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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

mir. Er gab mir allerhand wohlgemeinte Ratschläge, wie die Gefangenschaft am besten zu ertragen wäre, aber für mich waren das alles Worte, Worte, nichts als Worte. Kein Mensch konnte sich einen Begriff davon machen, wie es in meinem Innern aussah. Kein Mensch konnte mir helfen. Zum erstenmal in meinem Leben wurde ich mir der Einsamkeit bewußt, in der wir von der Wiege bis zum Grabe unseren Weg gehen müssen. Eine bittere Erkenntnis zu Anfang. Man braucht lange, bis man sich mit ihr abgefunden hat. Hat man sich aber mit ihr abgefunden, so erwächst daraus eine stolze Gelassenheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens. Wie weit war ich noch davon entfernt!

Mit Spannung sah ich dem Besuche des Anwalts entgegen. Wir sprachen uns ohne Zeugen, in einem kleinen Zimmer, das eine Glastür hatte, davor ein Aufseher hin und her ging.

In der Frankfurter Zeitung stand ein ausführlicher Bericht. Meine Schwiegermutter war erschossen worden, als sie sich mit ihrer Tochter Olga auf dem Wege von ihrer Villa zur Post befand, wohin man sie telephonisch gerufen hatte. Zeitpunkt: kurz nach sechs Uhr abends. Ort: Kaiser-Wilhelm-Straße, an den Lindenstaffeln. Mir war, wie wenn ich einen Schlag auf den Kopf erhalten hätte. Schlimmer konnte es für mich nicht stehen.

„Die Kette ist geschlossen. Ein Indizienbeweis, wie er vollkommener nicht gedacht werden kann.“

Mr. Scott hatte darauf nichts zu erwidern. Auch ein Bericht über meine Verhaftung stand schon in der Zeitung. Mein Aufenthalt in Frankfurt war bekannt. Meine Reise nach Baden-Baden mit dem falschen Bart. Es war kein Zweifel möglich: ich mußte der Täter sein. Der Anwalt rekapitulierte die einzelnen Indizien, eines immer belastender als das andere, und sah mich zum Schlusse an, wie wenn er sagen wollte: Was wollen Sie noch mehr, es fehlt nur noch Ihr Geständnis. – Ganz entsetzt war er, als ich ihm noch ein weiteres Indizium angab, das er vergessen hatte.

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)