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du dich versiehst, ist schon das Alter da. Herr Tschibissow, greifen Sie doch bitte zu, seien Sie ganz ungeniert! Bei uns geht es einfach zu.“

Die drei Schwestern Wolodjas, Katja, Ssonja und Mascha, – die älteste von ihnen war erst elf – saßen am Tisch und blickten unverwandt den neuen Bekannten an. Tschetschewizyn war ebenso alt und groß wie Wolodja, doch weniger voll und weiß; er war sehr schmächtig und hatte ein dunkles, sommersprossenbedecktes Gesicht. Seine Haare waren struppig, die Augen enggeschlitzt, die Lippen dick; er war überhaupt nicht schön, und wenn er nicht die Gymnasiastenuniform anhätte, könnte man ihn für den Sohn einer Köchin halten. Er blickte finster drein, schwieg die ganze Zeit und lächelte kein einziges Mal. Die Mädchen sagten sich gleich auf den ersten Blick, daß er ein sehr kluger und gelehrter Mann sein müsse. Er dachte die ganze Zeit über etwas nach und war so in seine Gedanken vertieft, daß er, wenn man an ihn irgendeine Frage richtete, zusammenfuhr, den Kopf schüttelte und um Wiederholung der Frage ersuchte.

Die Mädchen merkten, daß auch Wolodja, der sonst immer so lustig und gesprächig gewesen war, diesmal sehr wenig sprach, gar nicht lächelte und gar nicht froh darüber zu sein schien, daß er nach Hause zurückgekehrt war. Während des Teetrinkens wandte er sich an die Schwestern nur ein einziges Mal, und zwar mit sehr seltsamen Worten. Er zeigte mit dem Finger auf den Samowar und sagte:

„In Kalifornien trinkt man aber statt Tee – Gin.“

Auch er schien mit irgendwelchen Gedanken beschäftigt, und nach den Blicken, die er zuweilen mit seinem Freunde Tschetschewizyn wechselte, zu schließen, hatten beide Jungen die gleichen Gedanken.

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. München: Musarion, 1920, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/011&oldid=- (Version vom 31.7.2018)