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Artikel „Lersner, Heinrich“ von Max Lenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 433–435, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lersner,_Heinrich&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 03:39 Uhr UTC)
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Lersner: Heinrich L., geb. 1506, † 1576, einer der thätigsten und langjährigsten Beamten Philipps d. Gr. Er studirte, wie sein älterer Bruder Jakob in Heidelberg und Erfurt (immatr. 1519 und 1520) und diente darauf lange Jahre als Secretär in der fürstlichen Kanzlei. Seine Hand bemerkt man schon vielfach in den Akten aus der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre; so sind z. B. die Concepte der Einladungsbriefe zu dem Marburger Colloquium von ihm geschrieben. Dann erscheint er auch in diplomatischen Missionen, z. B. 1532 als Gesandter nach Dänemark, gelegentlich der umfassenden diplomatischen Vorbereitungen zum Feldzuge gegen Württemberg. Im Juli 1540 nennt Bucer dem Landgrafen unter den „geschickten, frommen, erfahrenen Männer“, auf die er sich in der Regierung verlassen müsse, neben wenigen anderen L., und wirklich wird seit diesem Jahr kaum Jemand so wie dieser zu den Geschäften Philipps gebraucht. Nachdem er im Januar bei dem Kurfürsten von Sachsen gewesen war, mußte er kurz darauf nach Köln, um den Fürsten zu vertreten, der zufällig verhindert war, bei einem Geheimgespräch mit dem Erzbischof Johann von Lund, und kaum heimgekehrt ward er wieder auf den Bundescongreß nach Schmalkalden gesandt. Im Herbst benutzte ihn der Landgraf, um dem König Christian III. von Dänemark das Geheimniß seiner Bigamie anzuvertrauen und ihn auszuforschen, wie er sich darin zu ihm stellen werde. Nach der Vertreibung Herzogs Heinrich von Braunschweig 1542 war L. als Kanzler mehrere Jahre in der Regierung des eroberten Fürstenthums. Jedoch ertrug er es trotz der Rangerhöhung schwer, mit Frau und Kindern (seit 1530 war er mit Elisabeth Nusbicker, Tochter des hessischen Kammermeisters Georg Nusbicker, verheirathet), fern von der Heimath in dem theuren, unwirthlichen und gefährdeten Lande auszuhalten, und nur Gehaltserhöhungen und besondere Gnadengeschenke aus dem braunschweigischen Gute, sowie der ernste Wunsch des Landgrafen bestimmten ihn zu längerem Bleiben. Um ihm den Aufenthalt in Wolfenbüttel zu verleiden, kamen vielleicht nicht unberechtigte Klagen seitens der Bundesstände hinzu über seine eigennützige Handhabung der Verwaltung. Zu den allgemeinen Bundesgeschäften ward er auch während dieser [434] Zeit herangezogen. So war er Juni 1543 auf dem Bundestage in Schmalkalden, ein Jahr darauf in Gotha, und ging von hier nach Hamburg und Flensburg zu Christian III., um die damals für Heinrich von Braunschweig zusammenlaufenden Knechte abzutreiben. Während des Krieges gegen Karl V. an der Donau (1546) war L. in der Landesregierung zu Cassel; als Philipp aber heimgekehrt war (December 1546), mußte er diese relative Ruhe mit um so größerer Anstrengung vertauschen. Ein ganzes Jahr lang finden wir ihn fortan in der schwierigen und undankbaren Rolle, die Versöhnung seines Herrn mit dem Kaiser zu betreiben. Anfangs noch unter dem Gesichtspunkte der Aussöhnung des Kurfürsten mit Herzog Moritz. Dafür reiste er Monate lang zwischen Hessen und den sächsischen Quartieren und Residenzen hin und her. So kam er Anfang April über