Vierter Bericht über die Tätigkeit des folkloristischen Forscherbundes „FF“

Textdaten
Autor: Kaarle Krohn
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Titel: Vierter Bericht über die Tätigkeit des folkloristischen Forscherbundes „FF“
Untertitel:
aus: Folklore Fellows’ Communications No. 21
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama
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Erscheinungsort: Hamina
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Indiana-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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FF COMMUNICATIONS No. 21.


Vierter bericht
über die tätigkeit
des folkloristischen forscherbundes „FF“.


Die publikation des „Leitfadens der vergleichenden märchenforschung“ und „Die Übersicht der märchenliteratur“ (nr. 13 u. 14) wird hoffentlich die orientierung auf dem gebiete der märchenforschung bedeutend erleichtern. Diese sowie einige monographien über märchen verdanken wir dem unermüdlichen forscher Antti Aarne, welcher durch sein Verzeichnis der märchentypen nebst verschiedenen variantenkatalogen die hauptstütze unseres unternehmens gewesen ist.

Zu einem anderen gebiete, dem der zaubersprüche gehören die publikationen von F. A. Hästesko und Reidar Th. Christiansen (nr. 19 und 18). Der erstere liefert ein vollständiges „Motivverzeichnis westfinnischer zaubersprüche nebst aufzählung der bis 1908 gesammelten varianten“. Der letztere untersucht „Die finnischen und nordischen varianten des zweiten Merseburgerspruches“ (wider verrenkung); von diesem brennpunkte lässt er streiflichter auf die gesammten finnischugrischen und germanischen zaubersprüche fallen. Auch die entsprechenden slavischen zaubersprüche, welche V. J. Mansikka in seiner arbeit „Über russische zauberformeln“ in verbindung sowohl mit den westeuropäischen als den byzantinischen behandelt, werden von ihm berücksichtigt.

[2] Eine dritte, wenig bearbeitete gattung der volkskunde, welche durch sammlungen nach einem gemeinsamen plane und durch gegenseitige unterstützung zu einer vergleichenden wissenschaftlichen behandlung vorbereitet werden müsste, bilden die volksrätsel. Was auf diesem gebiete geleistet werden kann, bezeugt die in Buenos Aires 1911 erschienene südamerikanische rätselsammlung Adivinanzas Rioplatenses, der erste stattliche band von Folklore Argentino, einer publikationsserie der Universidad nacional de La Plata. Der herausgeber prof. dr. Robert Lehmann-Nitsche hat das grosse material, welches er durch ein systematisches aufsuchen an verschiedenen orten und mit vielen gehülfen zusammengebracht hat, typologisch geordnet. Den hauptnummern, deren anzahl eintausend übersteigt, folgen unmittelbar die varianten. In einem verdienstvollen kommentare sind zum vergleiche nicht nur aus Spanien, sondern auch aus anderen europäischen ländern parallelen herangezogen.

Durch derartige vollständige und wohlgeordnete sammlungen wird die möglichkeit der streng wissenschaftlichen untersuchung eines jeden rätseltypus in bezug auf seine verbreitung und wanderungen, seinen heimatsort und seine entstehungszeit, seine urform und ursprüngliche lösung, näher gerückt. Schon jetzt finden sich an manchen orten bedeutende rätselsammlungen, welche auf ihre publikation harren. Im archive der Finnischen literaturgesellschaft werden zwei fertiggeordnete vollständige sammlungen von finnischen und estnischen rätseln verwahrt, welche bloss aus mangel an den zum drucke nötigen geldmitteln unveröffentlicht geblieben sind.

FFC nr. 17–21 sind dem gedächtnisse von Moltke Мoe gewidmet, einem der ersten kenner auf dem gebiete der volkskunde und einem warmen freunde unseres unternehmens. Wie hätte dieser gelehrte, dem das ganze leben ein ununterbrochenes helfen anderer in ihren arbeiten war, den gedanken gegenseitiger unterstützung nicht verstanden? [3] Indem ich auf die gedächtnisschrift von Axel Olrik (nr. 17) hinweise, kann ich auch aus eigener erfahrung den einfluss seiner unvergesslichen persönlichkeit bestätigen. Als junger kandidat vor 30 jahren verbrachte ich zum erstenmal eine sommernacht in seiner gesellschaft. Wir sassen in der wohnung des verstorbenen P. Chr. Asbjørnsen, wo ein ihm verehrtes tausendjähriges trinkhorn und die von norwegischen künstlern bemalten flächen der tür das volkstümliche altertum mit dem nationalen aufschwung der neuzeit vereinigten. Als bewohner dieses heiligtums und als sohn von Jørgen Moe repräsentierte Moltke Moe in meinen augen den norwegischen volksgeist. Es war aber die fühlung seines eigenen forschergeistes mit dem feurigen eifer und unbefangenen urteil, welche auf mich den tiefsten eindruck machte. Die nationalste wissenschaft der volkskunde ist zugleich die internationalste, nicht nur in der hinsicht dass die forscher in einem lande der in anderen ländern gesammelten materialien bedürfen und dadurch auch anderen das recht zuerkennen das geistige erbe ihrer vorfahren mit liebe zu pflegen, sondern auch deshalb, dass diese liebe zum eigenen volkstum durch beispiel und anregung von einer nation zur anderen übertragen werden kann. Derartige persönlichkeiten, wie Moltke Moe, dessen ganzes wesen von wohlwollen und mitgefühl gegenüber anderen gefüllt war, werden in dankbarer erinnerung auch ausserhalb ihres eigenen landes leben.

Kaarle Krohn.