ADB:Glück, Christian Friedrich von

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Artikel „Glück, Christian Friedrich von“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 253–256, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gl%C3%BCck,_Christian_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 10:37 Uhr UTC)
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Glück: Christian Friedrich v. G., Jurist, geb. am 1. Juli 1755 zu Halle, † am 30. Jan. 1831 zu Erlangen, Sohn des königl. preußischen Hoffiscals Christian Leberecht G., der zugleich das Amt des Syndicus und Quästor der Universität Halle versah (geb. 1718, † 1804), widmete sich, nachdem er seine Gymnasialbildung als Zögling des Hallischen Waisenhauses erhalten, von 1770 bis 1776 dem Studium der Jurisprudenz in seiner Vaterstadt und trat 1776 bei der Landesregierung zu Magdeburg als Referendar ein, um sich, dem Wunsche seines Vaters gemäß, für die juristische Praxis auszubilden. Er überzeugte sich jedoch bald, daß die eingeschlagene Laufbahn ihn nicht befriedigen und zu erwünschten Zielen führen werde, kehrte nach Halle zurück und hielt, nachdem er am 16. April 1777 zum Doctor promovirt war, als Privatdocent juristische Vorlesungen mit so günstigem Erfolge, daß ihm schon 1779 eine Professur an der 1760 gestifteten Universität zu Bützow, 1782 sogar die durch Höpfner’s Abgang erledigte Professur der Pandekten in Gießen angetragen wurde. Die Anhänglichkeit an seine Vaterstadt und seine Verwandten, namentlich das vertraute Freundschaftsverhältniß zu seinem Schwager Dr. C. F. Zepernick, damaligen Oberlandesgerichtsrath, dem um das Lehnrecht und die Geschichte der Novellen so hochverdienten Gelehrten, ließ ihn beide Anträge ablehnen. Dagegen bestimmte ihn später die Rücksicht auf sein äußeres Fortkommen einer Berufung nach Erlangen zu folgen, wo er sein Lehramt am 7. Oct. 1784 mit einer Rede „De difficultatibus studii juris canonici superandis“ antrat. Hier empfingen ihn die freundlichsten Verhältnisse; schon im folgenden Jahre knüpfte er ein beglückendes Ehebündniß mit der einzigen Tochter seines Collegen J. B. Geiger, [254] Wilhelmine Elisabeth, die ihren Gatten überlebte. Die äußeren Erfolge seiner Lehrthätigkeit steigerten sich zu erfreulichstem Umfange; neben seinem stattlichen Wohnhause erbaute er sich ein geräumiges Auditorium für die wachsende Schaar seiner Zuhörer in den Pandekten-Vorlesungen. Zahlreiche Berufungen (1790 nach Rostock, 1791 nach Halle als Vicedirector der Universität, 1792 nach Greifswalde, 1802 nach Leipzig, 1808 nach Charkow mit 2500 S. R. Gehalt und in demselben Jahre nach Gießen als Kanzler) lehnte er ab und durchlebte die guten und schlimmen Zeiten Erlangens in einer fast 50jährigen still befriedigten Gelehrtenthätigkeit, ungestört durch den wiederholten Wechsel der Landesherrschaft, deren jede den hohen Werth des trefflichen Mannes zu ehren wußte. Markgraf Friedrich Karl Alexander ernannte ihn zum Hofrath und erhöhte 1791 seinen ursprünglich nur auf 500 fl. bemessenen Gehalt auf 1500 fl., dem König Friedrich Wilhelm III. von Preußen eine Zulage von 500 fl. hinzufügte. Die Beschwerden der französischen Occupation, für die Professoren besonders drückend durch die Reduction der Gehalte und Verödung der Hörsäle, ertrug er mit seinen Collegen in standhafter Geduld, besseren Tagen entgegensehend, welche nach der Einverleibung des Fürstenthums Baireuth in das Königreich Baiern (1810) langsam zurückkehrten. Die erlittenen Verluste suchte man auszugleichen, die Hörsäle füllten sich wieder. G. wurde im J. 1820 vom König Max Joseph zum Geheimen Hofrath ernannt und zu seinem 50jährigen Doctorjubiläum 1827 verlieh ihm König Ludwig mit dem Civilverdienstorden der Baireuther Krone den persönlichen Adel, während ihm die Stadt Erlangen das Ehrenbürgerrecht ertheilte. Mehr aber als durch diese äußeren Ehren und Auszeichnungen ward das stille Gemüth des bescheidenen und tief religiösen Mannes beglückt und gehoben durch das ungestörte Gelingen seines emsigen Schaffens, durch die Liebe und Verehrung, die ihn umgab und das Gedeihen seines häuslichen Kreises. Am 17. April 1817 hatte er die Freude, als Decan der juristischen Facultät, seinem