S.-Soglio (geb. 1571, † 1639), eines der Häupter der protestantischen Bündner, die im Gegensatz zu den Katholiken und deren Führern, Pompejus und Rudolf v. Planta, in Frankreich und Venedig natürliche Verbündete des Landes gegenüber Oesterreich und der spanischen Macht in Mailand erblickten. Sie begünstigten die Bewerbung des venetianischen Gesandten Padavino um ein Bündniß der Republik mit Graubünden, das am 5. August 1603 zu Stande kam, und standen unter den bündnerischen Gesandten voran, die dasselbe am 21. Septbr. in Venedig mit dem Dogen Marinus Grimano beschworen. Herkules v. S. war der Sprecher der Gesandtschaft und wurde, wie auch seine beiden Genossen, mit der Ritterwürde von St. Marcus beehrt. Der abgeschlossene Vertrag hatte freilich nicht die Wirkungen, welche sich seine Beförderer versprachen. Denn Spanien antwortete darauf durch Erbauung der Bünden bedrohenden Feste Fuentes an den Eingängen des Veltlins und es blieb nicht nur die Protestation gegen dieses Unternehmen vergeblich, mit welcher Herkules v. S. an der Spitze einer Gesandtschaft bei dem spanischen Statthalter in Mailand erschien, sondern auch in Venedig fand sich keine Hülfe dagegen. Umsonst bemühte sich S., der schon im December 1603 wieder dahin beordert wurde und zwei Monate lang sich in Vorstellungen erschöpfte, die Republik zu entschiedenen Schritten gegen Spanien zu bringen. Mehr Befriedigung fand er im Januar 1606, als König Heinrich IV. von Frankreich in Sedan einer bündnerischen Gesandtschaft, an deren Spitze wieder S. stand, Verheißungen nachdrücklicher Unterstützung für ihr Land ertheilte. Indessen entwickelte sich aus diesen äußeren Beziehungen der drei Bünde in ihrem Innern eine immer heftigere Parteiung und es folgte im J. 1607 der Ausbruch einer Volksbewegung, in welcher zunächst die spanisch-österreichisch gesinnte Faction die Oberhand gewann. S., der zu Anfang des Jahres neuerdings nach Venedig gegangen war, sah sich genöthigt, wie Guler u. A., der Gewalt der Bewegung zu weichen und den heimathlichen [234] Boden für einmal zu meiden; ein Oberstenpatent, das er sich von der Republik Venedig ausgewirkt hatte, fiel von selbst dahin, da die Sieger in Bünden jede Werbung für dieselbe aufs strengste verboten. Als die schlimmsten Auftritte vorüber waren, ließ S. sich bei Chiavenna nieder. Hier, in der ennetbirgischen Grafschaft, sah er sich dem Getriebe der Parteien ferner, als in Bünden selbst. Ruhiger verflossen ihm hier die Tage, auf dem von seinem Großvater Herkules erbauten Landsitze „Paradies“. Jugenderinnerungen zogen ihn hieher und mit seinen frühesten und niemals aufgegebenen Beziehungen zu diesen südlichen Landschaften hängt es wohl auch zusammen, daß er so vorzugsweise die Verbindung der Bünde mit Venedig vertrat und pflegte. Ein Jahrzehnt 1609–19 brachte er in der Stille zu; an den Tufiser Vorgängen von 1618 erscheint er nicht betheiligt. Mit Wachsamkeit aber verfolgte er den Gang der öffentlichen Dinge und gab 1619 den Häuptern der Bünde die erste Nachricht von den Umtrieben im Veltlin, welche die Losreißung des Landes von Graubünden vorzubereiten begannen; eine Warnung, die freilich keinen Glauben fand. Als im Mai 1620 die Anzeichen sich mehrten, das Gerücht eines bevorstehenden Anschlages auf die Reformirten im Veltlin sich zäher verbreitete und auch in Chiavenna Aehnliches zu befürchten