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Keaou Lẅan las den Liebesbrief und legte ihn auf ein Buch. Dann kämmte sie ihr Haar, ohne noch eine Antwort geschrieben zu haben, als auf einmal unvermuthet Tante Tsaou in das süssduftende Zimmer trat, und den poetischen Brief gewahrend mit grossem Staunen und Verwundern ausrief: „Ach! Fräulein Keaou, wenn Du diese Heimlichkeiten im westlichen Hinterhause[1] pflegst, weshalb nimmst Du nicht die Herrin vom östlichen Pfade zu Deiner Leitung? Wie konntest Du nur jemals dies vor mir verbergen wollen?“

Keaou Lẅan erwiderte sanft erröthend: „Wenn wir uns auch einige Reime zugesendet haben, so ist die Sache doch nicht weiter gegangen! Wär’ es anders, würde ich es nicht vor meiner theuern Tante zu verbergen wagen.“

Tante Tsaou machte dann die Bemerkung, dass der junge Gelehrte Chow ein Sewtsae der Keang nan Provinz sei und fügte deshalb hinzu:

„Eure achtbaren Familien sind sich ja ganz ebenbürtig, warum sollte man da nicht einen Zwischenträger[2] wünschen, um die Sache ins Gleis zu bringen? Ihr würdet ein herrliches Ehepärchen fürs Leben werden, und würde das Dir nicht ganz annehmbar sein?“


  1. Dies spielt auf eine sehr wohlbekannte chinesische Novelle an, Namens Se seang, worin die Intriguen der Fräulein Tsuy erzählt werden. Siehe Note H zu Ende.
  2. In China werden alle Heirathen durch Zwischenträger geschlossen, die einen sehr achtungswerthen Stand ausmachen, und bei jeder Heirath unumgänglich nothwendig sind. –
Empfohlene Zitierweise:
unbekannt, Adolf Böttger (Übersetzer): Die blutige Rache einer jungen Frau. Wilhelm Jurany, Leipzig 1847, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_blutige_Rache_einer_jungen_Frau.djvu/027&oldid=- (Version vom 31.7.2018)