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Artikel „Berghaus, Hermann“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 379–381, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berghaus,_Hermann&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 08:10 Uhr UTC)
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Berghaus: Hermann B., Kartograph, Neffe des gleichfalls als Kartenzeichner berühmten Heinrich B., ist am 16. November 1828 als Sohn eines Pfarrers zu Herford in Westfalen geboren. Nachdem er seine erste Kindheit in dieser Stadt verlebt hatte, wurde sein Vater nach Halle bei Bielefeld versetzt. In der Schule dieses Ortes eignete er sich die Elementarkenntnisse an. In den Mußestunden beschäftigte er sich mit Zeichnen, wofür er eine ausgesprochene Begabung besaß. Seit 1842 besuchte er das Gymnasium zu Herford, wohin sein Vater wieder berufen worden war. Da er aber mehr Geschick und Neigung zu technischen Fertigkeiten als zu den alten Sprachen zeigte, nahm ihn 1845 sein Oheim Heinrich B., der in Potsdam eine Kunstschule begründet hatte, zu sich, um ihn unter seiner persönlichen Leitung zum Kartographen auszubilden. Dieser Anstalt gehörten auch August Petermann, Henry Lange und andere späterhin weit bekannte Kartographen als Schüler an. Hier wurde er nicht nur in die Technik, sondern auch in die Theorie des Kartenentwerfens, namentlich in die verschiedenen Projectionsmethoden gründlich eingeführt. Auch eignete er sich durch den persönlichen Verkehr mit wissenschaftlich gebildeten Geographen, sowie durch ausgebreitete Lectüre geographischer und mathematischer Schriften, unterstützt durch eine ungewöhnliche Arbeitskraft, leichte Auffassungsgabe und ein ausgezeichnetes Gedächtniß eine Fülle von gründlichen und wohlgeordneten Kenntnissen an, die ihm später bei seiner vielseitigen Thätigkeit sehr zu statten kamen. Die erste selbständige Arbeit, die er noch in Potsdam lieferte, war eine vortreffliche Karte von Ober- und Mittelitalien, eine Reduction der fast hundertblättrigen Karte von Orlandini. Nachdem er seine Lehrzeit beendet hatte, berief ihn der Verlagsbuchhändler Wilhelm Perthes in Gotha als Mitarbeiter an seine kartographische Anstalt, die schon damals einen Weltruf genoß. Hier erwartete ihn eine Fülle schwieriger Aufgaben. Zu dem Verlage der Firma gehörten mehrere große Kartenwerke, namentlich Stieler’s Handatlas, Heinrich Berghaus’ Physikalischer Atlas, Spruner-Menke’s Historischer Atlas, sowie die Schulatlanten von Stieler und von Sydow, die sämmtlich unausgesetzt durch Ausscheidung veralteter, Einfügung neuer und Verbesserung der zurückbleibenden Blätter auf der Höhe der Zeit erhalten werden mußten. Für diese Arbeiten war B. der rechte Mann. Unermüdlich war er thätig, Generalstabspublicationen, Meßtischblätter und andere Karten großen Maßstabes zu reduciren. Besonders seit der Begründung von Petermann’s Mittheilungen, [380] deren Hauptzweck darin bestand, die Fortschritte der geographischen Entdeckungen weiteren Kreisen bekannt zu machen und kartographisch wiederzugeben, unternahm er es mit Vorliebe, die Berichte der Forschungsreisenden für die Vervollkommnung der Karten zu verwenden. Auch um die Technik der Kartographie hat er sich verdient gemacht. Vor allem zeichnen sich seine Karten durch genaue und plastisch wirkende Wiedergabe des Bodenreliefs aus. Auch zur Verbesserung der Höhenschichtenkarten durch Auswahl passender Farbentöne unternahm er allerlei von glücklichem Erfolge begleitete Versuche. Um eine möglichst weitgehende Genauigkeit dieser Schichtenkarten