schien, eilte S. nach Chur, wo man bald die Richtigkeit seiner Mittheilungen erkennen mußte. Denn am 19. Juli 1620 begann der „Veltliner Mord“ und binnen zwei Wochen sahen sich die Bündner des Veltlins, der Grafschaft Bormio und des Münsterthales beraubt und die abgerissenen Gebiete theils unter Spaniens Schutz und Einfluß, theils in Oesterreichs Gewalt stehend. Nur mit Mühe blieb Chiavenna behauptet. S. und seine Söhne betheiligten sich nun an den Bestrebungen der Graubündner, vor allem das abgefallene Veltlin wieder zu erobern. Sie schlossen sich auch dem Kriegszuge an, den dieselben, nach dem Mißlingen eines ersten Versuches, im August 1620 mit Beihülfe von Zürich und Bern unternahmen, um sich des Landes wieder zu bemächtigen. Als das vereinigte Heer des Gotteshaus-, des Zehngerichtenbundes und der beiden Städte aus dem Engadin ins Thal von Livigno hinüberstieg und in heftigen Kämpfen die Veltliner und Spanier bis Bormio zurückwarf, am 3. September dieses Ortes sich bemächtigend, wurden S. und Constantin v. Planta nach Venedig abgeordnet, um von der Republik Unterstützung des vereinigten Heeres durch Verabfolgung von Geschütz, Munition und Proviant zu erwirken. Ueber den Monte Gabbia gelangten sie ins Val Camonica und bewogen daselbst den venetianischen Proveditore Parutta zu vorläufiger Sendung einiger Munition nach Bormio. Allein Krankheit hatte jetzt S. ergriffen, verzögerte seine Weiterreise und als er, endlich in Venedig angelangt, dort die Nachricht von der blutigen Niederlage erhielt, welche das verbündete Heer am 11. September vor Tirano traf und zu schleunigem Rückzuge aus dem Veltlin nöthigte, erlag er, kummervoll, am 27. September seiner Krankheit in Gegenwart seines zweiten Sohnes Abundius, der ihn von Bormio aus begleitet hatte. Auf Kosten des Senates einbalsamirt und in der Servitenkirche vorläufig beigesetzt, wurde die Leiche nach fast dreißigjähriger Ruhe im Mai 1648 aus Venedig nach Soglio in das Erbbegräbniß der Familie übergeführt.

Rudolf, Freiherr v. Salis, in Grüsch im Prättigau geb. 1589, † am 29. October 1625, war der älteste Sohn des 1620 in Venedig gestorbenen Ritter Herkules. Im J. 1600 durch Testament eines Großoheims, des kaiserlichen Obersten, Geheimenraths und Reichsfreiberrn Rudolf, Erbe von dessen Freiherrntitel und zugehörigem Fideicommiß, erhielt der junge S. eine sehr sorgfältige Erziehung, bezog im Herbst 1606 mit seinen nächstfolgenden Brüdern Abundius und Ulysses (s. S.-Marschlins) die Universität Heidelberg unter Leitung eines flämischen Hofmeisters, Baptista Malleray, und verweilte hier, wo [235] die Jünglinge am kurfürstlichen Hofe Zutritt fanden, über ein Jahr lang. Dann zogen die Brüder nach Frankreich. In Paris nahm der Herzog von Bouillon, gemäß einem 1606 dem Vater gegebenen Versprechen, den jüngsten, Ulysses, als Pagen in sein Gefolge auf; Rudolf und Abundius wandten sich zu Studien nach Orleans und kehrten nach einem 1608 unternommenen Besuche Englands und der Niederlande heim. Im Juni 1611 gab die Vermählung des jungen Freiherrn Rudolf mit der Tochter des Obersten Hartmann v. Hartmannis zu einem glänzenden Feste in Grüsch Anlaß, wohin der Vater des Bräutigams die Häupter aller Parteien im Lande geladen hatte. Dieselben fanden sich in großer Menge ein und es schien dem Ritter Herkules gelungen, eine patriotische Einigung unter den