Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Maedler, Johann Heinrich v.“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 37–39, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%A4dler,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 06:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 20 (1884), S. 37–39 (Quelle).
Johann Heinrich von Mädler bei Wikisource
Johann Heinrich von Mädler in der Wikipedia
Johann Heinrich von Mädler in Wikidata
GND-Nummer 118761439
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|37|39|Maedler, Johann Heinrich v.|Siegmund Günther|ADB:Mädler, Johann Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118761439}}    

Maedler: Johann Heinrich v. M., Astronom. Geboren am 29. Mai 1794 zu Berlin, widmete sich M., obwol er das Gymnasium besucht hatte, auf Wunsch seiner Eltern dem Lehrerberufe und erhielt bereits mit 23 Jahren eine Seminarlehrerstelle in seiner Vaterstadt. Von dem regen Eifer, mit welchem er sich seiner amtlichen Thätigkeit hingab, legt u. A. das im J. 1825 publicirte Lehrbuch der Schönschreibekunst ein Zeugniß ab. Doch beschäftigte er sich schon seit den frühesten Jugendjahren nebenher mit astronomischen Studien, zu denen ihn der große Komet von 1811 angeregt hatte. Im J. 1824 gelang es ihm, mit dem damals bereits als Himmelsforscher bekannten Commerzienrath Beer bekannt zu werden, der sich mit Maedler’s Beistand eine wohl ausgerüstete Privatsternwarte einrichtete, und auf dieser trat M. im genannten Jahre in die eigentlich beobachtende Thätigkeit ein, ohne daneben seinen Posten als Lehrer aufzugeben. Seine Arbeiten zogen jedoch die Aufmerksamkeit der Berliner Gelehrten, besonders Humboldt’s, auf sich, und dies hatte die Folge, daß er im J. 1836 als Observator an der königl. Sternwarte angestellt ward. Vier Jahre darauf erfolgte seine Berufung als ordentlicher Professor der Astronomie nach Dorpat, wo er nunmehr ein volles Vierteljahrhundert hindurch eine rege Wirksamkeit als Docent wie als Schriftsteller entfaltete. Als 1865 in Folge übergroßer Anstrengungen völlige Erblindung bei ihm eintrat, zog sich M., mit dem Charakter eines kaiserlichen Staatsrathes bekleidet, ins Privatleben zurück und lebte nun folgeweise in Wiesbaden, Bonn und Hannover; in ersterer Stadt erhielt er durch eine glückliche Operation des bekannten Ophthalmologen Pagenstecher das verlorene Augenlicht wieder. Am 14. März 1874 erlag er der Altersschwäche. Maedler’s Gattin, geb. Minna Witte, war eine Tochter der Hofräthin Wilhelmine Witte in Hannover, welche selbst das lebhafteste Interesse für die Sternkunde hegte und unter dem Einflusse der selenographischen Arbeiten ihres Schwiegersohnes ein treffliches Modell der sichtbaren Mondhalbkugel anfertigte, das in John Herschel’s Besitz überging. Die Berliner Periode in Maedler’s Leben war unzweifelhaft die für die Wissenschaft erfolgreichste. Mit unermüdlicher Energie studirte er die äußere Form und die Oberflächenbeschaffenheit der Himmelskörper, und viele seiner Ergebnisse haben bleibend Eingang in den Lehrbüchern der Astronomie gefunden. Seine Beobachtungen an Venus und Merkur dienten wesentlich zur Bestätigung der von Schroeter in Lilienthal gemachten Wahrnehmungen, seine Bestimmung der Jupiterabplattung zu 1/1514 und der Uranusabplattung zu 1/10 ist bis jetzt nicht wesentlich verschärft worden. Im J. 1841 erschien zu Weimar die von Beer und M. gemeinsam herausgegebene Schrift „Beiträge zur physischen Kenntniß der Körper im Sonnensystem“, worin zumal der Mars so genau untersucht und beschrieben