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Dem gegenüber berufe ich mich auf das bessere Recht, als ein Diener des Evangeliums von einer Kirche unverdiente Beleidigungen abzuwehren und mein Volk vor der Entchristlichung zu schützen, die es von Seiten der jüdischen Presse bedroht. Ich erkenne darin einfach eine Pflicht; da ich dieselbe auf der Kanzel nicht üben darf, bediene ich mich der öffentlichen Versammlung, um die bösen Mächte, welche unser Volk dem Abgrunde zutreiben, an das helle Tageslicht zu ziehen und zu züchtigen. Man hat mich aufgefordert, ich solle die Zeitungen beibringen, in denen unsere Heiligthümer verlästert wurden. Wohlan, da sind Zeugnisse aus diesem Jahre; zuerst ein Bußtagsartikel des Tageblatts.

„Die Glocken läuten – richtig, morgen ist Feiertag. Doch nein, kein Feiertag, kein Tag der Festesfreude, des lärmenden Volksgedränges und der lustigen Tanzweisen, sondern ein Tag innerer Einkehr und ernster Beschaulichkeit, der strenge Tag der Buße ist es …

Buße! – Ein hartes rauhes Wort, mit welchem Mancher gleich mir nichts Rechtes anzufangen wissen wird. Nichts weniger als ein Verächter der Religion, bin ich doch ein entschiedener Feind jener finsteren Doctrin, welche die Welt nur als ein klägliches Jammerthal und ihre Bewohner als eitel verruchte Sünder ansieht, von denen jeder zerknirscht an die Brust schlagen und ausrufen müßte:

Ach mich stechen im Gewissen
Dornen, und ich soll ein Bissen
Gieriger Höllenwölfe sein …

Nein, solcher düsteren Weltanschauung kann ich nicht Raum geben. Freilich sind wir Menschen eitle, eigensüchtige Creaturen, die einander oft neiden und befehden, und es giebt unter uns Wesen, in denen diese Fehler zu absoluter Unnatur entartet sind, aber diese bilden doch glücklicher Weise nur die Ausnahmen, und im Allgemeinen halte ich uns Menschen für lange nicht so schlecht, als wir selbst gewöhnlich uns zu machen pflegen.

Bei dieser günstigen Meinung von mir und meinen Mitmenschen soll ich nun Buße thun – gut, ich will’s versuchen,
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Adolf Stoecker: Das moderne Judenthum in Deutschland. Wiegandt und Grieben, Berlin 1880, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stoecker_Zwei_Reden.djvu/25&oldid=- (Version vom 18.8.2016)