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Ohne das geringste Zeichen von Scham zu verrathen und ohne Verlangen, die Wahrheit zu verbergen, antwortete ihm das Weib ganz fest: ich bin’s in der That, und keine Andere! Aber Du, mein Lieber, kannst ganz ausser Sorge sein, da es durchaus nicht meine Absicht ist, Dir wehe zu thun.

Changyih ersuchte sie, ihm gefälligst die Geschichte ihres Lebens mitzutheilen, welche Bitte sie ihm mit folgenden Worten gewährte:

„Früher war ich ein öffentliches Mädchen, und mein Familienname war Muh. Mein Rang in dem Hause der Freude war Nummer zweiundzwanzig, und deshalb nannte man mich gewöhnlich Fräulein Neen urh[1]. Ich hatte eine Liaison mit einem Mann aus Yutseen District Namens Yang chuen, und wir standen im traulichsten Verhältniss zu einander. Er versprach, mich zu heirathen und in sein Haus zu nehmen; im Vertrauen darauf gab ich ihm mein kleines Privatvermögen, das aus hundert Goldstücken bestand[2]. Mein falscher Liebhaber ging aber davon und als er nach drei Jahren nicht zurückgekehrt war, suchte die alte Besitzerin der Wirthschaft meine Neigung zu bändigen und zwang mich, einen andern Geliebten anzunehmen; da ich nun keinen Ausweg wusste, ihren lästigen Bewerbungen zu entgehen und nicht stark genug war, die Plagen, die mich niederwarfen,


  1. Neen urh braucht man in chines. Schriftsprache für zweiundzwanzig, gewöhnlich urh shih urh.
  2. Pikkin, weisses Gold i. e. hundert Silberthaler (tael, an Werth 1 Thlr. 10 Ngr.).
Empfohlene Zitierweise:
unbekannt, Adolf Böttger (Übersetzer): Die blutige Rache einer jungen Frau. Wilhelm Jurany, Leipzig 1847, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_blutige_Rache_einer_jungen_Frau.djvu/007&oldid=- (Version vom 31.7.2018)