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Theil des Gartens, begleitet von ihrer Tante und ihrer Dienerin, um sich auf der chinesischen Schaukel oder sonst auf eine Art zu vergnügen. Gerade in ihrer höchsten Ausgelassenheit und Freude, gewahrten sie plötzlich an einer Öffnung der Gartenmauer einen sehr schönen jungen Mann, der maulbeerfarbige Kleidung, und auf dem Haupte eine Mütze oder ein Tuch der Tang-Dynastie trug; er beugte sich vor und schaute zu, wobei er unaufhörlich: Bravo! Bravo! rief.

Keaou Lẅan überkam eine seltsame Unruhe, ihr ganzes Gesicht ward scharlachroth, und hinter ihre Tante sich verbergend ging sie mit ihr augenblicklich in das süss duftende[1] Zimmer, wohin ihnen die Dienerin gleichfalls folgte. Der junge Gelehrte sah jetzt Niemand im Garten, und sprang rasch über die Mauer. Er fand die Schaukel noch in Bewegung und ein erquickender, die Sinne umnebelnder Wohlgeruch athmete noch über den Ort.

Im höchsten Staunen und Wundern, wer die junge Schöne wohl sein möge, erblickte er auf einmal etwas im Grase liegen, er nahm es auf und fand, dass es ein Halstuch von duftiger Gaze war, drei Ellen lang und mit der feinsten Stickerei verziert. Der junge Mann eignete sich diesen Schatz zu, als wär’ es die köstlichste Perle der Welt; und da er Fusstritte in der Nähe hörte, so sucht er eiligst den Ausgang aus dem Garten, wie er den Eingang gefunden. Dann stellte er sich wieder an die Mauerspalte und


  1. Das Privatzimmer eines chinesischen Mädchens wird so genannt; gewöhnlich Schlafkammer.
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unbekannt, Adolf Böttger (Übersetzer): Die blutige Rache einer jungen Frau. Wilhelm Jurany, Leipzig 1847, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_blutige_Rache_einer_jungen_Frau.djvu/015&oldid=- (Version vom 31.7.2018)