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Am liebsten hätte ich sie heimlich entführt. Aber in meiner Kammer hat nur mein eignes Bett Platz, weil ich ein Krüppel bin und nie gerade liege, und das Weib, das mich geboren hat, würde mit meinen Schützlingen auch nur ein Geschäft machen wollen. Abnehmer hat sie immer für Menschenware.

Nun hörte ich, daß es bei den vornehmen Damen neuerdings Mode ist, arme Leute mit dem Abfall ihrer Küche und abgetragenen Kleidern dankbar zu machen. Einige gründen auch Hospitäler, weil sie für ihre glatte Haut die ansteckenden Krankheiten derer fürchten, die frei herumlaufen.

Wäre es nun nicht möglich, nachdem durch Herrn Rousseau sogar die Liebe zu den Kindern Mode wurde, einen Zufluchtsort für sie zu schaffen? Sie fänden wenigstens Schutz vor den wilden Bestien, die sie verfolgen: dem Menschen und dem Hunger. Auch würde es weniger kosten, als ein neues Kleid, wenn die Damen des Hofs sich alle daran beteiligen würden.

Ich fürchte, ich kann für andere nicht betteln. Nichts macht so inbrünstig hassen, als bitten zu müssen.

Verzeihen mir Euer Gnaden gütigst all die Worte, die wie Steinwürfe sind, und wie Schneeflocken sein sollten. Wenn Sie all die Güte, die Sie an mich verschwendeten, den armen Kindern zuwenden wollten, so wären sie gerettet.

Meine Liste steht Ihnen zur Verfügung.


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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/164&oldid=- (Version vom 31.7.2018)