Versammelten erzielt zu haben. Allein diese dauerte nicht lange und die von Venedig angestrebte Erneuerung seines ablaufenden Bundes mit Graubünden im J. 1613 gab zu neuen und heftigen Reibungen zwischen den sich bekämpfenden Einflüssen Venedigs, Frankreichs, Spaniens und ihrer Anhänger im Lande Veranlassung. R. v. S., wie sein Vater Venedig zugeneigt, scheint noch nicht besonders hervorgetreten zu sein; aber er begünstigte doch das gegen des Vaters Willen laufende Unternehmen seines Bruders Ulysses, als dieser ungeachtet des strengen Verbotes aller Werbungen für Venedig sich 1616 vom Gesandten der Republik, Padavino, ein Hauptmannspatent erwarb und ca. 300 Mann Angeworbener ins Venetianische führte. Inzwischen wurde R. zum Vorsteher (Hauptmann) des Gerichts Schiers und Seewis, zu welchem Grüsch zählte, erwählt, ging als Vertreter des Zehngerichtenbundes in der Gesandtschaft mit, welche die drei Bünde nach dem Strafgerichte von Tufis im November 1618 an die Eidgenossen nach Baden sandten, um einer Einmischung der Letztern in die bündnerischen Angelegenheiten vorzubeugen, und führte als Hauptmann seines Gerichtes die Mannschaft desselben in den Bewegungen der beiden folgenden Jahre, im Herbst 1619 in den Vorgängen um Chur bei Anlaß des Planta’schen Strafgerichtes daselbst und im Sommer 1620 in den Feldzügen im Misox und Veltlin. In den Gefechten im Thale von Livigno, bei Pedenos, bei der Einnahme von Bormio und dem Zuge nach Tirano stand S. unter den Befehlen des Obersten Guler und beim Angriffe auf Tirano voran; mußte aber nach dem unglücklichen Ausgang des Treffens dem Rückzuge des Heeres aus dem Veltlin folgen. Vergeblich trat er dann dem Unternehmen der Mörder des Pompejus Planta entgegen, als ihm ihr blutiges Vorhaben in dem Augenblicke kund wurde, da sie sich zu dessen Ausführung in Bewegung setzten; aber mit der Fahne seines Gerichtes schloß er sich dem Zuge der Gotteshaus- und des Zehngerichtenbundes an, durch welchen im März 1621 die Oberbündner unterworfen und die bei ihnen befindlichen, von Oberst Beroldingen befehligten Truppen der fünf katholischen Orte aus dem Lande vertrieben wurden. S. vertrat nun sein Gericht auf dem Bundestage zu Ilanz, der für den Augenblick ganz Graubünden wieder vereinigte. Aber dem verhängnißvollen Plane des jüngeren Guler und Jenatsch’s, sich nun auch des Veltlins wieder zu bemächtigen, widersetzte sich S. aufs entschiedenste, verlangte, als man zur Ausführung schritt, daß Schiers und Seewis sich einen andern Hauptmann wähle, und nur die Weigerung der beiden andern Gerichte im Prättigau, in diesem Falle mitzuziehen, nöthigte ihn schließlich an dem Unternehmen sich zu betheiligen. Wie er es vorausgesehen, endigte dasselbe nicht nur mit dem ruhmlosen Rückzuge der Bündner schon aus Bormio, sondern es folgte diesem die Besetzung des Veltlins und der Grafschaft Chiavenna durch Spanien, des Unterengadins und des Zehngerichtenbundes durch Oesterreich auf dem Fuße nach. Jetzt verließ S. mit den Seinigen und seinen Brüdern unter dem Schutze des von Maienfeld abziehenden zürcherischen Regiments Steiner die Heimath, wo Baldiron’s[WS 1] Truppen [236] das Prättigau und insbesondere Grüsch, Schiers und Seewis mit grausamer Unterdrückung heimsuchten und das Salis’sche Haus in Grüsch plünderten. Während Abundius nach Appenzell ging und dann mit einem Schutzbriefe von