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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242

um durch List und Gewalt eine neue Ehe mit der Buhlerin Waldrada zu ermöglichen. Aus den langen Verhandlungen, in die schliesslich der Papst entscheidend zu Gunsten der unglücklichen rechtmässigen Königin eingriff, geht hervor, dass im Volke der Glaube verbreitet war, Waldrada habe durch Zaubermittel den König an sich gefesselt. Erzbischof Hinkmar von Rheims ging hierauf in einem Gutachten näher ein, worüber H. Schrörs schreibt:[1] „Umständlich behandelt Hinkmar eine andere Frage, die in volkstümlicher Art das leidenschaftliche Begehren Lothars als eine Folge von Zauberkünsten erklärt wissen möchte. Mit behaglicher Breite zeigt unser Kanonist aus der hl. Schrift, der seelsorgerischen Erfahrurrg in seiner Kirchenprovinz und aus der Geschichte, dass man in der That durch Hülfe der bösen Geister wahnsinnige Liebe und unversöhnlichen Hass zwischen den Menschen säen und selbst das eheliche Beiwohnen unmöglich machen könne. Ein grauenerregendes und schmutziges Gemälde, das wohl teils die traurige Wirklichkeit, teils einen starken Rest heidnischen Aberglaubens darstellt, entrollt er vor unsern Augen und versichert noch obendrein, dass er das Schlimmste verschweige, um die Bösen nicht neues zu lehren“.

Auch die Lehren der Naturwissenschaft auf deutschem und rheinischem Boden im neunten Jahrhundert und noch in viel späterer Zeit berühren begreiflicherweise oft mit Vorliebe das Gebiet der Zauberei. Man glaubte an Quellen, die liebeskrank oder liebesmüde machten; ferner an Magier, die durch Zauberkräuter die Drachen betäubten, kühn in deren Höhlen drangen und den schlafenden Ungeheuern Krystalledelsteine von wunderbarer Schönheit und Wirkung aus dem Kopfe herausschnitten.[2]

Eine reichhaltige Fundgrube zur Geschichte des Zauberwesens und Aberglaubens am Rhein im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung liefern uns zwei etwa um 906 entstandene Bücher des Abtes Regino von Prüm über die Kirchenzucht. Dem Verfasser, der im Jahre 915 in Trier starb, war ein wildbewegtes Leben beschieden.


  1. H. Schrörs, Hinkmar, Erzbischof von Rheims. Freiburg 1884, S. 201 f.
  2. Ich beschränke mich auf diese wenigen Angaben aus dem seiner Zeit viel verbreiteten Werke „De universo“ von Rhabanus Maurus, Erzbischof von Mainz. Das Werk ist eine Art Encyklopädie; vgl. St. Fellner, Kompendium der Naturwissenschaften an der Schule zu Fulda im neunten Jahrhundert. Berlin 1879, S. 84 und S. 215.
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Emil Pauls: Zauberwesen und Hexenwahn am Niederrhein. In: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 13. Band, 1898. S. 134-242. Düsseldorf: Ed. Lintz, 1898, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zauberwesen_und_Hexenwahn_am_Niederrhein.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)