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„Ziepe“ und schien nichts von der berühmten Mareile Cibò, der Freundin der Fürstin Elise, zu wissen. Jetzt bog Mareile in die Lindenallee, die zum Schlosse führte, ein. Hier war es kühl und schattig. Das Ping-ping einer Schmiede tönte herüber. Ein Stallknecht, die Tressenmütze im Nacken, ritt ein großes, blankes Pferd aus; endlich das Schloß mit seiner schwarzgelben Fahne. Das war wieder Mareilens Welt. Über den sonnigen Hof ging sie zur Inspektorswohnung hinüber.

Gelber Sonnenschein lag in der kleinen Wohnstube auf den schwarz und rot gemusterten Möbeln. Auch der bekannte Geruch von Fettstiefeln und Suppe schlug Mareile entgegen. Wie still und unverändert das alles hier auf sie gewartet hatte! Auf dem Sofa schliefen die Zwillinge Jei und Sini, die Backen rot unter dem blonden Flimmern der Haare. Sini erwachte und weinte. „Werdet ihr die Mäuler halten!“ rief Frau Ziepe von der Küche herüber. Sie erschien in der Türe – im kurzen Unterrock, die Ärmel aufgestreift, die nackten Füße in Pantoffeln. Sie errötete: „Mareiling – Kind!“ Sie breitete die nackten Arme aus, ließ sie jedoch wieder sinken. „Nein, nein – komm’ nicht. Wie ich ausschau – was? Ich muß den Fußboden scheuern, die Anna is so dumm. Ich komme gleich.“ Sie verschwand wieder.

Vor dem Spiegel, hinter dem die Rute der Zwillinge steckte, nahm Mareile den Hut ab. Hinter ihr trat Vater Ziepe in das Zimmer, eine schwere Gestalt in weißem Leinwandanzuge, ein rotes Gesicht in einem gelben Bartgestrüpp. „Erschreckend,“ dachte Mareile, die ihn im Spiegel betrachtete, dann wandte sie sich ihm zu. „Teufel, unsere

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)