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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

freier Selbstbestimmung bereitwillig als schicklichste Weihegabe ihrer Sittsamkeit, ihrer ehelichen Keuschheit und vor allem ihrer seelischen Schönheit dar[1]. 138 Diese nahm der Künstler, und er beschloss sie zu schmelzen und nichts anderes als das Waschbecken aus ihnen zu verfertigen, damit die Priester beim Betreten des Heiligtums, um dort die vorgeschriebenen heiligen Handlungen zu verrichten, dies als Gefäss für das Sprengwasser, besonders beim Waschen von Händen und Füssen, benützten – ein Sinnbild fleckenlosen Lebens und reinen Lebenswandels in lobenswerten Werken, der nicht den rauhen Pfad oder, richtiger gesagt, Unpfad des Lasters, sondern die gerade Bahn der Tugend einherschreitet –. 139 „Es erinnere sich“, so sagt er, „auch wer sich besprengen will, dass der Stoff zu diesem Gefässe Spiegel waren, damit auch er wie in einem Spiegel seinen eigenen Geist betrachte; und wenn irgend ein Makel sich zeigen sollte infolge einer unvernünftigen Empfindung, sei es einer Lust, die widernatürlich überhebt und aufbläht, oder andrerseits eines Schmerzes, der herabstimmt und niederdrückt, oder einer Furcht, die von der Richtung des geraden Weges abzieht und ablenkt, oder der Begierde, die nach dem, was man nicht besitzt, gewaltsam zieht und lockt, so soll er diesen Fehler wie ein Arzt in Behandlung nehmen und heilen und der echten, makellosen Schönheit nachstreben. 140 Denn wie des Leibes Schönheit auf dem Ebenmass seiner Teile, auf der schönen Hautfarbe und der Gesundheit des Fleisches beruht und nur eine kurze Blütezeit hat, so beruht die Schönheit des Geistes auf der Einheitlichkeit der Grundsätze und der Uebereinstimmung der Tugenden, sie welkt nicht durch die Länge der Zeit, sondern erneuert und verjüngt sich, solange sie dauert, geschmückt mit der unvergleichlichen Farbe der Wahrheit und der Uebereinstimmung der Werke mit den Worten und der Worte mit den Werken und ausserdem des Willens mit beiden“[2].

141 (16.) Nachdem er nun selbst über die Urbilder des heiligen Zeltes belehrt worden war und darauf geistig


  1. Vgl. bei Raschi z. St: (2 Mos. 38,8) eine ähnliche Deutung. Im Altertum gab es nur Spiegel aus Metall (Erz oder Silber).
  2. Vgl. oben I § 29.
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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos2GermanBadt.djvu/033&oldid=- (Version vom 1.8.2018)