ältesten Sohne Christian Karl, späteren Oberappellationsgerichtsrath in München, die Doctorwürde zu verleihen. Mit unermüdlicher Arbeit hat G. sein Leben ausgefüllt, eine Thätigkeit von erstaunlichem Umfange entfaltet, die um so bewundernswerther ist, als seiner zart angelegten Natur der auf äußere Anerkennung gerichtete Trieb des Ehrgeizes durchaus fremd war. Die Liebe zur Sache, zur Arbeit und zur Pflicht waren die ihn bewegenden Triebfedern und daher sind denn auch der emsige Fleiß, die Gewissenhaftigkeit und unparteiische friedfertige Wahrheitsliebe die Eigenschaften, welche seinem Wirken Erfolg und seinen Werken einen bleibenden Werth gaben. Neben der umfassenden litterarischen Thätigkeit übte er seinen Lehrberuf im ausgedehntesten Umfange. Seine Vorlesungen umfaßten außer den Gebieten des römischen Rechts noch das Kirchenrecht und je zu Zeiten das Strafrecht, Wechselrecht, deutsche Rechtsgeschichte; in einem Semester hat er neben den Pandekten gleichzeitig zur Aushülfe die Institutionen und das Kirchenrecht vorgetragen. Er begnügte sich in solchen Zeiten mit drei bis vier Stunden nächtlicher Ruhe und noch lange nach seinem Tode lebte in Erlangen die Erinnerung, daß er seine Pandekten-Vorlesung nicht nur gegen Schluß des Semesters fünf bis sechs Stunden täglich zu halten, sondern bis tief in die Ferien hinein fortzusetzen pflegte, ja gelegentlich wol ein Mal erst kurz vor Anfang des neuen Semesters geschlossen habe. In seiner Gewissenhaftigkeit, nach der er es für seine Pflicht hielt, den wissenswerthen Stoff in möglichst weitem Umfange mit Vollständigkeit zu beleuchten und zu überliefern, konnte er sich nie genug thun. Aber freilich hing diese behagliche Breite zusammen mit dem Mangel an kritischer Schärfe und systematischer Herrschaft über die Materie, der den Unterschied des Wesentlichen und Unwesentlichen verwischte. Darin liegen die Schwächen und die Stärken seiner litterarischen Thätigkeit. Er ist kein [255] schöpferischer Geist, der neue Bahnen sucht und zeigt, keine systematisch gestaltende Kraft, sondern ein mit redlicher Mühe sammelnder, das in den Quellen und der Litteratur Ueberlieferte gewissenhaft erwägender Gelehrter, dem es darum zu thun ist, das darin enthaltene Wahre mit erschöpfender Vollständigkeit zur Darstellung zu bringen; er geht keiner Specialität und keiner Schwierigkeit aus dem Wege, mit keiner Frage findet er sich leichten Kaufs ab, jeder Meinung wird eingehende Betrachtung und unbefangene Würdigung zu Theil – und über der ganzen Schreibart liegt die friedliche Ruhe, das stille Behagen ausgebreitet, das sich von dem emsigen Verfasser auf den ihm leichten Kaufs folgenden Leser überträgt. G. hatte sich bereits durch eine Anzahl kleinerer Schriften, die er zum Theil in den „Opuscula juridica“ (1785–90) zusammenstellte, sowie durch die „Praecognita uberiora universae jurisprudentiae ecclesiasticae“, 1786, einen angesehenen litterarischen Namen erworben, als er 1790 den ersten Band seines großen Pandekten-Commentars oder der „Ausführlichen Erläuterung der Pandekten nach Hellfeld“ publicirte. Es war die Zeit, in der G. Hugo seinen Kampf gegen die überlieferte Methode der Jurisprudenz begann und der neuen historischen Schule die Wege vorbereitete. Mit herber Kritik trat der junge Gelehrte einem Unternehmen entgegen, welches sich ganz in den alten Bahnen bewegte. Es wäre besser, meinte Hugo, wenn der gelehrte Verfasser sich bemüht hätte, die Hellfeld’sche Jurisprudentia forensis überflüssig zu machen, statt sie als Grundlage eines umfänglichen Commentars noch mehr zu accreditiren. Das ganze Unternehmen sei verfehlt, weil es ohne System, nur nach der schlechten äußeren Ordnung der Pandekten angelegt, Praktisches und Historisches, Antikes und Modernes in bunter Mischung und nach willkührlicher Auswahl zusammentrage; und wenn der Verfasser die Absicht ausspreche, sein Werk als Hülfsbuch für seine Zuhörer in 6 Bänden zu vollenden, so sei bei der völligen Unbestimmtheit der Grenzen für das aufzunehmende Material vorauszusehen, daß es zu mindestens 20 Bänden anschwellen werde. Wie richtig Hugo prophezeite, hat der Erfolg bewiesen! G. selbst hat in der Folgezeit fast alljährlich einen neuen Band zu seinem Werke geliefert, so daß deren Zahl unter seinen Händen bis auf 34 anwuchs. Dann ist es durch fünf Gelehrte fortgesetzt worden (von Mühlenbruch Bd. 35–43, 1832–43; von Fein Bd. 44. 