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Artikel „Nebe, Johann August“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 346–347, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nebe,_Johann_August&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 16:01 Uhr UTC)
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Nebe: Dr. Johann August N., geb. am 23. April 1775 zu Halle, gest. zu Karlsbad am 11. September 1854. Sein Vater Joseph Friedrich Nebe, Prediger zu Halle und Inspector an dem Francke’schen Waisenhaus sowie der Canstein’schen Bibelanstalt, war ein strenger, frommer Mann; außer ihm und seiner vielseitig gebildeten Mutter Sophie, geb. Wagner aus Minden, einer Verwandten, von August Hermann Francke, dem Stifter des Halle’schen Waisenhauses und Pädagogiums, hatte sein Oheim August Hermann Niemeyer, der bekannte Professor und Kanzler der Universität Halle, den bedeutendsten Einfluß auf den Bildungsgang des begabten Knaben. Auf dem Pädagogium zu Halle erhielt N. eine gediegene Kenntniß in den alten Sprachen und classischen Litteratur; daneben betrieb er auch eifrig das Studium der neuen Sprachen. Hier trat N. in dauernde freundschaftliche Beziehungen zu mehreren Altersgenossen, die später zu bedeutenden Stellungen gelangten, wie zu dem späteren Oberpräsidenten v. Vincke und dem nachmaligen Geheimen Rath v. Bassewitz u. a. Auf der Universität seiner Vaterstadt, wo er mit Eifer Theologie, Philologie und Pädagogik studierte, hörte er die Vorlesungen seines Pathen Friedrich August Nösselt, seiner Freunde Knapp und Sprengel und trat in geistigen Verkehr mit sonstigen bedeutenden Männern wie mit dem Alterthumsforscher Friedrich August Wolf. Nachdem er beim Schluß seiner Universitätsstudien als Doctor der Philosophie promovirt hatte, machte er 1800 eine längere wissenschaftliche Reise nach der Schweiz und Oberitalien, auf der er auch zu Lavater in Beziehung trat; ein Ergebniß des Zusammentreffens mit diesem Manne ist Nebe’s 1801 erschienene Schrift „Johann Kaspar Lavater. Ueber ihn und seine Schriften“. Nach seiner Rückkehr nach Halle übernahm er die Stelle eines Inspectors an dem Francke’schen Waisenhaus, um sich in der Pädagogik praktisch fortzubilden, bis er 1802 als Pastor zu Crumpa bei Merseburg angestellt wurde; daselbst wirkte N. bis 1814 mit solchem Erfolg, daß ihm durch den Oberhofprediger Dr. Reinhard in Dresden nach wohlbestandenem Colloquium die Superintendentur in Frauenprießnitz übertragen wurde. Eine bald darauf an ihn ergangene Berufung zum ersten Domprediger in Naumburg schlug er aus. Als Frauenprießnitz infolge des Friedensschlusses dem Großherzogthum Sachsen-Weimar zugetheilt worden war, lernte der Großherzog Karl August, der in Begleitung Goethe’s das neuerworbene Amt Frauenprießnitz besuchte, N. persönlich kennen und schätzen; infolgedessen wurde N. 1816 nach Eisenach als Oberpfarrer, Generalsuperintendent und Oberconsistorialrath berufen, welche Würde er bis zum 1. Juli 1853 bekleidete; außerdem wurde er zum Ephorus des dortigen Gymnasiums, zum Director des neugestalteten Schullehrerseminars und der von ihm mitbegründeten Bürgerschule ernannt und ihm überhaupt die Leitung der Kirchen- und Schulangelegenheiten des Eisenacher Kreises übertragen. Seine auf diesen Gebieten erworbenen Verdienste fanden auch die entsprechende Anerkennung seitens der Regierung: Karl August ernannte N. zum Ritter des weißen Falken-Ordens und 1839 Karl Friedrich ihn zum Comthur desselben unter gleichzeitiger Ernennung zum Vicepräsidenten des Oberconsistoriums, nachdem er das Präsidium desselben schon mehrere Jahre geführt hatte. Die theologische Facultät zu Halle hatte schon 1817 gelegentlich des Reformationsfestes ihm um seiner Verdienste willen die theologische Doctorwürde honoris causa zuerkannt. – Was Nebe’s organisatorische Thätigkeit auf dem Gebiete des Schulwesens sowie seine sonstige pädagogische Wirksamkeit anlangt, so ist die Vereinigung der