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die ich dauernd empfinde. Und doch: so groß sie ist, – ein kleines Stück Papier, drei Worte darauf: „Ich vergebe Ihnen“, würde sie in diesem Augenblick, wo alle übermütigen Wünsche schweigen müssen, auszufüllen vermögen. Werde ich vergebens darauf warten?


Johann von Altenau an Delphine.
Paris, den 3. Juli 1772


Gnädigste Gräfin

Die dicksten Klosterwände werden dünn wie Seidenpapier, wenn sie sich in Paris befinden und junge Damen von Rang dahinter erzogen werden. Alle Bücher, um derentwillen ich Montbéliard verlassen mußte, würde ich mich anheischig machen, bei Ihnen einzuschmuggeln, ohne daß ein zweiter Friedrich-Eugen mein Vertrauen mißbrauchen, eine zweite Frau von Laroche Sie dafür strafen würde. Aber ich will Sie heute nicht beunruhigen. Lebte ich noch in der Luft von Montbéliard, die so sehr die des siebzehnten Jahrhunderts ist, daß das achtzehnte einen Gewittersturm entladen müßte, um sie zu verteilen, so würde ich Sie mit Handkuß und tiefer Verbeugung um Verzeihung bitten, weil ich der unschuldig Schuldige auch an Ihrer Verbannung war. Aber ich bin, wie Sie, in der Hauptstadt und weiß, daß selbst ein Kloster in Paris einem alten Schloß im Elsaß vorzuziehen ist.

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/018&oldid=- (Version vom 31.7.2018)