Baldiron versehen heimkehrte, Ulysses in der Pfalz in Mansfeld’s Dienste trat, blieb Rudolf v. S. in Zürich bis zu dem Augenblicke, wo der Aufstand der Prättigauer gegen ihre Peiniger, Baldiron’s Soldaten und Capuziner, im April 1622 das Zeichen zur Befreiung Bündens gab. Herbeieilend wurde S. von den Aufständischen sofort zum Führer erkoren und leitete nun als Oberbefehlshaber den Krieg der Bündner gegen Baldiron, durch welchen dieser gezwungen wurde, Maienfeld, Chur, Tiefenkasten, zuletzt alle bündnerischen Thäler diesseits der Alpen mit seinem Heere zu räumen. Als der allgemeine Bundestag am 27. Juni 1622 in Chur zusammentrat, die alten Bünde wieder beschwor und die von ihm beschlossene Aufstellung von 3600 Mann S. das Mittel gab, auch noch das Unterengadin den Oesterreichern zu entreißen, konnte der 32jähr. General mit Recht als der Befreier seines Vaterlandes gelten. Aber das Münsterthal lag noch in Oesterreichs, Chiavenna in Spaniens Händen, Veltlin und Bormio blieben unter dem Schutze des Letztern abgetrennt von den Bünden und die augenblickliche Weltlage hatte die Graubündner begünstigt. Ihnen war der Sieg Mansfeld’s über Tilly bei Wiesloch, die Beschäftigung der kaiserlichen und liguistischen Heere durch Christian von Braunschweig und König Friedrich von Dänemark zu Statten gekommen. Langsam, aber nur um so sicherer, bereitete Oesterreich inzwischen die Wiederunterwerfung des befreiten Landes vor. Mit Uebermacht begann Ende August 1622 der Wiedereinmarsch der Oesterreicher ins Unterengadin und folgte in den ersten Septembertagen die Wiederbesetzung von Davos, Prättigau, Marienfeld und Chur, während der Erzherzog Leopold, Regent der vordern Lande, auf dem Congresse zu Lindau, der angeblich zu Friedensunterhandlungen von ihm einberufen war, die mittlerweile Unterworfenen nöthigte, ihre völlige Abhängigkeit von seinem Willen im Vertrage vom 30. September förmlich zu besiegeln. Bis zum Verzweiflungskampfe der Prättigauer bei Mezzaselva stand S. treu ausharrend an der Spitze seiner Landsleute. Jetzt wanderte er zum zweiten Male in freiwillige Verbannung nach Zürich. Nur der eine Gedanke erfüllte ihn fortan, die Wiederbefreiung seines Vaterlandes zu erreichen, und da sich dazu nur Aussicht bot, wenn Frankreich sich der Bündner ernstlich annehmen wollte, so wandte sich S., wie andere seiner Schicksalsgefährten, dem Bestreben zu, diese Hülfe für sein Land zu gewinnen. Fest wies er alle Lockungen Oesterreichs zurück, ihn durch glänzende Versprechungen auf seine Seite zu ziehen; er ermahnte die Prättigauer, in der Treue am Vaterlande und in ihrem evangelischen Glauben bis zu dem nahenden Augenblicke auszuharren, der ihnen Erlösung bringen würde, und stellte sich, als derselbe erschien, unter den Vordersten in die Reihen. Als Frankreich, mit Venedig und Savoyen verbunden, sich entschloß, die Spanier und Oesterreicher durch ein Heer in seinem Solde unter dem Befehl des Marquis de Coeuvres aus Graubünden zu vertreiben, da strömten den auch in der Eidgenossenschaft eröffneten Werbungen vor allem die bündnerischen Ausgewanderten zu. Den französischen Regimentern gesellten sich je eines aus Zürich, Bern, Wallis, Glarner Truppen und ein bündnerisches Regiment von zehn Fahnen bei, an dessen Spitze Rudolf v. S. als Oberst trat. Es war bestimmt, die Vorhut zu bilden. S. erhielt von Coeuvres den