Verordnung nach der sich die in der Gouvernements-Stadt Riga befindenden, oder dahin kommenden Ebräer zu richten haben

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Autor: unbekannt
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Titel: Verordnung nach der sich die in der Gouvernements-Stadt Riga befindenden, oder dahin kommenden Ebräer zu richten haben
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Entstehungsdatum: 1813
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Drucker: J. E. D. Müller
Erscheinungsort: Riga
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Quelle: Scans auf Commons und bei DRW
Kurzbeschreibung: Verordnung über den Aufenthalt von Juden in Riga
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[1]

Verordnung


nach


der sich die in der Gouvernements-Stadt Riga befindenden, oder dahin kommenden


Ebräer


zu richten haben.


Riga, 1813,
gedruckt bei J. E. D. Müller, Kronsbuchdrucker.


[2] §.1. Den Rigaschen Schutzjuden, oder denjenigen 15 Familien, denen auf Allerhöchsten Befehl der Aufenthalt hieselbst gestattet worden ist es vergönnt, hieselbst ungestört zu bleiben, und ihre Wohnung in den hiesigen Vorstädten – auf besondere Verwilligung der Gouvernements-Obrigkeit aber auch in der Stadt selbst – zu nehmen.

§. 2. Zu diesen 15 Familien werden gezählt: die Familien-Väter, deren Weiber und Descendenten; in so weit namlich die männlichen Nachkommen nicht schon in einem Alter, wo sie sich ihren Unterhalt selbst zu erwerben im Stande sind, sich von Riga wegbegeben und in einem andern Gouvernement angesiedelt haben, oder die weiblichen Descendenten an Männern verheirathet worden, deren Aufenthaltsort sich in einem andern Gouvernement befindet, und die also dahin ihren Männern zu folgen verpflichtet sind.

§. 3. Die bei dem Flecken Schlock[1] zur Kaufmannschaft oder zur Erlegung der Krons-Abgaben angeschriebenen Ebräer, welche ihren Aufenthalt in dem Flecken Schlock zu haben verpflichtet sind, werden zu den hierher kommenden, angereiseten Ebräern gezählt. Sie haben sich daher nach allen den Anordnungen zu richten, die wegen der fremden Ebräer hier emanirt werden; nur wird jetzt in Hinsicht daß mehrere derselben durch Vergünstigung und Nachsicht sich längere Zeit hier aufgehalten und eingerichtet haben und daß bei dem Dirigirenden Senate um eine Bestimmung gebeten worden, wie es mit diesen Schlockschen Ebräern gehalten werden soll, festgesetzt, daß diese sich bereits in Riga eingerichteten Ebräer in ihren jetzigen Verhältnissen auf so lange in Riga gelassen werden sollen, bis die erbetene Bestimmung erfolgt ist; wo dann diese als Richtschnur eintritt. Unterdessen hat die Polizei-Verwaltung sorgfältigst darüber zu wachen, daß nicht aufs neue Schlocksche Ebäer sich hierselbst einrichten oder ansiedeln.

§. 4. Fremde, oder angereisete Ebräer sind alle diejenigen, welche aus andern Gouvernements auf gewisse Zeit hierher kommen, um entweder ihre Handlungsgeschäfte hierselbst zu betreiben, oder sich in ihren Künsten zu vervollkommnen und eine besondere Geschicklichkeit in ihren Handwerken und Gewerben abzulegen.

Da nach dem Allerhöchst bestätigten Doklad über die Verbesserung des Zustandes des Ebräer, vom 9. Februar 1805 (publicirt von der livländischen Gouvernements-Regierung am 11. Febr. 1805) nur den genannten Klassen von Ebräern erlaubt ist, in das Innere der Gouvernements zu reisen, so ist auch nur diesen ein Aufenthalt hierselbst zu gestatten; andern solcher aber zu untersagen, und sie von hier sogleich zu entfernen.