zu erzielen, sammelte er alle ihm erreichbaren glaubwürdigen Höhenangaben und veröffentlichte eine Auswahl derselben mehrfach in Behm’s Geographischem Jahrbuch. Dieses Höhenmaterial, das im Laufe der Jahre einen außerordentlichen Umfang annahm, hat er auf seinen Karten in umfassendster Weise verwerthet. Seine Specialität waren orohydrographische Karten, für die er, ehe er sie begann, jahrelang vorher alle erreichbaren litteratischen Quellen zusammengestellt hatte. Ihrer vorzüglichen Ausführung verdankte es die Perthes’sche Anstalt nicht zum geringsten Theile, daß ihr Weltruf trotz wachsender Konkurrenz gewahrt blieb und daß sie aus vielen ausländischen Staaten Aufträge zur Lieferung von Schulkarten und Schulatlanten erhielt. Die technische Leitung dieses wichtigen Verlagszweiges ruhte in Berghaus’ Händen, und er hat sehr viele Blätter dieser Unterrichtswerke[WS 1] selbst gezeichnet, die anderen revidirt und ihre Ausführung überwacht. Mit Erfolg wandte er sich auch der Herstellung von Wandkarten zu. Unter diesen ist seine Weltkarte in Mercator’s Projection in acht Blatt, Gotha 1868, hervorzuheben. Sie fand namentlich in ihrer englischen Ausgabe als Chart of the World weite Verbreitung und erlebte zahlreiche Auflagen. Sein letztes Werk, das ihm zugleich ein dauerndes Andenken sichert, ist die Neubearbeitung des von seinem Oheim begründeten, 1848 vollendeten Physikalischen Handatlas, der seit seinem ersten Erscheinen infolge der gewaltigen Fortschritte der physischen Erdkunde nahezu völlig veraltet war. B. sah sich deshalb genöthigt, ihn von Grund aus neu zu gestalten. In jahrelanger Arbeit entwarf er einen Gesammtplan, wählte die Mitarbeiter aus, prüfte deren Zeichnungen und Entwürfe, ergänzte sie, soweit es nöthig erschien, und zeichnete sie dann theilweise selbst ins Reine. 1886 waren die ersten Blätter vollendet, doch sollte er den Abschluß des großen Werkes nicht erleben, da sein seit Jahren überanstrengter Körper allmählich den Dienst versagte. Im Anfang des Jahres 1888 befiel ihn ein langwieriges Augenleiden, das schließlich völlige Erblindung des linken und erhebliche Schwächung des rechten Auges verursachte. Im Spätherbst 1890 gesellte sich zu diesem Uebel, wol als Folge sitzender Lebensweise, eine schwere Unterleibsentzündung, die am 3. December desselben Jahres seinen Tod herbeiführte. – B. war ein stiller, bescheidener Mann ohne gesellige Bedürfnisse und jeder Reclame feind, so daß er, abgesehen von engen Fachkreisen, der Mitwelt fast unbekannt blieb, die seine Arbeiten nicht selten seinem weit bekannteren und eine ausgebreitete litterarische Thätigkeit entfaltenden Oheim Heinrich B. zuschrieb. Schriftstellerisch ist er kaum hervorgetreten, auch Schüler hat er nicht hinterlassen, doch bleibt ihm der Ruhm, eine der Hauptstützen der Perthes’schen geographischen Anstalt und ein bedeutender Kartograph gewesen zu sein, der gleichmäßig auf der Höhe der Wissenschaft wie der Technik stand. In Anerkennung seiner Verdienste ernannte ihn 1868 die philosophische Facultät zu Königsberg zum Ehrendoctor, 1885 Herzog Ernst von Gotha zum Professor. 1881 verlieh ihm der Geographencongreß zu Venedig eine goldene Medaille.

Nekrologe: Petermann’s Mittheilungen 1891, 37, I-V (Hermann Wagner); Geographisches Jahrbuch 14, 201; Deutsche Rundschau f. Geogr. [381] u. Stat. 13, 379; Bulletin soc. geogr. roy. Belge 15, 175; Tijdschrift Nederl. Aardrijksk. Genootsch. (2) 8, 769; Scott geogr. Magaz. 7, 86; Boll. soc. geogr. Ital. (3) 4, 15.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Unterrrichtswerke