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Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Karl Krumbacher, Jacob Wackernagel, Friedrich Leo, Eduard Norden, Franz Skutsch: Die Griechische und Lateinische Literatur und Sprache

gewiß nicht der einzige Quell, der griechische Wörter in die lateinische Sprache ergoß, aber jedenfalls einer der ältesten und einer, der ohne Unterbrechung sprudelte. Wie früh und wie intensiv die Berührung war, zeigt am deutlichsten wohl die Tatsache, daß Kyme oder Cumae in Kampanien, eine Pflanzstadt von Chalkis auf Euböa, wie anderen Völkern Italiens so auch den Römern schon vor dem 6. Jahrhundert das Alphabet geliefert hat. Auch einiges aus dem Sprachschatz der Kelten,Keltisch. die etwa um 500 v. Chr. über die Alpen drangen und nach wiederholten Vorstößen gegen Süden in der Poebene dauernd seßhaft blieben, ist ins Latein übergegangen. So namentlich eine Anzahl Ausdrücke für das Fuhrwesen, dergleichen noch zur cäsarischen Zeit der veronesische Dichter Catull in der römischen Literatur heimisch machte.

Neben den drei indogermanischen Stämmen Etruskisch.aber blieb auch ein ganz fremdartiger nicht ohne Einfluß auf die Sprache der Römer. Zwischen die italische und keltische Einwanderung fällt die der Etrusker. Woher dies Volk gekommen ist, würden wir sagen können, wenn wir seine Sprache zu irgendwelcher sonst bekannten in verwandtschaftliche Beziehung setzen könnten. Aber obwohl wir Tausende von etruskischen Inschriften, ja sogar ein etruskisches Buch besitzen, hat das nicht gelingen wollen; und was wir vom Etruskischen verstehen, reicht nur eben gerade hin, um mit Bestimmtheit sagen zu können: Indogermanen sind die Etrusker nicht gewesen. Und doch hat auch hier eine vor der römischen erblühte Kultur und ein politischer Einfluß, der um 500 v. Chr. von den Alpen bis nach Kampanien hinein sich erstreckte und sich erst später auf das noch jetzt von den Etruskern den Namen tragende Toskana einschränkte, dahin gewirkt, daß Etruskisches sich ins Latein mischte. So darf die Vermutung, daß einzelne technische Ausdrücke auf dem Gebiete des Sakral-, des Kalender-, des Theaterwesens (z. B. persona 'die Maske‘) von den Etruskern stammen, zumal sie durch die Nachrichten der Alten manche Stütze empfängt, nicht verwegen gescholten werden. Und wenn das Etruskische genau wie das vorhistorische Lateinisch (s. oben S. 525) seine Wörter auf der ersten Silbe betont und dadurch vielfach den Vokalismus der folgenden Silben schädigt, so zeigt der Vorgang hier und dort so viel Ähnlichkeit im einzelnen, daß der Gedanke an historischen Zusammenhang viel für sich hat. Ganz sicher steht etruskischer Ursprung für einen großen Teil des römischen Namenschatzes – zum deutlichen Zeichen, daß hinter der Sage von den Tarquiniern, den römischen Königen etruskischen Stammes und Namens, ein greifbarer Kern sich birgt. Und wie überall, wo eine Sprache einer anderen Worte in größerer Fülle entlehnt, kamen mit den etruskischen Namen wohl auch manche formative Elemente, manche Endungen ins Lateinische hinüber; eine davon (-itta) ist uns durch ihre Fortdauer in ital. Giulietta Ninetta, französ. Juliette Henriette ganz geläufig.

Über solche AnleihenEntlehnungen aus diesen Sprachen. lexikalischer, formaler und etwa auch lautlicher Natur ist das Latein, soviel wir sehen, nur beim Griechischen hinausgegangen.

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Karl Krumbacher, Jacob Wackernagel, Friedrich Leo, Eduard Norden, Franz Skutsch: Die Griechische und Lateinische Literatur und Sprache. B. G. Teubner, Leipzig 1913, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Griechische_und_Lateinische_Literatur_und_Sprache.djvu/543&oldid=- (Version vom 1.8.2018)