ward, daß erst in der allerneuesten Zeit durch Schiaparelli ein erheblicher Fortschritt unserer damals gewonnenen Kenntnisse angebahnt werden konnte. Auch mit dem Saturnsring beschäftigte sich M. anhaltend, indem er namentlich die Frage zu beantworten suchte, wie sich in verschiedenen kronographischen Breiten die äußere Erscheinung dieses Ringes für einen Bewohner der Saturnkugel gestalten möge. Eine interessante Erörterung der bezüglichen Umstände ist seinem bekannten Lehrbuche einverleibt. Was jedoch den Namen Maedler’s, und zwar mit vollstem Rechte, in den weitesten Kreisen bekannt machte, das war seine ausgezeichnete Mondkarte im Verein mit den durch diese ins Leben gerufenen Schriften. 600 Nachtwachen lieferten das Material [38] zu der berühmten „Mappa Selenographica“, die im J. 1834 in einem Durchmesser von 3 Fuß erschien und, wie Bessel in seinen populären Vorlesungen (S. 614) bemerkt, die sichtbare Mondoberfläche ungefähr so genau darstellt, wie dies bezüglich einer Generalkarte Frankreichs auf einem Quartblatte der Fall sein würde. Die Monographie „Der Mond, nach seinen kosmischen und individuellen Verhältnissen“ (Berlin 1837) ist wieder von Beer und M. gemeinsam bearbeitet und Letzterer hat auch gleich darauf einen bei aller Kürze doch recht inhaltsreichen Auszug daraus erscheinen lassen. Die Strahlensysteme und die bis dahin fast gar nicht beachteten Rillen – nach neueren Ansichten ins Innere des Mondes führende Schlünde – wurden sorgfältig registrirt und beschrieben; auch maß M. mikrometrisch die Höhen sehr vieler Mondberge und eruirte so u. A. die Thatsache, daß bei den sogenannten Ringgebirgen der centrale Kegel niemals die Höhe des umgebenden Walles erreicht. Julius Schmidt, Neison u. A. haben unsere topographische Detailkenntniß des Erdtrabanten seitdem allerdings beträchtlich gefördert, allein der Unterschied zwischen jetzt und damals ist doch gewiß nicht so groß wie die Kluft, welche noch zwischen dem in seiner Art doch auch sehr verdienten Schroeter und zwischen M. sich öffnete. In Dorpat begann M. mit Ausschließlichkeit Arbeiten stellarastronomischer Natur sich zuzuwenden, wozu wol auch wesentlich der ihm jetzt zur Verfügung stehende treffliche Refraktor aufmunterte. Es muß jedoch gleich betont werden, daß er auf dem Gebiete der messenden und rechnenden weit weniger glücklich war denn auf jenem der deskriptiven Astronomie. Nicht als ob diese neuen mühevollen Untersuchungen werthlos wären; er lieferte 1854 neue wichtige Beiträge zur genaueren Bestimmung der Eigenbewegung unseres Sonnensystems und berechnete einige Doppelsternbahnen, seine Schrift über Fixsternkunde ward sogar 1855 in Utrecht preisgekrönt – allein gerade jene Entdeckung, welche er für seine hervorragendste hielt, konnte nirgends als höchstens in den Kreisen gewisser Compendienschreiber zu einiger Anerkennung durchdringen. Zwei selbständige Schriften („Die Centralsonne“, 1846; „Ueber das Fixsternsystem“, 1847) waren dazu bestimmt, den Nachweis zu erbringen, daß der der Plejadengruppe angehörige Stern Alkyone den Schwerpunkt jenes specielleren Fixsternsystems darstelle, zu welchem auch unsere Sonne als Bestandtheil gehört. Den Anfechtungen, welcher diese neue Theorie sehr bald von verschiedenen Seiten sich ausgesetzt sah, suchte M. dadurch zu begegnen, daß er der „Centralsonne“ keinen monarchisch-dominirenden Rang, sondern lediglich eine Stellung als „primus inter pares“ eingeräumt wissen wollte, allein trotz dieser und anderer Modifikationen vermochte die neue Idee kein Terrain zu erobern und ist heutzutage