„Wie er die Kirche schwänzt und die Mess’“

Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: „Wie er die Kirche schwänzt und die Mess’“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 277, 286–287
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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„Wie er die Kirche schwänzt und die Mess’“ –

Diese Sünde hat schon den Capuziner in Wallensteins Lager in Feuereifer gebracht, und so ist’s nach ihm Tausenden seiner weißen, braunen und schwarzen Collegen ergangen. Alle Achtung vor den Strafpredigten dieser geweiheten Herren, aber eine Frage ist’s dennoch, ob die Rede, welche soeben vom Munde der jungen und alten Frauen unseres Bildes zu strömen theils beginnt, theils droht, der des zornsprudelndsten Capuziners im Geringsten nachstehen wird. Denn etwas so Abscheuliches, als hier geschehen, wo drei Bauern ihren braven Weibern wahrscheinlich an der Kirchthür untreu geworden sind und sich in’s Wirthshaus geschlichen haben, um die Stunde des Gottesdienstes mit einem offenbar heillosen fremden Stromer bei Bierkrug und Kartenspiel zu verbringen, – etwas so Abscheuliches macht die Zungen der Gerechten feurig.

Der erste Blick auf die vorliegende Situation der Betheiligten überzeugt uns, daß hier der Capuziner die Wette verlieren würde, denn nicht auf dem gemüthlichen Gebiete des Wortspiels treibt sich die schöne Rede unserer erzürnten Frauen umher, sondern mit der Geradheit und Schärfe des Schwerts fährt sie auf die verblüfften Opfer los. Seht nur die hübsche Junge! Ist es schon die Gattin, oder ist es noch die Braut des jungen Bauern, der in größerer Verlegenheit sich noch nie seine Pfeife gestopft hat? Er sieht schwerlich, was er soeben verrichtet, denn

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Kartenspielende Bauern werden von ihren aus der Kirche kommenden Frauen im Wirthshaus überrascht.
Von seinem Oelgemälde auf Holz übertragen von Benjamin Vautier.

[287] das böse Gewissen drückt ihm schon allein die Augen nieder. Wie prächtig steht sie da, kampfbereit die Fäuste an den Hüften, die holde Sittenwächterin. So rüstet der Spott sich zu einem gedeihlichen Donnerwetter! Noch schlimmer droht es dem älteren Manne, welcher zwar, wie auch der jüngere, augenscheinlich die Kartenblätter eiligst versteckt hat und gleichwohl den Muth nicht zusammenbringen kann, sich umzudrehen, aber es läuft ihm sicherlich kalt den Rücken hinab von dem stummen Blick des schwersten Vorwurfs, den seine ebenso schlanke als gestrenge Ehehälfte auf ihm ruhen läßt. Das Schlimmste aber scheint dem Jammermännlein zu drohen, das die Angst vor seinem frommen Hausengel hinter den Bretverschlag trieb, an dem er die harmlose Stellung eines sich am Ofen Wärmenden anzunehmen sucht. Mit seiner Physiognomie der Verzweiflung correspondirt trefflich das grimmige Antlitz der Alten, die jetzt quer schielenden Blicks zur Thür hereintritt. Wehe, wenn das Trio in vollen Gang kommt; was vermag dem gegenüber der schnarrendste Brummbaß! – Als einen solchen vermögen wir von dem vorstehenden Mannsvolk Niemanden zu erkennen, als den feinen Patron, der mit ausgezeichneter Frechheit die verrätherischen Karten in der Hand behält und dem ausbrechenden Unwerter wie einer besondern Lustbarkeit entgegensieht. – Du selbst, liebes Publicum, bist in Gestalt des neugierigen Bauern und der Wirthsmagd dargestellt, die an der Thür sich die Sache mit ansehen, leider aber Beide die menschliche Schwachheit einer kleinen Schadenfreude nicht verbergen können. So geht’s! Hätten die Drei ihre Gesangbücher nicht da auf der Ofenbank, in der respectwidrigen Nähe der Mausfalle, liegen lassen, sondern pflichtschuldig in die Kirche getragen, so würde sich Benjamin Vautier nicht gemüßigt gesehen haben, ihre Ertappung auf frischer That und die nächsten Folgen ihres Leichtsinns der Nachwelt zum abscheulichen Exempel auf die Leinwand zu bringen; nun das Bild fertig und gar als Holzschnitt an die große Glocke der Gartenlaube gehängt ist, hilft den Sündern kein Leugnen mehr, sondern nur gute Besserung. –

Wer von unsern Lesern einmal nach Leipzig kommt, der kann das Original unseres Bildchens im Museum daselbst betrachten, dem es durch den Kunstverein einverleibt wurde, nachdem es auf der letzten Londoner Ausstellung sich viele Freunde erworben hatte. Zu diesen werden nunmehr auch unsere Leser gehören, und darum wird es in der Ordnung sein, wenn wir sie mit dem Künstler selbst näher bekannt machen.

Benjamin Vautier ist ein geborener Waadtländer. Den ersten Zeichenunterricht erhielt er in Genf. Im Jahre 1850 zog er nach Düsseldorf, wo er anfangs die Akademie besuchte, dann aber als Privatschüler bei Professor P. Jordan eintrat. Nachdem er hierauf noch einige Zeit in Paris die Schätze der Kunst genossen, kehrte er nach Düsseldorf zurück, um seinen Stab dort in den Boden zu stecken. Unter den jüngeren Meistern des Düsseldorfer Künstlerkreises ist Vautier einer der hervorragendsten, und er hat sich als ebenso tüchtig als Maler wie als Zeichner für den Holzschnitt bewährt. In letzterer Beziehung brauchen wir nur auf seine Illustrationen zu Immermann’s unvergleichlicher Idylle „Der Oberhof“ (Bruchstück aus dessen „Münchhausen“) hinzuweisen. Von seinen Gemälden, deren Stoffe hauptsächlich aus der unerschöpflichen Bilderfundgrube des Schwarzwaldes und aus der Schweiz entlehnt sind, werden als ganz besonders gelungene der allgemeinsten Beachtung empfohlen: eine Spinnerin, ein Schulausgang im Winter, das Innere einer Kirche, ein Jahrmarkt in Württemberg, eine Auction in einem Schloß, eine Dorfnähschule, der Pfarrer und sein Vicar als Schachspieler, nach der Schule. Letzteres, ein Bild von außerordentlich komischem Effect, brachte dem Künstler von Seiten des Königs von Preußen die goldne Medaille ein. Außerdem sind die meisten der genannten Bilder im Stich erschienen und gehören zu dem lieblichsten Wandschmuck.

Fr. Hfm.