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Sommersprossen. Darüber, ob er schielt, sind die Ansichten getheilt. Besagter mosaischer Israelitenknabe scheint mehreren älteren Gentlemen von mehr hebräischem als respectablem Aeußern irgend etwas zu erklären. Er bewegt die Hände – so was man etwa im Berliner Jargon „er mauschelt mit den Händen“ nennt.

Man hat ferner den vagen Eindruck, als ob sie [nämlich die Umgebung des Knaben, von der es heißt: „der Gesichtsausdruck der Herren in den Röcken und Gebetmänteln schwankt zwischen drei Jahren Zuchthaus bis zu vier Monaten Gefängniß“] Schmeie, Jekend, Jizchek, Awrohim, Szimche und Leibel hießen, während der kleine rothhaarige Knabe, der nur um ein Weniges weniger schlecht zu riechen scheint, als seine Umgebung sich ohne Frage in den officiellen Geburtsregistern „Leiser“ nennt, in der holden Intimität des Privatlebens aber sicher „Leiserche“, oder auch „Leiserleben“ gerufen wird. Seine Beschäftigung auf dem Bilde ist ersichtlich die, den alten Gentlemen zu erklären, auf welche Art er, der kleine Tausendsasa mit den rothen Haaren einen Profit zu machen gedenke. Ein Theil der alten Herren scheint recht erfreut, während Einer augenscheinlich zu sich selber sagt: „Mah, heißt e Marrischkeit!“ und ein Anderer die geflügelten Worte zu sprechen scheint: „Will der Jung schon schmußen von’s Geschäft!“ …“

Zu seiner Rechtfertigung sagt dann der Maler, er sei ein moderner Maler:

„Christus ist der Sohn Josephs, nicht wahr? Er ist also ein jüdischer Knabe gewesen. Da wir modernen Menschen an Wunder nicht glauben, kann ich mir nicht helfen, – er wird jüdisch ausgesehen haben. Jüdische Knaben haben häufig rothe Haare. Warum soll Christus nicht rothe Haare gehabt haben? Israelitenknaben tragen manchmal etwas schmutzige Kittel. Warum soll Christus einen ganz reinen angehabt haben? Jüdische Knaben mauscheln häufig mit den Händen; warum soll Christus, als er im Tempel mit den Priestern – die doch auch gewiß die Hände nicht still gehalten haben, nicht mit den vorderen Extremitäten gemauschelt haben? Hoher
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Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland. Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/30&oldid=- (Version vom 18.8.2016)