Befehl, sich am 28. October der Rheinbrücke unweit Maienfeld und des Luziensteigs zu bemächtigen. In der Nacht vom 26. auf den 27. brach er von Zürich auf, sammelte am 27. sein Regiment in Niederurnen, wo zwei Fahnen Glarner sich anschlossen, und führte am folgenden Tag seinen Auftrag durch. Die Rheinbrücke, das Städtchen Maienfeld, der Luziensteig und [237] die Clus am Eingange des Prättigau wurden besetzt und bei der Brücke legten die ihm mitgegebenen französischen Ingenieure die zur Behauptung derselben dienende Rheinschanze an. 1800 Mann stark, schwor bei der darauf folgenden Musterung das Regiment S. den drei zu Bündens Befreiung alliirten Mächten. Und als Coeuvres mit der Hauptarmee nachkam, folgte die Vertreibung der Oesterreicher aus dem Prättigau und Davos, der Zusammentritt des Landtages in Chur, die Einnahme des Unterengadin und des Münsterthales, diejenige von Bormio und Veltlin durch das vereinigte Heer. Ueberall war S., dem sein Bruder Ulysses als Obristlieutenant zur Seite stand, mit seinem Regimente voran, auch in den hartnäckigen Kämpfen mit den Spaniern in Chiavenna, die im Frühjahr 1625 an den Grenzen der Grafschaft und des Veltlins stattfanden. Hier aber ergriffen auch ihn die den Truppen verderblichen Fieber, krank ging er im Sommer 1625 zuerst nach Zürich und dann nach seiner Heimath zurück, wo er am 29. October in Malans der schleichenden Krankheit erlag. Sein frühes Ende ersparte ihm den Schmerz, Bündens tiefste Leiden im J. 1629 zu erleben. Von seinem einzigen Sohne Herkules († 1674) ging sein Freiherrntitel auf die Nachkommen seines Bruders Abundius und 1732 auf diejenigen des Ulysses über.

Ulysses v. Salis-Marschlins, geboren 1594, † am 3. Febr. 1674 in Marschlins unweit Chur. – Dritter Sohn des Ritter Herkules † 1620), 1607–1611 Page des Herzogss von Bouillon, 1611 Zeuge des Hochzeitfestes in Grüsch (s. Rudolf v. S.), 1616–1619 als Hauptmann einer von ihm geworbenen Compagnie Bündner im venetianischen Dienst, nahm U. v. S. im Mai 1619 unter Oberst Baptist v. S. an der Spitze der Bergeller sub porta an der Erhebung gegen das Strafgericht in Chur theil, dankte seine mittlerweile von Venedig entlassene Truppe in Chiavenna ab und entging im folgenden Jahre glücklich dem Veltliner Blutbade (20. Juli 1620) durch Berufung zur Führerschaft der Bergeller im Zuge nach Misox, die ihn kurz zuvor in Sondrio erreichte. Unmittelbar nachher mit dem Obersten Baptist v. S. und den Bergellern über den Murettopaß bis Sondrio vorgedrungen, fand S. dort seinen Schwäher ermordet, seine Gattin und seine zwei Knaben aber wohlbehalten, sandte sie unter sicherem Geleite ins Engadin, deckte den Rückzug der Bündner ebendahin und schloß sich etwas später dem vereinigten Heere der Bündner und Zürichs und Berns an, im Augenblicke, als dasselbe am 3. September 1620 in Bormio eingerückt war. Er fand seinen Vater bereits nach Venedig abgereist, wurde beim Vorrücken des Heeres bis Mazzo von Oberst Guler befehligt, über den Mortirolopaß ebenfalls ins Val camonica und nach Venedig zu gehen, von den aufständischen Bauern aber, ehe er noch die Paßhöhe erreichte, zurückgetrieben und mußte sich dem vor Tirano geschlagenen Heere zum Rückzug nach Bormio und ins Engadin anschließen. Im Frühjahr 1621 am Zuge gegen die Oberbündner unter Jenatsch betheiligt, wurde er zur Zeit des Bundestages von Ilanz mit 200 