verschiedenen deutschen Schulen Eisenachs zu einer großen Bürgerschule, mit der später noch eine zweite mit einer Seminarschule sich verband, sowie insbesondere die Reorganisation der Schulen der ganzen Provinz sein Werk. In dem Lehrerseminar ertheilte er auch als Director persönlich Unterricht; das Gymnasium [347] Eisenachs sowie die Bürgerschulen unterstanden seiner eifrig geübten Aufsicht; die Landschulen der Provinz visitirte er in einem gewissen Turnus. Mit den Verhältnissen aller dieser seiner Aufsicht anvertrauten Anstalten war er jederzeit genau bekannt; alle Lehrer und Geistlichen vertrauten ihm als ihrem treuen Rathgeber und gewissenhaften Vorgesetzten, der zwar nöthigenfalls streng und ernst sein konnte, sonst aber immer mild und wohlwollend war. – Eine Anzahl von Schriften, vornehmlich pädagogischen Inhalts zeugen im allgemeinen von seiner litterarischen Thätigkeit, als auch besonders von seinem Interesse für das Unterrichtswesen, von denen hier genannt werden mögen: „Der Schullehrerberuf nach dessen gesammtem Umfang in der Schule und Kirche. Grundlage einer praktischen Amtsvorschrift für Lehrer in Bürger- und Landschulen, auch zur Vorbereitung der Seminaristen. Nebst einer ausgewählten Litteratur für Volksschullehrer.“ 2. Aufl. 1827. Zuvor schon waren von N. erschienen: „Fragen an Kinder über den biblischen Katechismus für Volksschulen als Grundlage für den katechetischen Unterricht der Jugend“; letzteres auch unter dem Titel: „Biblisch-katechetisches Handbuch für Schullehrer“, 2. Aufl. 1820–21. In Fachkreisen galt dieses Werk als ein sehr empfehlenswerther Commentar sowohl der Form als der Materie nach; ferner sind noch Schriften allgemeinen Inhalts zu erwähnen, wie über das Reformations- und Wartburgfest, über Stolbergs Uebertritt zur katholischen Kirche; sodann die erwähnte Schrift über Lavater; auch sind von ihm noch Predigten, sonstige Reden und eine große Zahl von Recensionen und Aufsätzen erschienen. – Neben seiner vielseitigen amtlichen und litterarischen Thätigkeit fand N. noch Zeit an gemeinnützigen Stiftungen und Vereinen theil zu nehmen, theils als Begründer, theils als Mitglied und Beförderer wie an der Bibelgesellschaft, der er viele Jahre präsidirte, der Gesellschaft der Freunde in der Noth, dem Gustav-Adolf-Verein, dem Frauenverein u. a. Seine Mußestunden waren litterarischen Beschäftigungen und dem Interesse für die schönen Künste gewidmet, wovon auch eine ihm angehörige Kupferstichsammlung von seltenem Umfang Zeugniß gab. – N. war eine Persönlichkeit von warmer Theilnahme an den Interessen seiner persönlichen und weiteren Umgebung, von wahrer Frömmigkeit und echter Milde, die selbst nach Beleidigungen nur die dem Christen gebotene Verzeihung und Versöhnung kannte; er war frei von jeglicher confessionellen Unduldsamkeit, zur steten Wohlthätigkeit geneigt mit Vermeidung jedes äußern Scheins. Für seine Person anspruchslos brachte er gern Opfer, wo es einen guten Zweck galt, was auch seine letztwillige Verfügung zeigt, nach der er 12 500 Thlr. zu Stiftungen, theils zu einem Familienstipendium für die Verwandten der Familien Nebe und Rein, theils für die Schulen der Stadt, für die Pfarrer- und Lehrerwittwen des Landes, für die Vereine der Bibelgesellschaft, für verwahrloste Kinder u. s. w. bestimmte. Noch heute begehen die Bürgerschulen Eisenachs seinen Geburtstag zum dankbaren Gedächtniß in feierlicher Weise. Von Alter und Arbeit gebeugt legte N. am 1. Juli 1853 seine Würden nieder; aber nicht lange sollte er sich der wohlverdienten Ruhe erfreuen: er starb schon am 11. September 1854 zu Karlsbad auf der Rückreise von Marienbad nach Eisenach.

Pädagogische Real-Encyclopädie von K. G. Hergang. 2. Bd. S. 303. – Nekrolog des am 11. September dieses Jahres zu Karlsbad verstorbenen Vice-Präsidenten Dr. Nebe. Eisenacher Kreis-Blatt, Jahrg. 1854. Nr. 150 und 151. – Biographien der berühmtesten etc. Pädagogen aus der Vergangenheit v. Dr. J. B. Heindl.
Binder.