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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

können (Dei iudicium pervertere posse)[1]. Damit wird dem noch in viel späterer Zeit überaus häufigen Tragen von Zauberbriefen, sowie dem Essen von Bissen, die mit Zaubersprüchen beschrieben waren u. dergl. ein bestimmtes Verbot entgegen gesetzt. Der Magie ergebene Kleriker, so sagt Regino unter Hinweis auf den Beschluss eines Konzils, sollen ihrer Würden entsetzt und in ein Kloster gesperrt werden. Auch wird unter Bezugnahme auf die Gesetzgebung der römischen Kaiser im vierten Jahrhundert gesprochen von Wettermachern (immissores tempestatum), ferner von Zauberern, die den Verstand der Menschen verwirren, vom Befragen der Wahrsager zur Erforschung der Zukunft, von nächtlichen, den Dämonen dargebrachten Opfern[2] und von Losungen aus der heiligen Schrift[3] (Sortes sanctorum).

Augenscheinlich fusst Reginos Werk auf gründlichen Studien, und unzweifelhaft haben seine Angaben auf viele Menschenalter hinaus bei der Bekämpfung[4] des Zauberwesens und Aberglaubens als eine vorzügliche Waffe sich bewährt. In weit höherm Masse indes als alle anderen Vorzüge zusammengenommen, sichert dem Werke des Prümer Abts in der Kirchen- und Kulturgeschichte Deutschlands der Umstand die Unsterblichkeit, dass hier zuerst der Wortlaut einer berühmten Bestimmung, des sogen. Canon (capitulum) Episcopi, uns entgegen tritt, die fast siebenhundert Jahre lang ein festes Bollwerk gegen das Umsichgreifen der Wahnideen von Hexen-Luftfahrten und Verwandlungen von Menschen in Tiere blieb. Woher Regino den Canon Episcopi nahm, ist nicht ermittelt. Im Mittelalter und bis tief ins 16. Jahrhundert hinein schrieb man ihn der Synode von Ancyra (viertes Jahrhundert) zu, weshalb er sich an zahllosen Stellen als Canon Episcopi ex concilio Ancquirensi verzeichnet findet. In neuerer Zeit gab man eine fälschlich dem hl. Augustin untergeschobene Schrift als Quelle an,[5] wahrscheinlicher


  1. Cap. 50.
  2. Cap. 360, 361, 362.
  3. Cap. 365.
  4. Andere Strafen als kirchliche: Busse und Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft kennt das vorwiegend für die seelsorgerische Praxis bestimmte Werk Reginos kaum. Eine Ausnahme kommt beim Canon Episcopi vor: Vertreibung aus der Pfarrei. Wo Regino (c. 360 ff.) von der Todesstrafe spricht, citiert er einfach den Codex Theodosianus.
  5. Vgl. Soldan-Heppe a. a. O. Bd. I S. 131 ff. Die dem hl. Augustin untergeschobene Schrift De spiritu et anima gehört nach Friedberg dem 12. Jahrhundert an. Gegen die Nachtfahrten finden [150] sich zwar dem Canon Episcopi ähnliche Bestimmungen aus älterer Zeit als der Reginos, doch berücksichtigen die wesentlichsten Schriften über den Hexenwahn ausschliesslich den Canon Epicopi. Vgl. Soldan-Heppe a. a. O. Bd. I, S. 110.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)