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Artikel „Florentius Radewynsz“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 130–131, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Florentius_Radewynsz&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 14:02 Uhr UTC)
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Florentius Radewynsz. Die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, welche sich im letzten Viertel des 14. Jahrh. bildete, verdankt die Idee ihrer Gründung dem Freunde Gerhard Groote’s, F. R. Zu Leerdam in Holland um 1350 als Sohn bemittelter Eltern geboren, erwarb er sich an der Prager Universität den Magistergrad der freien Künste und ward Canonicus von St. Peter zu Utrecht. Diese reiche Pfründe gab er aber, von einer Predigt Gerhard Groote’s zu Deventer 1380 tief ergriffen, auf, um sich diesem völlig zu verbinden. Dort erhielt er eine Vicarie an der Lebuinuskirche und stand fortan seinem Meister treu zur Seite, um an der Capitelschule die jungen Geistlichen zu unterrichten und in der Erwerbung ihres Unterhaltes durch schriftstellerische Arbeiten zu fördern. Dabei nun entstand bald bei ihm der Gedanke eines engeren Zusammenlebens der Geistlichen. Warum sollten sie nicht den Ertrag ihrer Arbeit mit der Feder zusammenlegen, um davon gemeinsam Haus zu halten? Gerhard Groote widerstrebte anfangs; er scheute den Vorwurf der Bettelmönche, man wolle auf solche Art nur ein Klosterleben ohne Klostergelübde erreichen. Doch gab er nach und F. versammelte darauf in seinem Hause eine rasch anwachsende Zahl von Männern, welche sich dem geistlichen Berufe widmen wollten, indem sie sich, zu gemeinsamem Leben vereinigt, ihren Unterhalt durch Arbeiten, namentlich durch Abschreiben von Büchern erwarben. So entstand das erste jener Fraterhäuser, welche für die Studien und für die religiöse Volksbildung im Mittelalter eine so große Bedeutung gewannen. Vom Bischofe Friedrich v. Wevelinkhoven geschützt und von allen Wohlgesinnten hochgehalten, erweiterte sich die Brüderschaft bald; noch zu Lebzeiten des F. entstanden[WS 1] zwei Fraterhäuser zu Zwolle und eine Stiftung zu Amersfort. Den Mönchen aber waren die Brüder von Anfang an verhaßt, weshalb schon Gerhard Groote damit umging, seinen Freunden durch Stiftung eines Klosters einen sicheren Zufluchtsort zu gewähren, „unter dessen Schatten alle frommen Turteltauben vor den Angriffen jener Habichte geschützt sein möchten.“ Als der Tod ihn 1384 abrief, hinterließ er dieses Werk seinem Freunde F. und die Erbauung des nachher berühmten Klosters der Regularen zu Windesheim bei Zwolle war der Erfolg seiner unermüdeten Anstrengungen. Bald aber bedrohte die Pest, welche im J. 1398 in Overyssel schreckliches Verderben anrichtete, den Bestand der jungen Stiftung; so viele der Brüder unterlagen der Seuche, daß man schon den Untergang der Brüderschaft fürchtete. Da vermochten die kranken Brüder selbst den F., mit den gesunden [131] nach Amersfort überzusiedeln, um sich und sie dem Werke zu erhalten. Nicht ohne Widerstreben gab er ihren Wünschen nach, kehrte auch noch im selben Jahre nach Deventer zurück und gab sich hier mit neuem Eifer dem Ausbau und der Ausbreitung der Brüderschaft hin. Leider aber entriß ihn der Tod schon am 24. März 1400 seiner Schöpfung. Bei seiner Bestattung in der Lebuinuskirche konnte das schöne Wort gesprochen werden: „Ob der Lebuinus ein Heiliger gewesen sei, das weiß ich nicht, sondern glaube ich; aber von diesem weiß ich genau, daß er ein heiliger Bekenner Gottes war.“ Und so war es. F. R. war eine Persönlichkeit von ungewöhnlicher Bedeutung und von einer aufrichtigen und tief aus dem Gemüth quellenden Frömmigkeit, weit entfernt von unfruchtbarer Contemplation oder müssiger Ascese. Sein ganzer Sinn blieb selbst, was die Auffassung der Studien betrifft, bis zu einer gewissen Einseitigkeit, auf das Praktische gerichtet. Sein reiner, unermüdet thätiger Wandel, seine strenge Pflichterfüllung, verbunden mit einem demüthigen Sinn und einem fröhlichen Herzen, erwarben ihm die allgemeine Liebe und Verehrung und sicherten seinem Auftreten überall den durchschlagenden Erfolg. Die Freunde betrachteten ihn als einen Vater, welcher seine Kinder nicht durch scharfsinnige Lehren und scholastische Weisheit, sondern durch nützliche Kenntnisse und durch praktische Wirksamkeit zur wahren Herzensfrömmigkeit zu führen trachtete. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß ihm dazu vor allem die Erforschung der heiligen Schrift als Mittel erschien; wol wollte er die Erklärung derselben nicht unbedingt freigegeben wissen, aber er empfahl sie als den sichersten Weg zum wahren Glauben, wie auch ein Büchlein seines Freundes, des schon im Pestjahre 1398 verstorbenen Gerhard Zerbolt von Zütphen, das Lesen der heiligen Schrift in der Landessprache anempfohlen und verlangt hatte. Es ist bekannt, daß überhaupt die Brüderschaft auf folgenreiche Art für den Gebrauch der Muttersprache in religiösen Dingen wirkte. Die Schriften des F., soweit sie uns aufbewahrt sind, sollen seine vorwiegende Richtung auf das praktische Leben überall erweisen. In den Werken des Thomas a Kempis und bei Malou (Recherches sur l’auteur de l’Imitation) findet man quaedam notabilia verba Domini Florentii presbyteri. Sein „Tractatulus de exstirpatione vitiorum“ ist von Nolte[WS 2] herausgegeben (Freib. 1862). Valerius Andreas erwähnt noch mehrere Schriften, welche sich vielleicht noch irgendwo im Manuscript erhalten haben, wie eine „Formula novitiorum“ und eine Schrift „Wie man innerlich und äußerlich für Gott leben solle“. In Dumbar’s Anal. I. p. 88 sind einige Briefe des F. aufgenommen und sein Leben ist von Thomas a Kempis dargestellt.

Glasius, Godgel. Nederl.; van der Aa, Biogr. Woordenb.; Moll, Kerkgesch. van Nederl., II. 2de st. bl. 166. 362. 409. Besonders aber Delprat, Broodersch. van G. Groote (deutsch von Mohnike, Die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, Leipz. 1840).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstanden
  2. Ernst August Hermann Wilhelm Nolte (* 25. September 1805 in Parensen; † 9. November 1872 in Linden), evangelischer Theologe.[