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„… Ja, und die rote Liese lag auch mitten auf der Straße – sie guckte grade in den Himmel mit den toten Augen …“

„Das süße Mädelchen mit den Flammenhaaren …“ flüsterte der alte Bodenberg mit erstickter Stimme.


Wir fuhren noch an demselben Tage auf einem großen Umweg zurück. Dicht hinter Unna wies der Fürst aus dem Fenster. „Wir passieren hier den historischen Boden der Zukunft,“ sagte er, „dort drüben auf der Heide stand noch zu meines Vaters Lebzeiten jener uralte sagenumwobene Birkenbaum, und jenseits, von den Schlückinger Höhen, sahen die Bauern, wie die blutige Schlacht um ihn tobte.“

„Vielleicht ist sie heute schon keine Sage mehr,“ antwortete ich.

Mit steigender Erregung verfolgte ich in den nächsten Tagen die Ereignisse. Noch mehr als durch die Zeitungen erfuhren wir durch Briefe und durch die Erzählungen der Augenzeugen.

Kaum eine Stimme war, die für die Zechendirektoren Partei ergriffen hätte, und die Empörung war allgemein, je häufiger sie den Bergleuten, die im Vertrauen auf ihre Versprechungen die Arbeit wieder aufgenommen hatten, ihr Wort brachen.

„Habt ihr endlich Hunger genug?!“ Damit empfingen die Zechenbeamten von Gelsenkirchen die wieder einfahrenden Knappen, und in Hörde trieben sie kranke Weiber und Kinder aus den Zechenhäusern, wenn die Männer im Ausstand beharrten.

Empfohlene Zitierweise:
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/407&oldid=- (Version vom 31.7.2018)