§. 5. Alle diese Ebräer dürfen ihren Handel-, Künstler- oder Handwerks-Arbeiten und Gewerben nur in so weit am hiesigen Orte nachgehen, als sie dazu nach den Reichs-Gesetzen und den hiesigen besondern Rechten authorisirt sind.

[3]

§. 6. Nach den Geschäften und Verhaltnissen, in denen die angereiseten Ebräer hier stehen, ist auch die Dauer ihres Aufenthaltes hierselbst, und der Ort zu bestimmen, wo sie wohnen müssen.

§. 7. Um den fremden oder angereiseten Ebräern ein gehöriges Unterkommen zu verschaffen, und der Polizei die Aufsicht über dieselben zu erleichtern, sollen Juden-Herbergen hierselbst etablirt werden, und zwar eine in der Vorstadt jenseits der Düna, die andere in der moskauschen Vorstadt. Die Errichtung dieser Herbergen geschieht nach Anordnung der Polizei-Verwaltung; jedoch sind zu Wirthen dieser Herbergen, so viel als thunlich, nur Ebräer aus der Zahl der hiesigen Schutzjuden zu nehmen, und diese Anstalten mit Taxen für Quartier, Speisen, Getränke, Stallraum, Pferdefutter u. s. w zu versehen.

§. 8. Alle angereiseten Ebräer müssen ihre Wohnung in einer dieser Herbergen nehmen. Eine Ausnahme hiervon wird gestattet

1) wenn sich zu gleicher Zeit so viele Ebräer auf einmal hier befinden, daß sie in den Juden-Herbergen nicht mit Bequemlichkeit untergebracht werden können;

2) wenn die mit Strusen[2] oder andern Flußfahrzeugen und Flössern, oder landwärts hierher kommenden Ebräer, welche eine ansehnliche Parthei Waaren mitbringen, auf diesen Fahrzeugen, oder in der Nähe ihrer Waaren verbleiben wollen, um selbige unter Aufsicht und Bewachung zu halten; oder Kaufleute ihrer Geschäfte wegen ein besonderes Quartier zu nehmen wünschen;

3) wenn die Künstler- und Handwerks-Arbeiten oder Gewerbe der angereiseten Ebräer eine eigene, besondere Wohnung unmittelbar erfordern.

Diese Ausnahmen müssen jedoch nur mit Vorbewußt und nach Beprüfung der Polizei-Verwaltung statt haben. Daher darf weder ein angereiseter Ebräer ohne Wissen der Polizei-Verwaltung, außerhalb den Herbergen Quartier nehmen, wenn er nicht angehalten werden will, das Quartier zu verlassen, auf das gezahlte Miethgeld Verzicht zu thun, und durch die Polizei in die Herberge einlogirt zu werden; noch ein hiesiger Einwohner einem fremden, angereiseten Ebräer, ohne Genehmigung der Polizei-Verwaltung bei sich Quartier geben, wenn er sich nicht einer Strafe von 100 Rubel B. A.[3] für jeden Kontraventionsfall unterziehen will.

§. 9. Zum Behuf der fremden, angereiseten Ebräer wird es erlaubt, Gahrküchen anzulegen, von denen die eine in der Vorstadt jenseits der Düna, die andere aber in der moskauschen Vorstadt belegen seyn muß. Die Polizei-Verwaltung versieht diese Gahrküchen mit einer Taxe und setzt zu Wirthen hiesige Schutzjuden ein.

§. 10. Der Wirth der Herberge ist verbunden, jeden bei ihm einkehrenden Ebräer anzuweisen, sich sogleich nach seiner Ankunft bei der Polizei-Verwaltung zu melden, und seinen Paß zu produciren. Gestattet der Wirth Jemandem, der keinen Paß aufzuweisen hat, einen Aufenthalt bei sich, ohne ihn sogleich vor die Polizei zu führen, oder einem Verpaßten einen längern Aufenthalt, als einen Tag, ohne durch den bei der Polizei verschriebenen Paß sich davon zu überzeugen, daß der angereisete Ebräer sich auch vorschriftmäßig gemeldet hat; und unterläßt, falls der Ebräer seiner Anweisung nicht folgen will, solches der Polizei-Verwaltung sogleich zu berichten, so verfällt der Wirth in eine Strafe von 25 Rb. B. A. für jeden Kontraventionsfall, und verliert – wenn er zum drittenmale einer solchen Vernachläßigung sich schuldig gemacht – das Recht, die Herberge zu halten.