Dresden und die böhmischen Berge in das kaiserliche Lager nach Eger, zog von da, um dem Herzog Moritz zur Seite zu bleiben, mit dem Heere nach Mühlberg und gerieth hier in das Getümmel der Schlacht. Neben dem Herzog ritt er durch die Elbe und in die vorderste Schlachtreihe. Als die Kugeln schon pfiffen, übernahm er noch in dessen Auftrag einen Ritt zum Kurfürsten, um ihn zu Ergebung durch Vertrag zu bestimmen. So blieb er schließlich diesem als der letzte auf der Flucht zur Seite und entging selbst nur durch sein Glück und die Schnelligkeit seines Pferdes den nachsetzenden kaiserlichen Reitern. Für alle diese Strapazen und Gefahren erntete er aber wenig Dank. Indem er in den folgenden Wochen die Verhandlungen mit immer schwereren Bedingungen und schlechteren Erfolgen fortsetzte, schob der Landgraf, der zwischen muthigen und verzagten Entschlüssen hin- und herschwankte, die immer größeren Concessionen an den Kaiser auf die Nachlässigkeit des Unterhändlers, dem er schließlich sogar vorwarf, seine Gefangenschaft verschuldet zu haben. L. ward dadurch so verbittert, daß er schon vor der Capitulation von Halle den Dienst Philipps quittirte und noch im Juli den Entschluß aussprach, den des Kurfürsten Moritz oder eines anderen Fürsten zu erwählen. Aber im August finden wir ihn doch wieder ausgesöhnt und bis Ende des Jahres in Augsburg am kaiserlichen Hof mit derselben Unermüdlichkeit und Erfolglosigkeit, wie bisher, für Begnadigung und Befreiung des Landgrafen verhandeln. Auch während der Reise nach den Niederlanden und dort selbst folgte er dem kaiserlichen Hof, bis er im Januar 1549 nach Hessen zurückkehren konnte. Hier wurde er 1550 nach dem Tode Günterode’s interimistisch mit den Geschäften des Kanzlers betraut, nahm in derselben Stellung an den Passauer Verhandlungen Theil und stand nach der Befreiung Philipps mehrere Jahre als Kanzler an der Spitze der Regierung. Um 1560 zog er sich nach Marburg in die Stellung eines Beisitzers am Hofgericht zurück, ward jedoch auch dann noch mehrmals zu politischen Aufträgen verwendet. 1567 nahm er sogar noch einmal das Kanzleramt bei Landgraf Ludwig an, legte es aber nach zwei Jahren Alters und Krankheits halber nieder.

Johann L., Bruder des Vorigen, geb. 1512 in Marburg, † am 19. Januar 1550, war, wie Jakob, Professor der Rechte und Hofgerichtsassessor in Marburg (seit 1543). 1548 ff. war er mit seinen Brüdern und nach ihnen allein am burgundischen Hofe für die Erledigung des Landgrafen, wie in den Prozessen mit Nassau, dem Abt des Klosters Haynau und anderen Angelegenheiten thätig, erkrankte und starb wahrscheinlich in der Fremde. – Ein vierter Bruder, Christoph, geb. 1520 in Marburg, † 1603 in Friedberg, ward 1553 an der heimischen Universität Lic. juris, dann Professor, kam 1560 als „Doctor“ in die Kanzlei Albrechts von Mecklenburg und später als Syndicus nach Braunschweig. Zuletzt lebte er wieder in der Heimath. – Hermann L., der älteste Sohn Heinrichs, geb. 1534, † am 13. Octbr. 1613, war [435] ebenfalls lange Jahre Professor und nach dem Tode seines Oheims Vicekanzler der Marburger Universität. Zwei Schriften von ihm sind: „Theses de litis contestatione; resp. Joh. Rodingus“, Marp. 1579. 4°; „Theses de donationibus; resp. Jon. Hoenberger“, Bipont. Marp. 1580. 4°. – Sein Sohn Jakob übersiedelte nach Frankfurt a. M. und ward der Stifter des bekannten dortigen Patricierhauses.

Strieder a. a. O. Marburger Archiv.