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buntfarbener Tracht, die des Nordländers Herz betören. Von blauen Mondnächten im Nachen, dem fernen Mandolinen- und Gitarrenspiel, den Sängen der Fischer lauschend.

Dann sah ich mich auf einmal auf einem Ruhebett von Jaspis liegen, auf Pfühlen von indischer Seide. In einer Säulenhalle aus schwarzgeädertem Marmor von blendenstem Weiß mit goldenen Kapitälern stand mein Lager. Schlanke Palmen streichelten die Halle. Der Duft von Asphodelos kroch an mein Bett. Ich schaute hinaus in eine weite Ebene, in ein ungeheueres Feld dieser Märchenblumen.

Plötzlich begann ein liebliches Klingen, erst ganz leise, dann lauter und lauter werdend.

Durch die Ebene heran kam ein seltsamer Zug. Schöne Frauen, wie sie Rosetti malte, trugen je zu zwei zwischen sich längliche Streifen Pergamentes. Sie sprachen mit klangvollen Stimmen Verse, die in farbigen Initialen auf diesen Streifen geschrieben standen. Ein Tönen war es. Eine wundersame Sinfonie. Worte, wie zarter Harfenklang, Worte, wie das Jubilieren erlesener Geigen, Worte, auch wie drohendes Getön von Tuben. Über die Purpurlippen der Frauen quoll der Worte zitternde, gleißende Melodie, gleich köstlichen Juwelen – Worte, gleich Rubinen, voll heißer Sehnsucht – Worte, gleich dem Frühlingsahnen des Smaragds – Worte, wie Opale schillernd in den Geheimnissen Indiens – – – –

Zwei schöne, schlanke Frauen mit Kronen von goldblondem Haar, gehüllt in amethystfarbenen Samt, auf den hohen weißen Stirnen an goldenen Kettchen Skarabäen, traten dicht an mein Lager heran und wiesen mir ihr Pergament und ich las.

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)