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Artikel „Rietmann, Johann Jacob“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 595–596, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rietmann,_Johann_Jacob&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 12:23 Uhr UTC)
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Rietmann: Johann Jacob R., wurde am 13. October 1815 zu St. Gallen in der Schweiz geboren. Den Eltern verdankte er ein reiches geistiges Erbe, das dann unter sorgsamer Obhut eines Pflegevaters, der den talentvollen Knaben behufs Vorbereitung auf die wissenschaftliche Laufbahn zu sich genommen hatte, trefflich gedieh. Frühe beschäftigten ihn neben den Schulfächern die neueren Litteraturen, die er auch auf der Universität Jena neben dem Studium der Theologie eifrig pflegte. Im J. 1838 ordinirt, kam er zuerst als Pfarrer nach Nußbaumen im Thurgau, nach 4½ Jahren nach Rapperswyl-Jona, siedelte sich aber kurz darauf in seiner Vaterstadt an in der Absicht, einzig seinen Studien zu leben; doch übernahm er das ihm angetragene Amt eines Seelsorgers an der dortigen Strafanstalt. Im Januar 1847 erhielt er das Pfarramt in Lichtensteig, und hat er demselben zwanzig Jahre lang vorgestanden, ohne sich durch anderweitige Berufungen abziehen zu lassen. Die Gemeinde schenkte ihm dafür das Ehrenbürgerrecht; auch wählte ihn die neu constituirte Synode 1862 in den Kirchenrath, dessen Mitglied er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tode blieb, der ihn infolge eines Gehirnschlages am 4. April 1867 ereilte. – R. wirkte in seinen Kreisen vielseitig und mit Auszeichnung als geistreicher Prediger, als warmer Freund der Schulen und Lehrer, als Berather vieler Familien. Er war kein Theologe im gewöhnlichen Sinne, kein Dogmatiker und kein kirchlicher Parteimann, aber ein idealer und religiöser Mensch. In den „Socialistischen Träumen“ (1858) gab er seinem Ideale vom Reiche Gottes, d. h. von einer wahrhaft freien, auf die Grundsätze des echten Christenthums basirten Gesellschaft beredten und glänzenden Ausdruck. Seine reiche Muße benutzte R. zur Beschäftigung mit der Poesie und zu umfassenden Studien in der Litteratur, fremden und heimischen; besonders eingehend beschäftigte er sich mit seinem Lieblingsdichter Shakespeare, und seine litteraturgeschichtliche Arbeit „Ueber Shakespeare’s religiöse und ethische Bedeutung“ [596] (1853) gibt Zeugniß von einer ausgeprägten Individualität. Als Dichter beansprucht R. keinen bevorzugten Platz; er selbst stellte sein specifisch poetisches Wirken nie in den Vordergrund. Seine Dichtung „Hiob, oder das alte Leid im neuen Liede“ (1843) und seine „Predigten in Liedern“ (1851) haben mehr vom Predigerton an sich, als von eigentlich poetischem Gehalte; es sind vorwiegend Reflexionsdichtungen, in denen der Gedankengehalt den poetischen Werth überragt.

J. J. Honegger, Die poetische Nationallitteratur der deutschen Schweiz. Glarus 1876. 4. Bd., S. 251