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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

Im Dezember 1484 erschien Innocenz‘ VIII. bekannte Bulle Summis desiderantes affectibus.

„Nicht ohne schwere Bekümmernis“,[1] so erklärt der Papst, „habe er neulich vernommen, dass in einigen Teilen Oberdeutschlands wie auch in den Provinzen, Städten, Ländern, Ortschaften und Bistümern von Mainz, Köln, Trier, Salzburg und Bremen sehr viele Personen beiderlei Geschlechts, abfallend vom katholischen Glauben, mit den Teufeln fleischliche Bündnisse eingegangen und durch ihre Zaubersprüche und Zauberlieder, durch ihre Beschwörungen, Verwünschungen und andere nichtswürdige Zaubermittel Menschen und Tieren grosses Unheil zugefügt und auch sonst argen Schaden verursacht hätten. »Sogar den Glauben, welchen sie in der Taufe angenommen, verläugnen sie mit verruchtem Munde.« Ob nun gleich die beiden Dominikaner und Professoren der Theologie Heinrich Institoris in Oberdeutschland, Jakob Sprenger in einigen Teilen des Rheinlands durch päpstliche Vollmacht zu Inquisitoren der ketzerischen Bosheit bestellt worden, so hätten doch in jenen Gegenden einige Geistliche und Laien, welche klüger sein wollten als nötig, zu behaupten sich unterstanden: weil in den Bestallungsbriefen derselben jene Kirchensprengel und Städte nebst den Personen und ihren Verbrechen nicht ausdrücklich genannt seien, dürften die Inquisitoren daselbst ihr Amt nicht verwalten und solche Personen nicht gefangen setzen und strafen. Daher ergehe kraft apostolischer Macht der strenge Befehl, die beiden Inquisitoren gegen Personen jeden Ranges und Standes ihr Amt ungehindert ausüben zu lassen.“

Wäre die Zahl der Kommentare ein Massstab für die Wichtigkeit einer Bulle, so stände vielleicht „Summis desiderantes“ an der Spitze aller seit der ältesten christlichen Zeit ergangenen päpstlichen Erlasse. Jedenfalls ist die Bulle ein hochbedeutsames Aktenstück. Vielfach hat man sie für eine Entscheidung ex cathedra erklärt und ihr die Verantwortung für die Greuel der spätern Hexenprozesse zugeschoben. Die erstere Ansicht kann gegenüber dem Widerspruch hervorragender katholischer Gelehrten, dem neuerdings auch P. Hinschius in seinem Kirchenrecht[2] sich angeschlossen hat, jetzt wohl nicht


  1. Der folgende Überblick über den Inhalt der Bulle (Regest) hier nach Janssen-Pastor a. a. O. S. 506.
  2. P. Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland. Berlin 1897, Bd. VI, S. 402: „Zu weit geht allerdings Döllinger (Die spanische u. römische Inquisition, kleinere [176] Schriften, her. von Reusch. Stuttgart 1890. S. 387), wenn er anscheinend die Bulle als ex cathedra erlassen bezeichnet, denn so schwankend auch dieser Begriff ist, s. Bd. IV, S. 437, so ergiebt weder ihr Inhalt noch der Anlass, aus welchem sie ergangen ist, dass der Papst eine Definition inbetreff des Glaubens hat erlassen und zur Verbindlichmachung der Kirche durch diese seine Erklärung von seiner obersten Gesetzgebungsgewalt hat Gebrauch machen wollen, da er nur den Inquisitoren die ihnen bestrittene Kompetenz inbetreff der von diesen bezeichneten, den Thatbestand der Hexerei erfüllenden Vorgehen beilegt“.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)