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er schließlich doch, besonders wenn er von Kindern umlagert wird. – Die Thiermärchen werden unter dem Worte Fabelwesen begriffen. – Dann kennt man Räubergeschichten, Seemannsgeschichten, Geschichten aus der Zeit, da die Menschen noch so dumm waren, daß sie katholisch waren, und unser Herrgott auf Erden ging, um den armen Menschenkindern zu helfen. Geschichten aus des alten Fritzen Zeit, Geschichten vom dummen Hans, vom starken Hans, vom starken Jochen oder eisernen Martin, vom Wolfs- Löwen- und Bärensohn. In die Reihe der Schwankmärchen werden wir eingeführt, wenn der Erzähler anhebt: „Nun wollen wir etwas Listiges hören!“ Schon bedenklicher ist’s, wenn er sagt: „Jetzt kommt etwas Drolliges.“ Aber gar toll wird’s, wenn er seiner Zunge freien Lauf läßt und mit dem Zotenmärchen anhebt, welche auch wohl genannt werden: „Geschichten, wo die großen Dirnen juchen und die Frauen mit dem Tüffel werfen, aber nicht hinausgehen und die Männer lachen.“

Aus diesen Benennungen ergiebt sich der Inhalt der Märchen von selbst. Es würde zu weit führen, darauf des näheren einzugehen; betrachten wir das Märchen im großen und ganzen. Auf drei Punkte kommt es dabei an: ich unterscheide erstens den Kern des Märchens, zweitens die märchenhaften Züge und drittens die eingeflochtenen oder angefügten Lieder. Der Kern des Märchens ist der einfache Gang der Erzählung ohne alles Beiwerk. Es ist in Pommern nicht anders, wie sonst wo in Deutschland, und es ist hier nicht der Ort des näheren auf die Frage einzugehen, welche von den Märchenkernen spezifisch germanisch und welche übertragen sind, und ob nicht vielleicht ein großer Theil derselben auf allgemein menschlichen Grundlagen beruht und sich deshalb überall in der Welt in ziemlich gleichmäßiger Gestalt finden muß. Nur soviel sei hier erwähnt, daß Pommern auch reich ist an solchen Märchen, welche aus der Heldensage und dem Mythus entstanden sind.

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Ulrich Jahn: Das Volksmärchen in Pommern. Hessenland, Stettin 1887, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Das_Volksmaerchen_in_Pommern.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)