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in den Tempel laufen! Der Gott ist gekommen, mit seinem Kuß von den Küssen des Menschen zu erlösen!«

Und dann verschwand das alles, ein paar gekrümmte Straßen hin, Metzeleien entgegen.

Mit der dreifachen Krone seiner zerfallenden Galerien und den hundert halbversunkenen Stufen seiner Treppe unterwarf sich das Serapeum sichtbarlich all den Glanz, all die Unzucht und all die Schwärmerei der Stadt. Auf seinen Mauern, die aus den Fugen gleiten wollten, nisteten wilde Kapernsträuche und blühten. Aber es war – wie das Grab Hellas. Angefüllt mit den Bildern alten Ruhms und mit einer Bibliothek von mehr als siebenmalhunderttausend Bänden. Diese kostbaren Reliquien dankten ihr Leben dem frommen Eifer einer erhabenen Jungfrau, jener Athene … gleich wie unser Heut-Empfinden, das sich verfolgt sieht, zum elfenbeinernen Turm flüchtet …

Athene waltete über die Satzungen und über die Lehren wie über ein Erbe und war allwöchentlich der Mittelpunkt des Kreises der Hellenen. Und hielt in den Herzen, die aus der Zeit und aus der Heimat verbannt waren, wach, daß Denken eine Würde sei und Erinnerung eine Tat. Und sie wurde sogar geliebt von denen, die sie nicht begreifen konnten.

Empfohlene Zitierweise:
Maurice Barrès, Übersetzung: Heinrich Lautensack: Der Mord an der Jungfrau. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Der_Mord_an_der_Jungfrau_Barres_Maurice.djvu/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)