45, 1851–53; von Arndts Bd. 46–48, 1868–75; daneben von Leist 3 Bde. 1870–75 und von Burkhardt 2 Bde. 1871–75), umfaßt jetzt außer den Registern 53 Bände, und es ist bei der Wichtigkeit vieler noch nicht behandelter Bücher der Pandekten nicht zu berechnen, wie viel Bände nach dem bisherigen Maße der Ausführlichkeit noch zur Vollendung nöthig sein werden. G. hat sich durch Hugo’s Angriffe nicht beirren lassen; nach einer etwas gereizten Polemik setzte er seine emsige Arbeit fort, ohne an der Entfaltung der historischen Schule, deren Geistesleben für ihn immer etwas Fremdartiges behielt, mitwirkenden Antheil zu nehmen. Allein es bildete sich ein Verhältniß gegenseitigen Geltenlassens, und G. folgte mit derselben unparteiischen Gewissenhaftigkeit den Forschungen der neuen Richtung, wie er sie der älteren Litteratur gegenüber bewährte. Als er die im J. 1803 erschienene „Hermeneutisch-systematische Erörterung der Lehre von der Intestat-Erbfolge“ nach 19 Jahren in neuer Bearbeitung herausgab, bekannte er in der Vorrede, daß das „stolze Wohlgefallen“, mit welchem er ehemals auf seine Arbeit geblickt, jetzt, nachdem die geschichtliche Bearbeitung des römischen Rechts durch „die großen Meister unserer Zunft, Hugo, Haubold, Savigny, Göschen, Löhr, einen so hohen Grad von Bildung und Vollkommenheit erreicht habe“, so sehr gedemüthigt sei, daß er nur mit Schüchternheit diese neue Bearbeitung dem Publicum übergebe, obgleich er bemüht gewesen sei, die Ergebnisse der neuen Forschungen und Entdeckungen redlich zu benützen. – Der [256] Werth, welcher den Glück’schen Werken von Anfang an innewohnte, ist ihnen neben der Umgestaltung unserer Rechtswissenschaft geblieben. Sein Commentar liefert in bemerkenswerther Art den Beweis, welche Geltung in gelehrten Dingen der treue Fleiß des zwar nicht geistvoll, aber einsichtig urtheilenden Compilators unter allen Umständen behauptet und wie ihm, trotz aller Einwendungen, schließlich doch keine Richtung, die es mit der Wissenschaft ernst und ehrlich meint, die Anerkennung versagt. An Umfänglichkeit des Plans und, soweit sie gediehen, auch der Ausführung, läßt sich dem Glück’schen Commentar nur die Glossa ordinaria des Accursius vergleichen, welche, ebenso wie es von jenem gesagt zu werden pflegte, eine ganze Bibliothek entbehrlich macht. Sie bildet den Abschluß einer wissenschaftlichen Epoche, wie der Glück’sche Commentar den Ausgang der alten „theoretisch-praktischen“ Periode bezeichnet und vollständig darstellen würde, wenn er von seinem ersten Autor vollendet wäre. Allein die Aehnlichkeit ist doch nur eine flüchtige. Neigt sich das Urtheil bei Vergleichung der ganz verschiedenen Methoden auf die Seite Glück’s, so hat dagegen Accursius Das wirklich vollendet und durchgeführt, was in dem Plane seiner dürren Compilation lag; und wenn andererseits die Glossa ordinaria die folgenden Zeiten des Verfalls beherrscht hat, so ist dagegen der Glück’sche Commentar auf die neben ihm erstehende Blüthezeit der deutschen Jurisprudenz ohne Einfluß geblieben. – Bis in sein 70. Lebensjahr erfreute sich G. ungestörter Gesundheit und Arbeitskraft; dann meldeten sich vorübergehende Schwindelanfälle, die jedoch seine Heiterkeit und Thätigkeit nicht störten. Wenige Wochen vor seinem Tode ward seine rechte Hand von Gichtbeschwerden ergriffen; geduldig ertrug er die Schmerzen und um seine litterarische Thätigkeit fortsetzen zu können, hob er die geschwollene rechte Hand mit der linken auf das Papier und setzte sie so in Bewegung. Noch am letzten Tage seines Lebens, den 20. Jan. 1831, war er bis Abends 8 Uhr mit der Ausarbeitung des achten Bogens des 35. Bandes seines Commentars beschäftigt. – Dann legte er sich, große Müdigkeit empfindend, zur Ruhe und gegen 10 Uhr war er entschlafen.

Vgl. Schunck, Jahrbücher d. jurist. Litt. 4, 353 ff. 5, 106. 16, 93 bis 108: ein Nekrolog mit vollständigem Verzeichniß von Glück’s Schriften. Engelhard, Gedächtnißpredigt, 1831. Ersch und Gruber, 1. Sect. 70, 263 bis 272. Stintzing, F. C. v. Savigny, S. 8 ff. 39 ff.