Mann nach Chiavenna gesandt zur Verstärkung der unter Oberst Baptist v. S. dort stehenden Besatzung, vertheidigte unter demselben die Grafschaft im Herbst 1621 gegen die herannahende spanische Armee, mußte aber vor der Uebermacht weichen, ging nach Grüsch zurück, nahm an seines Bruders Rudolf Kampfe gegen die Oesterreicher im Prättigau theil und verließ mit demselben und ihrer beider Familien am 28. October die Heimath, um in Zürich eine Zuflucht zu finden. Thatendurst und Erwerbslust führten aber U. sofort unter die Fahnen Mansfeld’s in der Pfalz und als ihm dort Ende Mai 1622 ein Schreiben des bündnerischen Kriegsrathes die Nachricht von der Erhebung des Landes unter seines Bruders Rudolf Führerschaft und die Aufforderung zur Heimkehr brachte und er mit seiner Compagnie dem Rufe zu folgen sich beeilte, [238] traf er Bünden bereits wieder vom österreichischen Heere des Grafen von Sulz und Baldiron’s großentheils eingenommen und kam nur gerade noch rechtzeitig genug an, um am letzten Kampfe im Prättigau theil zu nehmen und mit seinem Bruder Rudolf zum zweiten Male ins Exil zu wandern. Erst 1624–1627 ward ihm vergönnt, aufs neue für sein Vaterland zu kämpfen. In der Armee von Coeuvres, die Frankreich nach dem Veltlin und Chiavenna sandte, stand U. als Oberstlieutenant im Bündner Regimente seines Bruders Rudolf und wurde nach dessen Tode Oberst des Regimentes. Unermüdlich war hier sein Antheil am Kriege gegen die Spanier längs den Grenzen der beiden Herrschaften gegen das mailändische Gebiet. Als aber der Vertrag von Monsonio (5. März 1626) die Räumung Bündens durch Frankreich anbahnte und Coeuvres Befehl zur Auflösung seines Heeres erhielt, wurde auch das Regiment S. abgedankt (15. März 1627). Die Gunst von Coeuvres und von Richelieu[WS 2] verschaffte jetzt S. eine Compagnie in der königlichen Schweizergarde in Paris und den Befehl zu Werbung derselben in Bünden in der Stärke von 200 Mann, die er in Grüsch musterte und am 27. Mai 1627 nach Frankreich führte. Zwei Jahre hindurch führte er dieselbe, vor La Rochelle und in Feldzügen im Piemont, bis Frankreich den Kaiser im Frieden von Chierasco (6. April 1631), zu Räumung Graubündens, das er seit 1629 besetzt hielt, verpflichtete und einer abermaligen Besetzung des Landes durch die Oesterreicher wirksam zuvorzukommen beschloß. Am 12. October 1631 erhielt Oberst U. v. S. in Fontainebleau vom Könige den Befehl, nach Bünden zu eilen, den französischen Oberst Landé, der dort die vertragsgemäße Schleifung der von den Kaiserlichen angelegten Festungswerke zu controliren hatte, anzuweisen, daß er sich sofort der Eingänge ins Land versichere, und selbst zu dessen Vertheidigung 3000 Mann in den Bünden anzuwerben. Drei Regimenter wurden aus denselben gebildet, von denen S. eines als Oberst befehligte. Zu seinem Oberstlieutenant wählte er, seinem mütterlichen Oheim Guler zu Liebe, dessen Sohn Johann Peter. Noch während der Werbung wurde der Luziensteig besetzt und die vergrößerte Rheinschanze vertheidigungsfähig gemacht. Gegen Ende 1631 erschien in Chur Herzog Heinrich von Rohan, den Frankreich zum Oberbefehlshaber der aufgestellten Truppen bestimmt hatte, die Bündner als solchen anerkannten und der im Februar 1632 auch den Titel eines außerordentlichen Gesandten Frankreichs erhielt. Er verstärkte die drei bündnerischen Regimenter von 7 auf 10 Fahnen