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Artikel „Rudinger, Esrom“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 470, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudinger,_Esrom&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 21:01 Uhr UTC)
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Rudinger: Esrom R. (Rüdinger) war geboren am 19. Mai 1523 zu Bamberg, studirte zu Leipzig, ward der Schwiegersohn des Camerarius, vorübergehend Conrector in Pforta, Rector in Zwickau (Zittau, in Winer, Handb. der theol. Litt. II, 742), dann Professor der Philosophie und griechischen Litteratur zu Wittenberg (in der praefatio seiner unten genannten paraphrasis p. 1 sagt er: er habe Philosophie, Physik, Ethik und griechische Litteratur vorgetragen), 1574 verließ er Wittenberg und ward von den mährischen Brüdern, deren viele er als Universitätslehrer kennen gelernt hatte, aufgefordert, die wissenschaftliche Bildung ihrer Jugend zu leiten. Er lehrte infolge dessen zu Evanziz in Mähren auf dem dortigen Gymnasium und starb am 2. December 1591 zu Altdorf (Jöcher III, 2294 f.). –

Sein Hauptwerk war „Libri psalmorum paraphrasis latina“, Görlitz 1580, 81 (s. den vollst. Titel bei Meyer, Gesch. der Schrifterklärung III, 405 Anm. 59). In der praefatio p. 3 sagt er: die paraphrasis gallica habe ihm wegen ihrer Klarheit stets so wohl gefallen, daß er den Entschluß gefaßt habe, derselben ein lateinisches Nachbild zu schaffen. R. ragt durch seine freie kritische Haltung und durch seine Unabhängigkeit von der kirchlichen Auffassung der Psalmen über seine Zeit hinaus. Er ist stets in erster Linie bestrebt, die Psalmen historisch zu verstehen, wobei er nur darin irrt, daß er die Andeutungen derselben meist auf Umstände im Leben David’s zu beziehen sucht und so in ein falsches Historisiren verfällt. Indessen erkennt er andererseits sehr wohl, daß manche Einzelheiten in den Psalmen auf makkabäische Zeiten deuten. Die messianische Deutung weist er nicht ab, aber indem er sie als typica profetica oder deflexio anagogica bezeichnet, gibt er zu verstehen, daß er darin keine Auslegung, sondern nur eine Anwendung des Schriftwortes erblickt.

Vgl. Meyer a. a. O. S. 405–407. – Hupfeld, Die Psalmen, 1. Aufl., IV, 475. – Diestel, Gesch. des Alten Testaments S. 276. – Andere Schriften von ihm s. bei Jöcher a. a. O.