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284 Denn auf den einen Erzeuger [und] Gott, der der allein Hervorragende ist, haben sie gehofft, 285 große Frömmigkeit und großen Glauben habend.

286 Aber warum giebt mir dies ein der weise Sinn? 287 Jetzt beklage ich dich jammervoll, o armes Asien, 288 und das Geschlecht der Ionier, der Kater, der goldreichen Lydier. 289 Wehe, wehe, Sardes, und wehe, wehe, liebliches Tralles; 290 wehe, wehe, Laodikeia, schöne Stadt! Wie werdet ihr zu Grunde gehen, 291 durch Erdstöße untergehend und in Staub verwandelt 292 ...[1]. 293 Der Artemistempel von Ephesos ...[2] 294 wird durch Erdschlünde und Erschütterungen einstmals in die schreckliche Salzflut kommen, 295 vornüber stürzend, ’wie wenn‘[3] ’Stürme‘[4] die Schiffe überfluten. 296 Rücklings [hingestreckt] an den Ufern wird Ephesus jammern, weinend 297 und den Tempel suchend, der keine Wohnung mehr hat[5].

298 Und[6] dann wird erzürnt der unvergängliche im Äther wohnende Gott 299 vom Himmel her einen Blitzstrahl senden gegen das unheilige Haupt. 300 Statt Winters wird an diesen Tage Sommer sein. 301 Und dann wird ’ein großes Leid‘[7] sein den sterblichen Männern; 302 denn alle die Schamlosen wird der Hochblitzende verderben 303 mit Donnern und mit Leuchten und mit flammenden Blitzen, 304 ’die feindseligen Männer‘[8], und wird sie wie Gottlose vernichten, 305 so daß sie als Leichen auf Erden bleiben, zahlreicher als der Sand.

306 Denn auch Smyrna wird kommen, seinen Lykurgos (?) beweinend, 307 zu den Thoren von Ephesos und wird selbst nur um so mehr zu Grunde gehen. 308 Kyme[9] aber, das thörichte, mit den gottbegeisterten Quellen, 309 wird unter den Händen ’gottloser‘[10], rechtloser und gesetzloser Männer 310 dahingeworfen, nicht mehr zum Himmel so viel ...[11], 311 sondern als Tote bleiben in den kymäischen Quellen. 312 Und dann werden sie ’aufjammern‘[12], zusammen das Elend erwartend. 313 Es wird wissen, daß es ein Zeichen hat, für die Mühen, die es gehabt, 314 das bösartige Volk der Kymäer und das widerwärtige Geschlecht. 315 Dann, wenn sie ’bejammern‘[13] werden das in Asche verwandelte böse Land, 316 wird Lesbos zum Eridanos[14] ewig zu Grunde gehen.

317 Wehe, wehe dir, Korkyra, schöne Stadt; höre auf ’mit schwärmendem Jubel‘![15] 318 Und Hierapolis, du allein mit dem Reichtum verbundenes Land, 319 du wirst haben den thränenreichen Ort, den du ’gewünscht‘[16] hast zu haben, 320 zur Erde geschüttet an den Wassern des Thermodon[17]. 321 Und felsgeschaffenes Tripolis[18] an den Gewässern des Maiandros, 322 indem du mit nächtlichen Wellen ....[19] ’erfüllt wirst‘[20], 323 wird dich von Grund aus verderben Gottes ’Zorn und‘[21] Vorsehung.

324 Das dem Phoibos benachbarte Land, welches mich nicht nehmen wollte, 325 das üppige Miletos, wird einst ein Blitzstrahl von oben verderben, 326 dafür daß es den trugvollen ’Gesang‘[22] des Phoibos erwählte 327 und das weise Studium der Männer[23] und den besonnenen Rat.


  1. Gänzlich entstellter Vers: „Asien dem finsteren und der goldreichen Lyder“ (288).
  2. Hdschr. „geheftet“, unmetrisch u. mit fehlendem Versschluß.
  3. Castalio und ähnlich Rzach; Hdschr. sinnlos.
  4. Castalio; Hdschr. „mit Stürmen“.
  5. Wortspiel (νηός – ναιετάων).
  6. V. 298-305 bilden einen fremdartigen Einschub in ihre Umgebung.
  7. Rzach; „alsdann“ Hdschr.
  8. Rzach nach Opsopoeus; Dativ Hdschr.
  9. Nach der Umgebung das asiatische, wozu „thöricht“ paßt, denn diese Kymäer galten als einfältig; aber „gottbegeisterte Quellen“ weist entweder auf das italische oder auf Konfusion (Alex.).
  10. Klausen; Hdschr. „der Götter“.
  11. Sinnlos verdorben.
  12. Alex.; Hdschr. „haben“.
  13. Desgl.
  14. Alex. möchte unter dem Eridanos (vgl. 135) hier das Meer verstehen.
  15. Alex.; Hdschr. „das Dorf“ (Nomin. oder nach anderer LA. Accus.)
  16. Castalio; Hdschr. „gemacht“.
  17. Das phrygische Hierapolis (unter Nero mit Laodicea und Kolossä durch Erdbeben zerstört) lag am Lykos, nicht an dem pontischen Amazonenstrom Thermodon.
  18. Am Maiandros, zu Lydien (oder Karien) gehörig.
  19. Hdschr. „unter dem Ufer“.
  20. Castalio; Hdschr. „erlost bist“.
  21. Alex. (gleichen Sinnes Rzach); Hdschr. sinnlos.
  22. Alex.; Hdschr. sinnlos. Gemeint ist die Orakelstätte des didymäischen Apollon bei Milet.
  23. Der milesischen Philosophen wie Thales, der auch unter den 7 Weisen war und staatsklugen Rat gab.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen. Tübingen: Mohr Siebeck, 1900, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)