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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

Gift wird in den fränkischen[1] und oberdeutschen Volksrechten als Unterart der Zauberei behandelt, wird nach diesen und dem langobardischen Recht mit dem Wergelde des Getöteten gesühnt, doch steht im Hintergrunde der Feuertod als Privatstrafe oder als Racheakt. Gleiche Strafe verwirkte, wer durch sonstige Zauberkünste einen Menschen ums Leben brachte. Eine Stelle in dem salischen Gesetze setzt das Wergeld des Getöteten zur Busse, wenn eine Hexe überführt wird, einen Menschen verzehrt zu haben. Dass der Aberglaube, die Hexen verzehrten Menschen, nicht nur bei den salischen Franken, sondern auch anderwärts galt, und dass man Weiber wegen des Verdachts, solche Mahlzeiten gehalten zu haben, zu verbrennen pflegte, beweist Karls des Grossen bekannte Bestimmung, welche auf derartige Akte der Volksjustiz die Todesstrafe setzte. Am Niederrhein war sieben Jahrhunderte nach den Tagen des grossen Frankenkaisers dem berüchtigten Werke „der Hexenhammer (malleus maleficarum)“ der traurige Ruhm vorbehalten, dem Glauben an Menschen verzehrende Hexen neue Nahrung zuzuführen. Gegen jeden Naturtrieb, so fabelt der Hexenhammer, verschlingen die Zauberinnen kleine Kinder, und zwar vorwiegend ungetaufte; andere weihen sie dem Teufel, werfen sie auch wohl, selbst unsichtbar, trotz der Anwesenheit der Eltern, ins Wasser. Und nach der Anweisung des Teufels bereiten die Unholdinnen aus den Gliedern der von ihnen getöteten ungetauften Kinder die ihnen zur Hexenfahrt nötige Salbe.[2]

Giftmischerei und Zauberei, so heisst es weiter bei Brunner, die nicht den Tod des Opfers zur Folge haben, ahndet das salische Recht mit der auf Lebensgefährdung stehenden Busse, das ripuarische mit dem halben Wergeld. Dies aber nur dann, wenn die Missethat am Körper des Vergifteten oder Bezauberten sichtbare Spuren zurückliess. Zur Zauberei gehört nach salischem Recht als Art der Vergiftung auch das Darreichen von Getränken, durch die man einer Frau die Fruchtbarkeit benimmt oder die


  1. Lex salica 19, 1; lex Ribuar. 83.
  2. Malleus maleficarum (Frankfurter Ausgabe von 1588 S. 236): quae contra humanae naturae inclinationem, imo omnium ferarum, propriae speciei infantes vorant et comedere solent … Infantes, quos non devorant, daemonibus offerunt, aut alias occidunt. Sed hoc circa infantes non renatos fonte baptismatis … Sciunt et infantes prope aquas ambulantes, in ipsas nullo vidente in aspectu parentum proiicere. Ferner p. 257: Unguentum ex membris puerorum, praecipue interemptorum ab eis ante baptismum, conficere habent ad daemonis instructionem …
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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)