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Er galt allenthalben für einen Sonderling. Seine Verwandten sagten, er wäre verrückt. Mit Möllmanns, seinen nächsten Verwandten, wohnte er im gleichen Hause, Möllmanns auf der ersten, er auf[1] der zweiten Etage; im Unterhaus war das Kolonialwarengeschäft von Wiehbendülle. Möllmanns sprachen hinter dem Rücken Onkel Willibalds sehr respektlos über ihn. Ihm ins Gesicht waren sie dagegen widerlich devot und hofierten ihn in schmachvoller Weise. Sie gaben seinen fixen Ideen Recht, soweit sie kein Geld kosteten. Onkel Willibald war begütert, und Möllmanns die nächsten Erben.

Der Onkel hatte eine eigene Haushaltung, der seine Köchin Amöne vorstand. Amöne war eine Eskimo, die versehentlich nach Deutschland geraten war. Geld zur Rückreise fehlte ihr, sie nahm kurz entschlossen die in der Zeitung ausgeschriebene Stellung bei Onkel Willibald an.

Als er von der Reise zurückkam, auf welcher er den alten Schäfer und die Eifelbauern getroffen hatte, und als er das mit dem Landstreicher erfuhr, beschloß er, sich von Stund an nicht mehr zu waschen und dem Beispiel dieser Leute zu folgen. Seine Köchin, die er seit Jahren hatte, verließ ihn darauf Knall und Fall. Andere folgten, aber schon nach wenigen Tagen gingen auch sie wieder. Keine war zu halten. Onkel Willibald war verzweifelt. Da erschien eines Tages Amöne, und die blieb.

Der Onkel begann, nach einiger Zeit sich selbst nicht mehr zu mögen. Es war schon schlimm.

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Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/072&oldid=- (Version vom 1.8.2018)