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Reinhold Steig: Literarische Umbildung des Märchens vom Fischer und siner Fru. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen

Vor eerem huse was een hoff, darup stund en Machandelboom, ünner den stün de frou eens in’n winter un schalt sik eenen appel, un as se sik den appel so schalt, so snet se sik in’n finger un dat bloot feel in den snee – ach, sed de frou, un süft so recht hoch up un sach dat bloot för sik an un was so recht wehmödig, had ih doch een Kind so rot as bloot un so witt als snee!

Diese Schreibung Jacob Grimms entspricht nun aber (bis auf Druckversehen wie „en“ und „ih“) genau dem Abdruck Arnims in der Einsiedlerzeitung. Nur hat Grimm, mit Ausnahme von „Machandelboom“ und „Kind“, überall wieder die kleinen Anfangsbuchstaben bei Substantiven hergestellt. Jedenfalls ist Grimms Schreibung in den Altdeutschen Wäldern durchaus verschieden von der in ihrem ersten Märchenbande. Nun aber findet sich die ganze Ausführung und Beispielreihe der Altdeutschen Wälder auch im Anhang der ersten Märchenausgabe zum Schneewittchen (1812. Nr. 53, S. XXXII) wieder, nur daß hier die Stelle aus dem Machandelboom, dessen Text ja der erste Märchenband ganz enthielt, nicht wörtlich ausgeschrieben ist. Der Parcifalaufsatz entstand ungefähr zu gleicher Zeit mit Text und Anhang zu den Märchen. Die Märchen kamen nur ein wenig früher heraus als die Altdeutschen Wälder. In jene aber war ein fremder Eingriff geschehen, in diese nicht. Jene enthalten den verschlechterten Text, diese den der Arnimschen Wiedergabe genau entsprechenden. Wir sehen also auch hier an einem greifbaren Beispiel das schon erkannte Verhältnis bestätigt: Grimms haben von Hause aus den Arnimschen Text des Machandelbooms in Druck gegeben, und ebenso ist es natürlich auch mit dem Fischermärchen geschehen; alle lautlichen und orthographischen Abweichungen hat Reimer bewirkt.

Ihrem poetischen Werte nach sind die beiden Rungeschen Märchen immer mit dem größten Lobe genannt worden. Als um Neujahr 1811 Jacob Grimm für Brentano den Plan zu einem Altdeutschen Sammler entwarf (worüber ich in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde in Berlin, 1902 S. 129, berichtet habe), war die Absicht, den Rungeschen Machandelboom, nach dem Druck des Einsiedlers, als ein Muster, wie man Volkserzählungen niederschreiben müsse, den zu versendenden Aufforderungen beizufügen. Dies war eine Nachwirkung der begeisterten Stimmung, mit der man die erste Veröffentlichung aufgenommen

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Literarische Umbildung des Märchens vom Fischer und siner Fru. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen. Georg Westermann, Braunschweig 1903, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Umbildung_Fischer_und_siner_Fru.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)