und ihnen gesellten sich zwei Regimenter französischer Infanterie und zwei Schwadronen Reiterei aus Frankreich bei. Aber von der von den Bündnern gehofften Wiedererobetung der bündnerischen Herrschaften Bormio, Veltlin und Chiavenna war einstweilen nicht die Rede. Müßig und zur Beschwerde der Einwohner, obwol richtig besoldet, lagen die Truppen bis Anfang 1635 im Lande. S. benutzte die Zeit, 1633 das unbewohnte Schloß Marschlins in der Nähe von Chur anzukaufen, die Gebäulichkeiten größtentheils niederzureißen, neu aufzubauen, umliegende Güter zu erwerben und mit Fruchtbäumen zu bepflanzen und so für sich und die Seinigen das Heim anzulegen, nach welchem er und seine Nachkommen fortan den Namen Salis von Marschlins führten. Im März 1635 traf endlich der erwünschte Befehl zur Besetzung der bündnerischen Herrschaften von Paris, wohin Rohan beschieden worden war, bei der Armee ein. Als dieselbe am 24. März unter dem Befehl von Rohan’s Stellvertreter Lecques zu ihren Eilmärschen über das Gebirge aufbrach, war S. glücklich genug, von einer schweren Erkrankung gerade so weit genesen zu sein, daß er sich zu Pferde setzen und an der Spitze seines Regimentes nach Chiavenna mitziehen konnte, wohin seine Bestimmung lautete. Auf dem ihm wohlbekannten Schauplatze erneuerte sich jetzt seine Thätigkeit, unter unerwartet rascher Erholung seiner Kräfte. Rohan, [239] der nach ein paar Wochen der Armee folgte, wies S. die besondere Aufgabe zu, die Grafschaft Chiavenna gegen die Spanier zu vertheidigen, und während der zweijährigen Feldzüge des Herzogs im Veltlin kam S. dem erhaltenen Auftrage mit Auszeichnung nach. Anfänglich befehligte er die Truppen, die an den Grenzen der Grafschaft um den See von Mezzola mit Graf Serbelloni’s spanischer Armee gegenüber in dauernden Kämpfen standen. Er erwarb sich dabei besonders durch einen Angriff auf Pratella und Francesca im April 1636, den der Herzog vom Veltlin aus unterstützte, großes Lob und Gunstbeweise König Ludwig’s XIII. Später erhielt S. das ruhigere Commando in Chiavenna selbst, dessen Befestigung er verstärkte. Mit ausharrender Treue blieb er Rohan ergeben, auch als – schon frühe – die Umtriebe von Jenatsch und Anderen begannen, die auf die Vertreibung der Franzosen und Verständigung mit Spanien und mit Oesterreich zielten (s. Jenatsch, A. D. B. XIII, 763 ff.). Auch in der Katastrophe, deren Opfer schließlich der edelmüthige Herzog wurde, gab S. die ihm von demselben anvertraute Feste nicht eher in die Hände der Bundeshäupter, als bis ihn Rohan selbst am 26. März 1637 seines Eides entlassen hatte. Noch im letzten vertrauten Rath, den der Herzog vor seinem Abzuge aus Chur mit einigen seiner obersten Officiere hielt, pflichtete S. dem Vorschlage bei, die Gegner durch Ueberraschung niederzuwerfen. Der Herzog wollte aber lieber sich selbst als das Land opfern und als er Bünden am 5. Mai 1637 verließ, zog sich S. nach Marschlins zurück. Indessen wußte man in Paris sein Verhalten wohl zu schätzen und schon im Juli rief ihn der König dahin, wo er nun das Commando seiner und anderer Gardecompagnien übernahm und seine Söhne Herkules und Joh. Baptist Eintritt in dieselben fanden. In dieser Stellung nahm S. an den französischen Feldzügen in Flandern theil und begleitete den König auf dessen Reisen in den nördlichen und östlichen Grenzprovinzen bis 1640, stets in