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Menschheit, ebenso wie mitten unter allen Wirren schließlich allein das Judenthum einen Gedankeninhalt darbietet, der mit der Geschichte der Menschheit, mit dem Verstande und dem Herzen übereinstimmt.“ Und ganz im Einklang mit dieser Einbildung sagt der orthodoxe Israelit: „Der Jude ist ein Inbegriff der ganzen Menschheit, daher geschieht jeder Fortschritt innerhalb der Menschheit für Israel, jede Entdeckung, jede Entwickelung, sie alle vollziehen sich in erster Linie zum Besten unseres Volkes.“ „Israel ist berufen – heißt es im Lager der jüdischen Orthodoxie – der ganzen Welt das Heil zu bringen, und die Zeit ist nah, denn das Kreuz zerfällt, der Halbmond erlischt, und die heidnischen Völker Asiens und Afrikas sind längst gegen die ererbten Götzen gleichgültig geworden?“ „An dem Tage, da der Tempel zerstört ward, wurde der Messias geboren; da begann der Erleuchtungsgang Israels als Erlöser der Welt von Wahn und Irrthum,“ predigt in aller Naivetät Rabbiner Dr. Levin in Nürnberg bei der Einweihung der Synagoge vor den christlichen Vertretern der Stadt und breitet die Arme aus, um den Versammelten zuzurufen: „Diesen Kuß der ganzen Welt.“ Das ist doch ein wenig stark.

S. Meyer, Redacteur der „Jüdischen Presse“ schreibt: „Wir dürfen die unbestrittene Thatsache, daß alle die hohen Ideen, auf denen die sittliche Weltordnung beruht, die den Intelligenzgehalt auch der modernen Cultur und Civilisation und die Grundlage wahrer Menschenliebe bilden, dem Judenthum entstammen, nicht in Frage ziehen lassen. – Alles Gute in den Evangelien ist nicht neu, sondern stammt aus dem Judenthum, und alles Neue ist nicht gut.“

Ganz ähnlich schreibt Dr. Adler. - „Die Religion Israels ist die ewige unveränderliche Wahrheit; Christenthum und Islam sind Vorstufen, welche die Wahrheit erklimmen mussten, ehe ihr die ganze Wahrheit zugänglich werden konnte,“ nicht der orthodoxe Israelit; und der Reformrabbiner Nascher fällt in den Chorus ein: „Israels Sendung und Begabung ist, ein Leuchtthurm zu sein auf dem Gedankenmeere der Menschheit. Ihr seid berufen

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland (Erste Rede). Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)