wol auch aus der populär-astronomischen Litteratur vollständig verschwunden. Nachdem M. seine amtliche Stellung aufgegeben hatte, begann er eine äußerst fruchtbare schriftstellerische Thätigkeit zu entfalten. Seine „Wunder des Himmels“ waren bereits 1841 zu Berlin erschienen, allein da das angenehm geschriebene Buch sich rasch einen Leserkreis erwarb, so wurden bald weitere Auflagen nöthig, die jedoch stets eine erweiterte und vervollkommnete Form erhielten; 1867 erschien die sechste Ausgabe, 1879 ward die siebente von Klinkerfues besorgt. Zumal die physisch-topographischen Abschnitte und der hübsche geschichtliche Anhang machen das Werk auch jetzt noch zu einer für gebildete Laien werthvollen Lectüre. Desgleichen hatte M. bereits in Dorpat angefangen, wissenschaftliche Tagesfragen u. dgl. in öffentlichen Blättern und Zeitschriften in gemeinverständlicher Weise zu besprechen und dieser Neigung vermochte er während der erzwungenen Muße, welche der Zustand seiner Augen betreffs strengerer geistiger Beschäftigung ihm auferlegte, ausgiebig nachzukommen. Namentlich die Stuttgarter „Deutsche Vierteljahrsschrift“ und Westermann’s „Monatshefte“ enthalten [39] eine große Anzahl von Artikeln aus Maedler’s Feder. Mögen auch viele derselben einen so ephemeren Charakter an sich getragen haben, daß die Opportunität der im J. 1870 veranstalteten Gesammtausgabe all’ dieser Gelegenheitspublikationen zweifelhaft erscheinen kann, so sind doch auch wieder einzelne von entschiedenem und dauerndem Werthe, so z. B. das Referat über die bei Gelegenheit der totalen Sonnenfinsterniß von 1860 angestellten Beobachtungen, derentwegen M. eine Reise nach Nordspanien unternommen hatte, ferner die Mittheilungen über die Fortschritte, welche unser Wissen vom östlichen Asien den russischen Geodäten verdankt, und manches Andere. Nebenbei befaßte sich M. viel mit chronologischen Fragen und erörterte mehrmals auf den Generalversammlungen der deutschen astronomischen Gesellschaft, deren eifriges Mitglied er war, die Möglichkeit, unseren gregorianischen Kalender durch eine mit dem Laufe der Gestirne in noch besserem Contakt stehende Zeitrechnung zu ersetzen; man erkannte gerne die Richtigkeit dieses Vorschlages an, erachtete aber die Fehler des herrschenden Systems nicht für groß genug, um jetzt schon eine so schwerwiegende Reform ins Werk zu setzen. Hauptsächlich waren es aber geschichtliche Studien, die Maedler’s Ruhezeit ausfüllten. Seine „Geschichte der Himmelskunde“ erschien 1873 im Westermann’schen Verlage zu Braunschweig als ein stattlicher Zweibänder, allein der Inhalt des auf großer Basis angelegten Werkes entsprach leider keineswegs der eleganten Außenseite. Das hohe Alter des Autors hatte ihn ebenso sehr abgehalten, von neueren und bahnbrechenden Forschungen auf dem von ihm bearbeiteten Felde Notiz zu nehmen, als auch die richtige schriftstellerische Form zu bewahren, und so kam es, daß das Buch, welches zur Zeit seines Erscheinens, wo Wolf’s treffliches Geschichtswerk noch in weite Ferne gerückt schien, einem wirklichen Bedürfnisse hätte genügen können, auch mäßige Ansprüche nicht zu befriedigen im Stande war. Als Materialiensammlung leistet es trotzdem jedem astronomischen Historiker um so bessere Dienste, als M. über ungewöhnlich ausgedehnte Litteraturkenntnisse verfügte.

Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877, S. 668 ff., 673, 676, 733 ff., 782 ff. – Zoeckler, Gottes Zeugen in der Natur, 2. Bd., Gütersloh 1881, S. 51 ff. – Newcomb-Engelmann, Populäre Astronomie, Leipzig 1881, S. 653 ff.