besonderer Gunst bei Ludwig XIII. wie bei Richelieu und vielen Großen. Im Februar 1640 auf Urlaub nach Hause gegangen, wurde er daselbst im Juli 1641 durch einen königlichen Erlaß überrascht, der ihn zum Maréchal de camp ernannte und aufforderte, mit diesem Range in das Heer des Grafen d’Harcourt im Piemont einzutreten, welcher Spanien und den Herzog Thomas von Savoyen bekriegte. Bis in den Spätherbst 1642 stand S. in diesem Heere, zeichnete sich als Gouverneur von Coni und durch die Eroberung des Castells de Monte aus und führte auch vorübergehend den Oberbefehl bei der Armee, als der Herzog von Bouillon, Harcourt’s Nachfolger, wegen Betheiligung an der Verschwörung von Cinq-Mars im Juli 1642 verhaftet wurde, und der neue Oberbefehlshaber, der Herzog von Longueville, noch nicht angekommen war. Im November 1642 aber in Tortona schwer erkrankt, kam er um seine Entlassung ein, in welchem Gedanken ihn der Tod von Richelieu (4. December 1642) noch bestärkte. Allein er erhielt, auch nach Audienz beim Könige im Januar 1643, nur Dispens vom nächsten Feldzuge, ein großes Geldgeschenk und die Uebertragung seiner und seiner andern Gardecompagnie an seine Söhne. Im März 1643 heimgekehrt, verlor er beim Tode Ludwig’s XIII. vollends die Lust, wieder in der Armee zu dienen, da die eintretende Regentschaft der Königin Mutter Unruhen in Frankreich voraussehen ließ, wie sie auch wirklich erfolgten. Ein Anerbieten des als Vicökönig nach Catalonien gehenden Grafen d’Harcourt im J. 1645, ihm dahin zu folgen, mit Aussicht auf baldige Beförderung zum Generallieutenant, lehnte S. dankend ab. Er blieb in Bünden und widmete sich den eigenen und den Angelegenheiten der Heimath. 1643 beförderte er das Zustandekommen der schiedsgerichtlichen Entscheidung des langen erbitterten Streites zwischen Davos und dem übrigen Zehngerichtenbunde durch den Spruch des zürcherischen Stadtschreibers Weser; er wurde 1646 Bundeslandamman und er wirkte auch vorzüglich [240] dazu mit, daß durch Auskauf der Rechte Oesterreichs im Zehngerichtenbund und im Unterengadin durch die Bündner im J. 1649 der Keim der früheren Leiden des Landes und stets erneuter Zwistigkeiten endgültig beseitigt wurde. In der letzten Periode seines Lebens schrieb S. seine Denkwürdigkeiten nieder, die bis zum Jahre 1649 reichen und für die Geschichte von Graubünden, zumal des Zeitraumes von 1616–37, eine Quelle ersten Ranges bilden. Nach fünfjährigen schweren Gichtleiden starb er, nahezu 80jährig, in Marschlins. In der nahen Pfarrkirche von Igis, wo er ruht, setzte ihm sein Sohn Herkules eine Grabschrift, die seine Würden und Verdienste aufzählt.

C. v. Mohr, Denkwürdigkeiten des Maréchal de camp Ulysses v. Salis-Marschlins. Nach dem italienischen Originalmanuscript bearb. Chur 1858; – Ders., Des Ritters Fort. Sprecher von Bernegg Geschichte der Kriege und Unruhen in den drei Bünden von Hohenrätien etc. Chur 1855. – Leu, Helvetisches Lexicon, Th. XVI, S. 31 ff. und Supplement Th. V, S. 253 ff. Zürich 1760 und 1791. – Zurlauben, Hist. militaire des Suisses I, 316; II, 148 und vorzüglich VI, 484. Paris 1751 und 1752.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Alois Baldiron († 1632) war während der Bündner Wirren Oberbefehlshaber der spanisch-habsburgischen Truppen.
  2. Kardinal Richelieu (1585–1642), französischer Berater und Minister König Ludwigs XIII.