§. 11. Die Polizei-Verwaltung prüft die bei den angereiseten Ebräern in Betracht kommenden Umstände; bestraft an denen, welche sich geweigert, der Aufforderung des Wirths gemäß, selbst vor der Polizei zu erscheinen, diesen Ungehorsam mit einer verhältnißmäßigen Geldbuße oder Aussendung aus der Stadt; stellt die Paßlosen, diejenigen, welche keine rechtmäßige Ursachen und Veranlassungen zu einem Aufenthalt hieselbst (§. 4) haben, und diejenigen, welche nach Ablauf des ihnen zu ihrem hiesigen Anfenthalt präfigirte Termins diese Stadt nicht verlassen, der livländischen Gouvernements-Regierung sogleich zur weitern Verfügung vor, und giebt den angereiseten Ebräern – welches durch Aufschreiben auf den Paß bewerkstelligt wird – den Aufenthalt hieselbst, nach Beschaffenheit der Umstände, und zwar

[4]

a) auf 3 bis längstens 8 Tage nach, wenn selbige Waaren in geringer Quantität herbringen, als an Getraide und Saaten weniger, wie eine Last, an Hanf und Flachs oder andern Gewichtwaaren weniger als 2 Schiffpfund, an Leinwand weniger als 10 Stücke u. s. w;

b) auf längstens 6 Wochen aber nach, wenn sie mit ansehnlichen Partheien Waaren, des Handels wegen, hierher kommen; endlich

c) auf 3 oder 8 Tage oder 6 Wochen nach, wenn sie zur Vervollkommnung und Ablegung besonderer Geschicklichkeiten in Künsten, Handwerken und Gewerben sich hierher begeben.

Eine Verlängerung dieser Fristen kann nur bei besondern Verhältnissen, auf Vorstellung der Polizei-Verwaltung, von der Gouvernements-Obrigkeit verwilligt werden.

§. 12. Ueber diejenigen Ebräer, denen außerhalb den Herbergen Logis zu nehmen gestattet ist, führt die Polizei-Verwaltung ein besonderes Verzeichniß, um selbige, da sie zerstreut wohnen, in Ansehung der Zahl, ihrer Beschäftigungen und Wohnorte stets zu kennen und wendet übrigens auf dieselben ebenfalls die Vorschriften an, welche im vorigen § gegeben sind.

§ 13. Von der Polizei-Verwaltung werden die angereiseten Ebräer angehalten, ehe sie ein Geschäft hier betreiben, sich wegen ihrer Handelsberechtigungen oder Geschicklichkeiten in Künstler- und Handwerks-Arbeiten oder Gewerben bei der Behörde zu legitimiren, wohin jede Sache ihrer Natur nach, gehört.

§. 14. Die von dem Auslande mit Reichspässen über die Gränze gekommenen und hier im Reiche mit Reisebillets oder Aufenthaltsscheinen versehenen Ebräer, die des Handels oder anderer Ursachen wegen diesen Ort besuchen, gehören unter die Kathegorie der reisenden Ausländer, und sind unter dieser Verordnung nicht begriffen, weil deren wegen besondere Vorschriften existiren.


     Riga-Schloß, den 29sten Juli 1813.


General-Adjutant Marquis Paulucci.

(L.S.) J. Dü Hamel, Civil-Gouverneur.

G. von Rickmann, Regierungsrath. Carl Dahl, Regierungsrath.

Secretaire Hehn.

  1. heute Sloka, ca 45 km westlich von Riga
  2. Siehe wikipedia
  3. Banco- oder Papierrubel